Christine Becker

Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation


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ein Plattencover der FDJ […], in einem Fall wurde eine Karikatur gezeigt, auf der als Ausländer skizzierte Jugendliche vor der Schule offensichtlich einen deutschen Schüler verprügeln […]. (Koreik 2011, 597)

      Eine weitere Hauptfunktion digitaler Medien ist die Repräsentation, d.h. die Möglichkeit, „Informationen in verschiedenen Symbolsystemen darzustellen, Text, Bild und Animation zu kombinieren“ (Reinmann 2005, 76); jedes Symbolsystem schult dabei die entsprechende rezeptive Fähigkeit. Durch die multimediale Präsentation von Lerngegenständen können verschiedene Lernertypen angesprochen werden und durch die Kombination Synergieeffekte erzielt werden. Die mehrkanälige Repräsentation ist zudem heutzutage die authentische Form der Informationsvermittlung, so dass ein handlungsorientierter Sprachunterricht als sinnvoll betrachtet werden kann, wenn er „Sprache und Kultur in der Vielfalt ihrer natürlichen vorkommenden Medien“ (Roche 2010, 1244) vermittelt. Zugleich können Lernende durch digitale Medien die Produkte ihrer Arbeit in verschiedenen Symbolsystemen präsentieren, z.B. als Podcasts, Filme oder Blogs, wie im landeskundlichen Blog der Göteborger Deutsch-Studenten (vgl. Havermeier/Junker 2013).

      Die Funktion der Exploration benennt die Möglichkeit der Interaktion des Lerners mit dem Material, z.B. im Rahmen von interaktiven Selbstlernmaterialien, Planspielen oder Simulationen, was schon darauf hinweist, dass dem Faktor der Interaktivität eine wichtige Rolle beim Lernen mit digitalen Medien zukommt (vgl. Zeyer/Stuhlmann/Jones 2016) und zu den anderen beiden Hauptfunktionen Kommunikation und Kollaboration überleitet, die in dieser Arbeit im Zentrum stehen:

      Digitale Medien ermöglichen die (computervermittelte) Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden oder Lernenden untereinander, wobei diese asynchron, d.h. zeitversetzt, oder synchron, d.h. (nahezu) zeitgleich, stattfinden kann, sowie mündlich oder schriftlich. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, E-Mail-Klassenpartnerschaften zu pflegen und so das interkulturelle Lernen12 zu fördern (vgl. besonders O’Dowd 2007) oder mit L1-Sprechern in Kontakt zu treten und die Fremdsprache in authentischen Situationen zu verwenden. Nach Rösler (2010a, 50f) liegt das Hauptpotenzial des asynchronen Modus somit darin, dass – rein praktisch – bei raumüberschreitenden Projekten verschiedene Zeitzonen keine Rolle mehr spielen und dass die Lernenden mehr Zeit zur Reflexion haben. Synchrones Arbeiten hingegen erlaubt es, dass man z.B. in einer Videokonferenz direkt miteinander redet. Funktionierende Kommunikation ist zudem die Voraussetzung für Kollaboration, das gemeinsame Arbeiten mehrerer Lernender, indem sie beispielweise in virtuellen Welten kollaborativ landeskundliche Aufgaben bearbeiten (vgl. Biebighäuser 2014).

      Die fünf Hauptfunktionen digitaler Medien sind jedoch nur aus analytischen Gründen voneinander getrennt; werden digitale Medien in den Fremdsprachenunterricht integriert, sind je nach Unterrichtsphase oder Aufgabensequenz alle oder mehrere Funktionen unterschiedlich gewichtet. In dem im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Unterricht beispielsweise steht die Kommunikation zwischen Studierenden im Mittelpunkt, wobei dadurch, dass die Diskussion auf der Lernplattform gespeichert wird, die Funktion der zeit- und ortsunabhängigen Distribution eine wesentliche Rolle für das Lernpotenzial spielt, ebenso wie die Studierenden oftmals vor dem Verfassen ihrer Beiträge selbständig Recherchen anstellen. Ausgangspunkt der Diskussionen sind darüber hinaus in verschiedenen Symbolsystemen repräsentierte Informationen, vor allem Texte, Videos und Fotografien.

      Diese knappe Darstellung der verschiedenen Hauptfunktionen digitaler Medien zeigt, dass es eine große Bandbreite an verschiedenen Einsatzmöglichkeiten für das Fremdsprachenlernen gibt. Im Folgenden steht das gesteuerte Fremdsprachenlernen im Fokus. Digitale Medien können in diesem Zusammenhang nicht nur in Selbstlern- oder Kooperationsphasen des Unterrichts integriert werden, sondern gesamte Lehrveranstaltungen modifizieren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn alle zwei Wochen stattfindender Präsenzunterricht mit dazwischenliegenden Online-Phasen kombiniert wird, in denen die Lernenden allein oder in Kooperation Aufgaben bearbeiten. Dabei sind Integration und Modifikation als Enden eines Kontinuums zu verstehen, wobei vollvirtuelle Online-Kurse, die ohne physischen Kontakt aller Beteiligten ablaufen, am einen Ende des Kontinuums zu verorten sind.

      Während solche Distanzlernangebote (vgl. Platten 2010, 1192f) für gewisse Kontexte durchaus sinnvoll sind, zeigt sich jedoch nach einer anfänglichen Begeisterung um vollvirtuelle Lernangebote, dass das Konzept des Blended Learning als relevanter angesehen wird: Blended Learning „ist aus der Einsicht erwachsen, dass die traditionellen Lehr-/Lernformen mit ihren bekannten Schwächen und Engpässen sich eben doch nicht so ohne Weiteres durch eLearning-Maßnahmen ersetzen lassen“ (Kohn 2006, 286).

      Da das im Rahmen dieses Forschungsprojekts untersuchte Seminar im Blended-Learning-Modus stattfand und das Lernpotenzial von asynchronen Online-Diskussionen nur in diesem Kontext herauszuarbeiten ist, soll diese Lernform im nächsten Unterkapitel genauer diskutiert werden.

      2.1.1 Blended Learning

      Blended Learning (auch: hybrides oder kombiniertes Lernen)1 wird überwiegend definiert als

      ein abnehmerorientierter Mix von verschiedenen didaktischen Methoden und Lernformen […]. Durch eine möglichst optimale Kombination und ein ausgewogenes Verhältnis von Präsenzunterricht, Selbststudium und Lern- und Arbeitsphasen in virtuellen Arbeitsräumen soll ein erhöhter und nachhaltiger Lerneffekt erzielt werden. (Kranz/Lüking 2005, 1)

      Sowohl die Kombination aus Präsenzunterricht und Online-Komponente als auch die Gestaltung der jeweiligen Komponente kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen: Präsenzveranstaltungen können durch Online-Komponenten unterstützt werden und umgekehrt, je nachdem, wie didaktische Überlegungen sowie der institutionelle Rahmen das Design der Lehrveranstaltung beeinflussen. Gleiches gilt für die konkrete Ausgestaltung der beiden Komponenten: Ob die Online-Komponente hauptsächlich eine Selbstlernphase im digitalen Raum ist oder durch Phasen der synchronen bzw. asynchronen Kommunikation geprägt ist, hängt vom Kontext ab. Ebenso ist die technische Ausgestaltung der Online-Komponenten nicht festgelegt: Zum Einsatz können E-Mail-Programme, Skype, Lernplattformen, Web-2.0-Anwendungen oder virtuelle Welten u.a. kommen. Die konkrete Ausformung ist auch hier stets abhängig vom Kontext des jeweiligen Szenarios und es gilt: Wie auch immer es gestaltet wird, es sollte Mittel zum Zweck sein, nicht Selbstzweck.

      Es ist also eine Vielzahl an Blended-Learning-Szenarien möglich; um diese beschreiben zu können, ist es erforderlich, diese zu kategorisieren, wobei es einen Unterschied macht, ob die Kategorisierung einen Orientierungsrahmen geben soll oder eher im Sinne einer Modellbildung für die Erforschung von Blended-Learning-Szenarien herangezogen wird.

      Eine besonders für die Unterrichtspraxis brauchbare Unterscheidung liefern Rösler und Würffel (2010a), die Schulmeisters allgemein gehaltene Szenarien für die Hochschullehre (vgl. Schulmeister 2005, 175–187) auf den Fremdsprachenunterricht applizieren und konkretisieren: Szenario 1 bezeichnet die Ergänzung des Präsenzunterrichts durch Interneteinsatz, durch z.B. das Bearbeiten von offenen oder geschlossenen Übungen im Internet (vgl. Rösler/Würffel 2010a, 7, Stracke 2007). Dabei ist es denkbar, dass der Interneteinsatz innerhalb oder außerhalb des Präsenzunterrichts stattfindet. In Szenario 2 wird der Präsenzunterricht durch eine Online-Komponente unterstützt, die z.B. mit Hilfe einer Lernplattform oder einer Web-2.0-Umgebung organisiert wird. Lernende senden beispielsweise eine Hausaufgabe über eine Lernplattform ein (vgl. Rösler/Würffel 2010a, 7) oder laden sich das Lernmaterial von der Lernplattform herunter. Es findet jedoch keine direkte Integration des in der Online-Komponente Erarbeiteten in den Präsenzunterricht statt.

      Das in dieser Arbeit untersuchte Setting entspricht Szenario 3: Es bezeichnet die inhaltliche Verzahnung von Präsenzunterricht und Online-Phasen, wobei die beiden Komponenten gleichwertig sind. Beispielsweise können diese Phasen alternieren oder es können, wie im vorliegenden Fall, Präsenzseminare durch Online-Phasen vorbereitet werden. Teile des Präsenzunterrichts finden also „nicht mehr als solche statt“ (ebd.), sondern sind in die Online-Phase verschoben.2

      Diese Szenarien sind insofern sehr weit formuliert, als man sich die Frage stellen kann, bei welchem Fremdsprachenunterricht – zumindest in Deutschland und Schweden – es sich nicht um Blended Learning handelt. Hinsichtlich dessen ist im Übrigen davon auszugehen, dass die Digitalisierung des Alltags