Qualitätsmerkmale von (Fremdsprachen-)Unterricht
Ausgehend von den Bildungsstandards könnte man konstatieren, dass Fremdsprachenunterricht dann „gut“ ist, wenn die Lernenden die Standards erreichen. Leider sagt dies natürlich noch nichts darüber aus, wie ein solches Ziel letztlich erreicht wird. Auch scheint man in der Fremdsprachendidaktik vorsichtig zu sein mit normativen Aussagen dahingehend, was im Unterricht gemacht werden sollte oder eben nicht, was also dezidiert QualitätsmerkmaleQualitätsmerkmale eines gelingenden Fremdsprachenunterrichts sein könnten. Wenn darüber hinaus Kriterienkataloge für guten Fremdsprachenunterricht aufgestellt werden, sind sie selten spezifisch fremdsprachendidaktisch formuliert, sondern können häufig auch auf andere Fächer übertragen werden.
Allgemeinpädagogische Qualitätsmerkmale
Allgemeinpädagogisch fallen im deutschsprachigen Raum im Zusammenhang mit Qualität und Unterricht insbesondere drei Namen: Hilbert Meyer, Andreas Helmke und John Hattie.
1 Hilbert Meyer (2016) stellt zehn Kriterien auf, die guter Unterricht erfüllen sollte. Hierzu gehören z.B. eine klare Strukturiertheit, ein lernförderliches Klima und die Maximierung echter Lernzeit. Ihm geht es mit diesen Kriterien primär um die Unterrichtsgestaltung an sich, die sich zwar auch – interpretiert durch die Lehrkraft – den konkreten Bedingungen anpassen soll, eine echte Kontextgebundenheit findet sich jedoch nicht.
2 Andreas Helmke (2015) formuliert ein Angebot-Nutzen-Modell von Unterricht (im Anschluss an Fend 1981 und die DESI-Studie) und betrachtet darin zum einen die Prozessebene des Unterrichtens (z.B. Unterrichtsstruktur, Motivation durch die Lehrkraft) und die Produktebene, also inwiefern das durch den Unterricht entstehende Angebot durch Lernaktivitäten genutzt wird und welchen Ertrag diese Interventionen haben (z.B. im Sinne von Lernzuwachs, Motivationssteigerung). Für ihn hat auch der Kontext, in dem dieses Angebot durch Lernen und Lernzuwächse genutzt wird, eine besondere Rolle. Als Kontextfaktoren nennt er: kulturelle Rahmenbedingungen, regionaler Kontext, Schulform und Bildungsgang, Klassenzusammensetzung, didaktischer Kontext sowie Schul- und Klassenklima.
3 John Hattie (2014) hat in seiner vielrezipierten Meta-Meta-Analyse von Unterricht und Schule eine Hitliste lernförderlicher und -hinderlicher Faktoren anhand ihrer sogenannten Effektstärken herausgearbeitet. Auch wenn die quantitativ vereinfachte Darstellung häufig kritisiert wurde und sie meist genauerer Betrachtung und Analyse der zugrundegelegten Studien bedarf, hat Hattie einen besonderen Punkt immer wieder herausgestellt: Die Lehrkraft steht als unmittelbar gestaltende Person im Mittelpunkt eines qualitätsorientierten Unterrichts. Und: Lehrkräfte sollen ihren eigenen Einfluss und den ihrer Interventionen auf die Lernenden für sich selbst reflexiv wahrnehmbar machen („Know thy impact!“).
Moment der Reflexion
Recherchieren Sie eines der oben vorgeschlagenen Konzepte für guten Unterricht und überlegen Sie, welche konkreten Konsequenzen sich aus den Vorgaben für Ihr unterrichtliches Handeln als Fremdsprachenlehrerin bzw. Fremdsprachenlehrer ergeben.
Fremdsprachendidaktische Qualitätsmerkmale
Die fächerübergreifenden Erkenntnisse, die neben diesen drei namhaften Akteuren auch viele weitere Expertinnen und Experten produziert haben, bedürfen immer einer fachdidaktischen Interpretation: Welche Schlüsse können für den Fremdsprachenunterricht gezogen werden? Was bedeuten „Strukturiertheit“, „TransparenzTransparenz“, „Direkte Instruktion“ und „FeedbackFeedback“ für den Fremdsprachenunterricht? Wie kann eine lernförderliche Umgebung für das Lehren und Lernen einer fremden Sprache gestaltet werden?
Insbesondere was die Interaktionsprozesse sowie die je anteilige Bedeutung von Lehrkraft und Lernenden im Fremdsprachenunterricht angeht, haben Nold und Roters (2010) einige Erkenntnisse und Schlüsselstellen aus den einschlägigen Untersuchungen hinsichtlich des Sprachenlernens zusammengestellt. Dazu gehören beispielsweise:
die Rolle von Form- und Inhaltsfokussierung,
die Rolle von motivationalen und lernstrategischen Lernprozessen,
die Bedeutung und Verteilung des Sprechanteils von Schülerinnen und Schülern,
die Bedeutung der Geduld von Lehrerinnen und Lehrern, auf Schülerantworten zu warten,
die differenzierte Rolle des Deutschen im Unterrichtsdiskurs […],
die Bedeutung von Schüleräußerungen über Ein-Wort-Sätze hinaus,
die Betonung der Formulierarbeit, verbunden mit einer Engführung des Lehrer-Schüler-Diskurses,
einen positiven Umgang mit Fehlern, verbunden mit der gezielten Möglichkeit zur Selbstkorrektur oder Korrektur durch Mitschüler,
positive Wirkung von bilingualen Programmen (bilingualer Sachfachunterricht und CLIL). (ebd.: S. 47)
Wolfgang Gehring (2015) leitet anhand der Erkenntnisse aus der Sprachlehr- und -lernforschung sowie in der Fremdsprachendidaktik anerkannten Prinzipien siebzehn Aspekte ab, die er für die Planung – in seinem Fall – guten Englischunterrichts als essentiell ansieht:
Das Vorwissen der Lernenden wird aktiviert und integriert.
Der Lerninput ist verständlich und nachvollziehbar.
Die Leistungserwartungen werden verständlich kommuniziert.
Das, was verstanden werden soll, wird kontinuierlich gesichert.
Das Maß des Verstandenen wird kontinuierlich überprüft.
Viele Fehler werden als Merkmal von Sprachentwicklung gewürdigt.
Übungen und Aufgaben bedienen Lernansprüche und überschreiten sie.
Lehr- und Lernphasen fördern die Selbsttätigkeit und leiten zum Lernen und Üben an.
Die Lernumgebung fordert und sorgt für Erfolgserlebnisse.
Die Lernangebote berücksichtigen vorgefundene Leistungsniveaus.
Das Gelernte wird gesichert, wiederholt und vertieft.
Erarbeitung und Verarbeitung sind ausgewogen.
Das Lehrkonzept begünstigt das Hypothesentesten und versorgt mit Feedback.
Vielfältige Angebote der Sprachbenutzung sorgen für hohen Aktivanteil.
Methodenpluralismus ist Kernelement.
Der Unterricht lässt Raum für Experimente mit der Lernsprache.
Aufgaben regen auch zur Analyse und zur Problemorientierung an. (ebd.: S. 23)
Im Anschluss an die weiter oben bereits erwähnten BildungsstandardsBildungsstandards und die allgemeinen Diskussionen in den einschlägigen Fremdsprachendidaktiken ist guter Fremdsprachenunterricht damit kompetenzorientiert, fördert also einerseits die sprachlichen Fertigkeiten – auch vor dem Hintergrund einer interkulturellen kommunikativen Kompetenzinterkulturelle kommunikative Kompetenz –, gleichzeitig aber auch methodische (Sprachlern-)Kompetenzen sowie SprachbewusstheitSprachbewusstheit. Die von Meyer, Helmke und Hattie formulierten Maßgaben bedeuten für den Fremdsprachenunterricht, dass eine Lernumgebung didaktisch-methodisch in einer bestimmten Weise strukturiert werden muss, um dieses kompetenzorientierte Sprachenlernen im Sinne der Kriterien von Nold/Roters sowie Gehring möglichst ungehindert stattfinden zu lassen. Dann können auf der Performanzebene Lernfortschritte (Kompetenzzuwächse) für die Lehrkraft sichtbar werden und sie kann beispielsweise im Optimalfall erkennen, welche Aspekte des Unterrichts welchen Ertrag an der Entwicklung der Lernenden haben. Die einschlägigen Studien sind sich weitgehend darin einig, dass insbesondere der Lehrkraft eine entscheidende Bedeutung für das Zustandekommen eines hochwertigen, lerner- und kompetenzorientierten Unterrichts zukommt.
Bildungspotenzial des Fremdsprachenunterrichts