Christiane Driesen

Gerichtsdolmetschen


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und Herschaukeln, Verschränken der Arme sollen vermieden werden.)

       Wie war der Blickkontakt?

       Waren Anfang und Schluss eindeutig?

       Wurde die Dolmetschetikette eingehalten?

      Fragen zur Translationsleistung:

       Wie war die Wortwahl? (Zu wörtlich? Angemessene Sprachebene?)

       Waren die Fachtermini korrekt?

       Entsprach die Übersetzung den sprachlichen und kulturellen Konventionen der Zielsprache?

       Gab es Auslassungen?

      3.2.3 Übung 3: Vom-Blatt-Übersetzen von vorbereiteten Fachtexten

      Sobald diese besondere Technik beherrscht wird, müssen die Teilnehmer Gelegenheit haben, Texte vorzubereiten und sie dann allein und in der Gruppe vom Blatt zu übersetzen. Beim Vom-Blatt-Übersetzen bzw. -Dolmetschen kann der Dolmetscher das Publikum nicht warten lassen. Die Übersetzung muss fließend sein.

      In der Praxis wird vom Dolmetscher die zuverlässige und spontane Beherrschung eines Grundvokabulars aus polizeilichen bzw. gerichtlichen Presseberichten erwartet, aber bei den ersten Übungen sollte von Urkunden und juristischen Texten Abstand genommen werden.

      Setting: Allein-Übung, Gruppenübung, Arbeit mit oder ohne Dozent

      Zweifacher Übungszweck: Einerseits wird Vom-Blatt-Übersetzen geübt und andererseits das gängige Fachvokabular als Grundlage für zukünftige Einsätze und als Vorbereitung auf juristisches Übersetzen gelernt.

       Neues Phantombild nach Überfall auf Geldtransport

      Im Zusammenhang mit einem im August 2006 in Mahlsdorf erschossenen Geldtransporteur wendet sich die Berliner Polizei mit der Veröffentlichung eines weiteren Phantombildes an die Bevölkerung. Für sachdienliche Hinweise ist eine Belohnung von bis zu 35.000 Euro ausgesetzt. Der 40-Jährige und ein Kollege wollten am Freitag, den 11. August, gegen 1.50 Uhr die Geldautomaten einer Sparkassen-Filiale am Hultschiner Damm im Bezirk Marzahn-Hellersdorf auffüllen. Vor der Bank wurden die beiden von zwei oder drei bewaffneten Räubern abgepasst, die sofort das Feuer eröffneten. Der Wachmann erlag noch vor Ort seinen schweren Verletzungen, sein Kollege und ein weiterer Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, der im Geldtransporter vor der Bank gewartet hatte, blieben unverletzt. Die Räuber flüchteten mit ihrer Beute in einem zuvor gestohlenen schwarzen Audi A6 Avant. Die Veröffentlichung von zwei Phantombildern des Fluchtwagenfahrers sowie des vermeintlichen Todesschützen durch die Berliner Polizei erbrachte zwar eine hohe Anzahl von Hinweisen, eine heiße Spur war jedoch nicht dabei. Über die veröffentlichten Bilder des Fluchtautos, an dem sich zur Tatzeit die entwendeten Kennzeichen B-DJ 2061 befanden, konnte ein Hinweisgeber ermittelt werden, der dieses Fahrzeug am Tag vor und in der Nacht nach der Tat im Bereich Schonensche/Trelleborger Straße in Pankow gesehen haben will. Als Pkw-Führer habe er den auf dem damaligen Phantombild abgebildeten Fahrer des Fluchtwagens wiedererkannt, der sich in Begleitung eines zweiten Mannes befunden habe. Bei diesem Mann, von dem mit Hilfe des Zeugen das nunmehr dritte Phantombild gefertigt wurde, muss es sich nicht zwangsläufig um einen der Täter handeln. Er kann auch eine unbeteiligte Kontaktperson sein. Der Gesuchte ist vermutlich Deutscher, etwa 30 Jahre alt, 1,70 bis 1,75 Meter groß und hat eine normale bis sportliche Figur. Er hat sehr ausgeprägte Tränensäcke unter den Augen und trug damals kurze, dunkle Haare. Die Kriminalpolizei fragt: Wer kennt den auf dem Phantombild abgebildeten Mann, der vermutlich einen Bezug zur Wohngegend Schonensche/Trelleborger/Wisbyer Straße hat? Wer hat den schwarzen Audi A6 Avant mit dem Kennzeichen B-DJ 2061 zwischen Mittwoch, den 9., und Sonnabend, den 12. August 2006, im entsprechenden Bereich in Pankow oder an anderen Stellen der Stadt gesehen? Wer kann sonst sachdienliche Hinweise geben? Für Hinweise, die zur Aufklärung führen, ist nach wie vor eine Belohnung in Höhe von bis zu 35.000 Euro ausgesetzt. Hinweise, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden können, nimmt das 1. Raubkommissariat des Landeskriminalamtes, LKA 441, am Tempelhofer Damm 12 unter den Telefonnummern 030/4664–944101 per Fax 030/4664–944199, per E-mail: [email protected] oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.1

      Ausführung und Empfehlungen

      Allein-Übung und Gruppenübung sind in zwei unterschiedliche Phasen unterteilt: das Vorbereitungsverfahren und die eigentliche Translationsleistung.

      Vorbereitung eines vom Blatt zu übersetzenden Textes (den Text bis zum Ende lesen):

       Was ist der Inhalt?

       Fachbegriffe markieren

       Fachbegriffe entschlüsseln

       Paralleltexte heranziehen

       Für Institutionen und Straftaten sind die geeigneten Stellen der entsprechenden Gesetzesbücher zum Vergleich heranzuziehen. Presseberichte in der Zielsprache sind ebenfalls hilfreich. Auf dieser Grundlage werden dann:

       Fachwortliste angefertigt

       Lösungen für schwer zu übersetzende Stellen am Textrand notiert. Dann erst:

       Versuch der Vom-Blatt-Übersetzung, bis das Ergebnis fließend wie im Original vorgelesen wirkt.

      Gruppenübung und -bewertung

      Der so gründlich vorbereitete Text wird dann in der Gruppe vom Blatt übersetzt. Das Vom-Blatt-Übersetzen wird so lange geübt, bis die Übersetzung wie ein eigener Vortrag wirkt. Zur Bewertung wird die Tonaufnahme zu Hilfe genommen.

      3.2.4 Übung 4: Nach Erfahrung mit der Konsekutiv- und Simultantechnik

      Setting: Gruppenübung mit und ohne Dozent

      Material: Aufnahmegerät, Zeitmesser, Artikel aus der Presse mit polizeilichem bzw. gerichtlichem Inhalt, die nach vorausgegangenen Übungen keine Vorbereitung mehr erfordern sollten.

      Übungszweck: Die Verdolmetschung soll die Kommunikation und den Rhythmus beim Vom-Blatt-Übersetzen auf die Probe stellen.

      Aufgabenbeschreibung und Empfehlungen

      Ein Teilnehmer überfliegt den ausgewählten Text eine Minute lang. Er nimmt die Übersetzung vom Blatt vor, während andere Teilnehmer für die Konsekutivverdolmetschung notieren. Nach Abschluss der Vom-Blatt-Übersetzung erfolgt dann die konsekutive Verdolmetschung derselben. Falls Dozenten im Tandem1 arbeiten, kann ein anderer Teilnehmer simultan flüstern.

      Selbstbewertung und Gruppenbewertung

      Vom-Blatt-Übersetzer und Konsekutivdolmetscher werden zunächst nach den eigenen Eindrücken und nach eventuellen Schwierigkeiten gefragt.

      Der Konsekutivdolmetscher wird dann um eine Bewertung der Kommunikationsqualität der Vom-Blatt-Übersetzung gebeten. Haben z.B. der Rhythmus bzw. die Kohärenz des Vortrags seine Verdolmetschung erschwert oder erleichtert?

      Nach Abspielen der Tonaufnahme wird die Gruppe um Bewertung gebeten. Bei dieser Übung können ebenfalls nach entsprechender Vereinbarung zwei Gruppenmitglieder ihre konstruktive Kritik jeweils zur Vom-Blatt-Übersetzung oder zur konsekutiven Verdolmetschung in der Form von Kurzvorträgen äußern.

      3.2.5 Übung 5: Vom-Blatt-Dolmetschen

      Erst nach zuverlässiger Beherrschung des Vom-Blatt-Übersetzens kann das Vom-Blatt-Dolmetschen eingeführt werden. Diese Technik wird sowohl bei internationalen als auch bei nationalen Gerichten, bei Behörden und Notaren immer häufiger angewendet. Der Dolmetscher muss mit dem Rhythmus des Vorlesers Schritt halten.

      Setting: Gruppe mit oder ohne Dozent.

      Material: