Christine Becker

Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation


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anonyme Kursevaluationen wurden, sofern sinnvoll, mit in die Analyse einbezogen.

      Es handelt sich bei dem untersuchten Unterricht also um universitären Landeskundeunterricht, wie er im Rahmen von Fremdsprachenstudiengängen häufig zu finden ist und in dem Fremdsprachenunterricht mit der Vermittlung von Fachinhalten verbunden wird. Anders als der schulische integrierte Fremdsprachen-Sachfach-Unterricht stellt die universitäre Lehre noch kein etabliertes Forschungsgebiet dar. In diesem Kontext können die in dieser Arbeit vorgelegten Forschungsergebnisse Impulse für die Unterrichtspraxis in Fremdsprachenstudiengängen geben.

      In dem auf diese Einleitung folgenden Kapitel 2 wird der theoretische Hintergrund skizziert; das Unterkapitel zu Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien (2.1) ist, nach einleitenden Kapiteln zu Blended Learning und computervermittelter Kommunikation im Fremdsprachenunterricht, dem Potenzial von asynchroner computervermittelter Kommunikation gewidmet. Dabei wird zwischen einer allgemeindidaktischen und einer fachdidaktischen Perspektive unterschieden. So wird asynchrone computervermittelte Kommunikation beispielsweise allgemein dann eingesetzt, wenn die Lerner mehr Zeit für Reflexion bekommen sollen, was für den Fremdsprachenunterricht bedeutet, dass die Beiträge der Lerner vor allem sprachlich besser ausgearbeitet werden können bzw. für den Landeskundeunterricht, dass auch inhaltlich mehr Reflexion stattfinden kann.

      Zwei Komponenten, die Unterricht maßgeblich beeinflussen (und zwar unabhängig davon, ob er im Präsenz- oder Online-Modus stattfindet), rücken sodann in das Blickfeld: Lernaufgaben und die Rolle der Lehrenden. Der Fokus liegt hier auf der Frage, welche Besonderheiten sich für diese beiden Einflussfaktoren im Kontext asynchroner computervermittelter Diskussionen feststellen lassen. Insgesamt werden die theoretischen Ausführungen, sofern sie sich in der Analyse als besonders relevant zeigen, in den Kapiteln der Datenauswertung (Kapitel 5 und 6) näher erläutert.

      Das Unterkapitel zu landeskundlichem Lernen (Kapitel 2.2) skizziert die Geschichte sowie den aktuellen Stand der Landeskundedidaktik und führt in die kulturwissenschaftlichen Landeskundeansätze ein, an die mit dem hier untersuchten Unterricht angeknüpft wird.

      Auf diese Kapitel zu den theoretischen Hintergründen folgen zwei kürzere theoretische Kapitel, deren Inhalte für die Datenanalysen relevant sind: Kapitel 2.3 behandelt das Thema integrierter Fremdsprachen-Sachfach-Unterricht und zeigt auf, in welcher Situation sich der universitäre Fachunterricht befindet, der im Rahmen von Fremdsprachenstudiengängen stattfindet. Kapitel 2.4 ist der epistemischen Funktion des Schreibens gewidmet; da die Studierenden ihre Beiträge in der asynchronen Online-Diskussion verschriftlichen, ist davon auszugehen, dass dies einen Einfluss auf das Lernpotenzial der Diskussionen hat.

      In Kapitel 3 der Arbeit wird der spezifische Untersuchungskontext zusammengefasst, d.h. auf das Fach Germanistik an der Universität Stockholm eingegangen, sowie die Didaktik des Landeskundeunterrichts erläutert und somit an Kapitel 2.2 angeknüpft.

      Daran schließt in Kapitel 4 die Präsentation der Forschungsmethode an: Nach einigen Vorüberlegungen zu Erkenntnisinteresse und Forschungsverständnis wird das Forschungsdesign beschrieben, d.h. die Methoden der Datenerhebung und -auswertung. Die Methode der Datenauswertung folgt hauptsächlich der qualitativen Inhaltsanalyse. Abgeschlossen wird das Kapitel mit Reflexionen über das Forschungsdesign aus forschungsethischer Perspektive.

      Es folgt der Teil der Arbeit, in dem die Analyseergebnisse präsentiert werden: Zunächst werden in Kapitel 5 die Ergebnisse der Detailanalyse einer Online-Diskussion zusammengefasst; Ziel ist es, Faktoren zu identifizieren, die das Geschehen während einer asynchronen Online-Diskussion beeinflussen, sowie Merkmale der Diskussionen zu beschreiben. Die Erkenntnisse stellen die Grundlage für die weitere Datenanalyse dar, denn das Potenzial asynchroner computervermittelter Diskussion für landeskundliches Lernen kann in seiner Komplexität nur beschrieben werden, wenn Aspekte wie beispielsweise Zeitpunkte der Bearbeitung, Beitragslänge, studentische Interaktion, Lehrerrolle und die Rolle von Studierenden mit Deutsch als L1 berücksichtigt werden. Zudem zeigen diese ausgewählten Einflussfaktoren, wie Lernprozesse initiiert werden können.

      In Kapitel 6 wird schließlich das Lernpotenzial der Diskussionen für kulturbezogenes Lernen herausgearbeitet. Ausgangspunkt der Analyse sind die im Diskussionsforum gestellten Aufgaben und die Vorgehensweisen der Studierenden bei der Aufgabenbearbeitung. So kann aufgezeigt werden, dass die Studierenden verschiedene Modi der Aufgabenbearbeitung wählen, beispielsweise das Zusammenfassen von Sachwissen oder das Erzählen von persönlichen Erlebnissen. Eine Auswahl der identifizierten Modi (Zusammenfassung von Sachwissen, Gegenwartsbezüge, Begriffs- und Deutungsreflexionen, Perspektivenübernahme und narrative Zugänge) wird ab Kapitel 6.2 im Hinblick auf Vor- und Nachteile für landeskundliches Lernen hin untersucht. In Kapitel 7 werden die Ergebnisse und Implikationen für die Gestaltung der Unterrichtspraxis zusammengefasst.

      2 Theoretischer Hintergrund

      2.1 Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien

      Seit dem Aufkommen der digitalen Medien1 werden diese auch für das Fremdsprachenlernen genutzt, wobei zunächst grob zwischen folgenden Verwendungsformen von digitalen Medien bzw. E-Learning2 im Fremdsprachenunterricht unterschieden werden kann: der „Verteilung (Distribution) von Lernmaterial, [und der] Kommunikation zwischen Lernenden und Lehrenden sowie zwischen Lernenden bzw. Lehrenden untereinander“ (Rösler 2010a, 9)3. Beide Verwendungsformen sind derzeit für das Fremdsprachenlernen gleichermaßen relevant und es lässt sich folgender Trend beschreiben: Während auf der einen Seite eine „Tendenz zur weitgehenden Individualisierung des Lernens“ festzustellen ist, da Lerner durch digitale Medien z.B. die Möglichkeit haben, individuelle Lernpfade zu beschreiten, kann zudem eine „weitere Verbreitung kooperativen Lernens“ beobachtet werden (Rösler 2010b, 1210), das z.B. durch asynchrone computervermittelte Kommunikation ermöglicht wird.

      Als Beispiele für die Verwendung digitaler Medien für das Fremdsprachenlernen4 lassen sich erst einmal das Bearbeiten von automatisch korrigierten Lückentexten auf zu Lehrbüchern gehörenden CD-ROMs oder einschlägigen Internetseiten sowie das Üben von Vokabeln und grammatischen Strukturen auf Smartphones5 nennen, wobei diese Einsatzmöglichkeiten meist unter die Kategorie CALL fallen. CALL steht für Computer-Assisted Language Learning und prägte vor allem die Anfangsjahre von computergestütztem Fremdsprachenlernen.6 Seitdem vielen Fremdsprachenlernern auch mobile Endgeräte zur Verfügung stehen, könnte man jedoch von einem Revival von CALL sprechen: Apps wie Duolingo werden für das Selbstlernen angeboten und haben den instruktionalen Charakter, der typischerweise mit CALL verbunden wird.7

      Zum kooperativen Arbeiten mit digitalen Medien gehören u.a. das gemeinsame Verfassen von Texten, das Erstellen von Podcasts oder Filmen, oder das, was unter computervermittelter Kommunikation (CMC: Computer-Mediated Communication)8 verstanden wird, wie das Diskutieren von Kurzgeschichten im didaktischen Chatraum, der interkulturelle Austausch in virtuellen Welten, im Chat oder durch die App WhatsApp, oder eben auch die Auseinandersetzung mit landeskundlichen Themen in Online-Foren.

      Entsprechend des Bewusstseins, dass „[d]er Einsatz von digitalen Medien nur dann sinnvoll [ist], wenn er sinnvoll ist“ (Rösler 2006a, 69), versucht die fremdsprachendidaktische Forschung Klarheit in die Frage zu bringen, welchen Sinn bzw. Mehrwert digitale Medien für das Fremdsprachenlernen haben. Reinmann (2005, 76–78) erörtert ausgehend von Hauptfunktionen9 das Potenzial digitaler Medien für Lernumgebungen im Allgemeinen, die im Folgenden auf das Fremdsprachenlernen zugeschnitten werden sollen (vgl. Biebighäuser 2014, 98), mit besonderem Fokus auf das Potenzial für landeskundliches Lernen:

      Distribution, Repräsentation und Exploration: Distribution meint die „zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit von Informationen und Materialien“ (ebd., 98), dank derer Lernende und Unterrichtende Zugang haben zu z.B. Zusatzmaterialien zu Lehrwerken auf den Seiten der Verlage und zu unter Umständen tagesaktuellen authentischen10 Materialien aus der fremdsprachigen Lebenswelt. Dass digitale Medien hier nicht nur ein Potenzial besitzen, sondern es auch problematisch sein kann, wenn Lernende beispielsweise im Rahmen von eigenständigen Recherchen landeskundliche Informationen googeln, zeigt anekdotisch das kleine Experiment von Koreik, der im Suchfenster der Google-Bildersuche „deutsche Jugend“ eingibt:11

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