Michaela Sambanis

Didaktik und Neurowissenschaften


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      Petra Arndt / Michaela Sambanis

      Didaktik und Neurowissenschaften

      Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis

      A. Francke Verlag Tübingen

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      © 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      www.francke.de[email protected]

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

      ePub-ISBN 978-3-8233-0066-3

      0. Prolog

      Über das Gehirn gibt es zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen, außerdem auch weniger um Wissenschaftlichkeit bemühte Publikationen, die aber zumindest in der Öffentlichkeit oftmals größere Beachtung finden als die eigentliche „wissenschaftliche Kost“. Das ist einerseits irgendwie verständlich, andererseits kann es mitunter auf Irrwege führen. Nicht alles, was sich leicht lesen lässt und interessant daherkommt, was vom Gehirn, unserer Steuer- und Lernzentrale, berichtet, die all das repräsentiert, was wir tun, denken und erleben, trifft auch zu. Umgekehrt muss allerdings auch eingeräumt werden, dass vieles von dem, was die Forschung an Wissen hervorbringt, gar nicht nach außen kommt und somit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Disziplinen sowie Praktikerinnen und Praktikern nicht bzw. nicht immer auf geeignete Weise zugänglich gemacht wird.

      Mit Didaktik und Neurowissenschaften möchten wir Ihnen von Befunden berichten, die im Kontext des Themas Lernen (einschließlich der Gestaltung von Lehr- und LernprozessenLernprozesse) bedeutsam erscheinen. Außerdem möchten wir zum Dialog, insbesondere zwischen Wissenschaft und Praxis, aber auch zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, anregen und einen Beitrag dazu leisten. Bei einigen Leserinnen und Lesern rufen diese Anmerkungen zur Zielsetzung des Buchs wahrscheinlich die Assoziation „NeurodidaktikNeurodidaktik“ hervor, was nicht falsch ist und doch auch nicht ganz zutreffend. Inwiefern der vorliegende Band sich von bisherigen Transferversuchen unterscheidet, welchen Weg er wählt und aus welchen Gründen, das wird in Kapitel 1, der Einleitung, dargelegt.

      An die methodischen Überlegungen und eine Orientierung der Leserinnen und Leser schließen sich ab Kapitel 2 inhaltliche Darstellungen an: Hier erschien es folgerichtig, bei dem anzusetzen, mit dem alles beginnt, nämlich bei StammzellenStammzellen und NeuroblastenNeuroblasten, kurzum bei der Hirnentwicklung. Kapitel 3 befasst sich mit AufmerksamkeitAufmerksamkeit und LangeweileLangeweile. Kapitel 4 geht dann nicht kognitiven Aspekten von Lernen, nämlich EmotionenEmotion und MotivationMotivation, nach, während Kapitel 5 Befunde verschiedener Disziplinen zu Bewegung beim Lernen selbst sowie zwischen einzelnen Lernphasen darstellt. Kapitel 6 schließlich ergänzt Kapitel 4 und knüpft zugleich an Kapitel 5 an, indem es sich mit dem Gedächtnis befasst. Die genannten Themen werden nicht nur aus Sicht der Hirnforschung, sondern ebenso mit dem Blick aus der Didaktik und in die Didaktik bearbeitet.

      „Benutzen Sie Ihr Gehirn nicht nur, verstehen Sie es auch!“, lautet eine Empfehlung Manfred Spitzers (2013).1 Auch wir möchten zum Benutzen des Gehirns einladen, denn es wird durch Gebrauch immer leistungsfähiger, aber dazu später mehr. Darüber hinaus möchten wir mit dem vorliegenden Band etwas zur Verfügung stellen, das das Verstehen des Gehirns unterstützen soll und zwar nicht nur um des Verstehens willen, sondern um im Dialog Anwendungsmöglichkeiten und Möglichkeiten der gegenseitigen Bereicherung zu entdecken und auszuloten. Didaktik und Neurowissenschaften richtet sich an Studierende – an Lehramtsstudierende verschiedener Fächer für alle Schularten, an Studierende der Erziehungswissenschaft, der Frühen Kindheit, Frühpädagogik, Sozialen Arbeit, der pädagogischen und biologischen Psychologie –, an Referendare, Lehrkräfte, Bildungsverantwortliche, Lehrwerkskonzipierende sowie Aus- und Fortbildende.

      Als Autorinnen blicken wir auf die spannende, erhellende und arbeitsreiche Phase der Recherche, des Austauschs und des Schreibens am Manuskript zu diesem Buch zurück und wir hoffen, dass dessen Publikation Anstöße geben kann. Wir möchten es an dieser Stelle auf keinen Fall versäumen, uns bei jenen zu bedanken, die uns unterstützt haben: Ein herzliches Dankeschön an Laura Wendland für die kritische Lektüre des Manuskripts und die Unterstützung bei der Formatierung, an Annika Jäkel für die Erstellung von Graphiken zur Neurobiologie und an Anastasia Sambanis für die Übersetzung unserer teilweise kryptischen Bildbeschreibungen in stimmige Zeichnungen. Bedanken möchten wir uns außerdem bei unseren Kolleginnen und Kollegen in der Didaktik des Englischen an der FU Berlin und am ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen Ulm sowie bei den vielen Studierenden, Lehrkräften, Erzieherinnen etc., die uns mit ihren Fragen und ihren Berichten aus der Praxis bestätigen, dass es ein lohnendes und wichtiges Unterfangen ist, Didaktik und Neurowissenschaften zusammen in den Blick zu nehmen.

      Ulm/Berlin, im Sommer 2017

      Petra Arndt

      Michaela Sambanis

      1. Verortung und Zielsetzung

      Der vorliegende Band ist das Ergebnis intensiver Recherche und Auseinandersetzung mit Forschungsbeständen verschiedener Disziplinen, darunter im Besonderen die Neurowissenschaften sowie die Didaktik, die Psychologie und die Erziehungswissenschaft. Durch das Zusammenführen von Wissensbeständen soll, Schlaglichter setzend auf Fragen, die für die Gestaltung von Lehr- und LernprozessenLernprozesse relevant erscheinen, der Versuch unternommen werden, Erkenntnisse zugänglich zu machen und zusammen zu bringen. Das Referieren in verständlicher Sprache, jedoch ohne unzulässige Vereinfachungen, bildet eine der Zielsetzungen des vorliegenden Bandes.1

      Verschiedene Aspekte dessen, was unter Lernen subsumiert wird, sind in den zurückliegenden Jahren erforscht worden, und unterschiedliche Disziplinen, darunter die Neurowissenschaften, haben mit ihren jeweiligen Herangehensweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung dazu beigetragen, dass das Verständnis wachsen kann. Aber es ist nicht immer der Versuch unternommen worden, relevante Wissensbestände auch aufzuschlüsseln, sodass z.B. Studierende, Lehrkräfte etc. in geeigneter Form davon erfahren konnten. Ebenso ist es nicht immer gelungen, Knotenpunkte herzustellen, bei denen Evidenzen2 unterschiedlicher Disziplinen zusammengeführt wurden. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Komplexität des Unterfangens. Bereits angesichts der Fülle an neurowissenschaftlichen Publikationen jährlich – die Zahlen variieren zwischen 40.000 und etwa dem Doppeltem (vgl. Sambanis 2015: 155) – wird erkennbar, dass eine Orientierung in diesem Feld und die Kenntnisnahme von Evidenzen und Gegenevidenzen eine immense Herausforderung darstellt. Hinzu kommt die Frage, wie Befunde angemessen aufgeschlüsselt werden können, damit sie auch für die Praxis des Lehrens und Lernens nutzbar werden, ohne unzulässige Verzerrungen oder Verkürzungen zu erfahren.

      Die Neurowissenschaften zeichnen sich als eine forschungsaktive Disziplin mit mehreren Teildisziplinen und Ebenen dadurch aus, dass sie, einfach formuliert, zumeist anders forschen als […] [z.B.] die Fremdsprachendidaktik, in einer anderen Forschungstradition stehen und eine beachtliche Menge an Publikationen und spezifischen Erkenntnissen hervorbringen, die oftmals nur nachvollziehbar sind, wenn der Rezipient zumindest mit üblichen Vorgehensweisen, Arten der Datengenerierung und typischen Studiendesigns in dieser Disziplin vertraut ist. (ebd.)

      „The time for evidence-based education has arrived“, konstatieren Sigman et al. (2014: 497), denn nach wie vor stellt Schule „the largest learning experiment ever attempted“ (ebd.) dar, d.h. es wird vieles gemacht, wie es schon immer gemacht wurde oder Neues beherzt implementiert. Vor Innovationsentscheidungen liegt es eigentlich nahe und erscheint vernünftig, die Frage nach verfügbarem Wissen zu stellen, allerdings wird dieser Schritt mitunter übergangen oder bestenfalls hastig genommen. Der vorliegende Band möchte dazu anregen, rechtzeitig und konsequent die Frage zu stellen: Was wissen wir eigentlich schon?

      Die Neurowissenschaften können