Michael Schart

Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität


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die den Inhalten bei der Entwicklung fremdsprachlicher Diskursfähigkeit zukommt in den Fokus gerückt, ohne zugleich ein bestimmtes methodisches Vorgehen nahezulegen (Brinton/Snow 2017:15). Fach- und sprachintegriertes Unterrichten gründet auf der Annahme, dass Fremdsprachen in einem institutionellen Kontext gerade dann effektiv gelernt werden können, wenn sie als Werkzeug dienen, um an der Bewältigung inhaltlicher Fragestellungen zu arbeiten. Die Energiequelle des Unterrichts wird also im kognitiven Engagement der Lernenden mit den Inhalten gesehen. Es geht um die Verknüpfung von anspruchsvollen Denkprozessen mit einer auf akademisches Niveau abzielenden sprachlichen Entwicklung (Llinares/Morton 2010; Llinares et al. 2012:47). Formale Syllabi oder die isolierte Förderung einzelner fremdsprachlicher Fertigkeiten haben daher in diesem Ansatz nur am Rande Platz.

      Der große Vorteil des fach- und sprachintegrierten Unterrichts wird darin gesehen, dass die Lernenden der fremden Sprache, ihren Formen und Funktionen, in vielfältigen Verwendungssituationen und Textsorten begegnen, immer eingebunden in einen thematischen Zusammenhang. Das, so die Hoffnung, führe zu nachhaltigeren Sprachlernprozessen und einem authentischeren Sprachgebrauch. Nicht zuletzt setzt man auf die motivierenden Effekte, die von einer Beschäftigung mit als relevant und herausfordernd empfundenen Inhalten ausgehen (Brinton/Snow 2017:4).

      2.4.3 Empirische Erkenntnisse

      Empirische Forschungen kamen in den zurückliegenden Jahren tatsächlich immer wieder zu dem Ergebnis, dass Lernende in fach- und sprachintegrierten Settings größere fremdsprachliche Lernfortschritte erreichen als Lernende in eher konventionellen kommunikativen Unterrichtsdesigns. Diese Tendenz zeigt sich etwa bei den rezeptiven Fertigkeiten und der lexikalischen Kompetenz. Auch die Diskurskompetenz entwickelt sich besser, was sich unter anderem an der Flüssigkeit und Komplexität der Äußerungen ablesen lässt, an den strategischen Fähigkeiten der Lernenden, aber auch an ihrer Selbstsicherheit beim Gebrauch der Fremdsprache (Dalton-Puffer 2011; Lasagabaster 2010; Lyster 2007:6f).

      Sehr deutlich treten diese Effekte beispielsweise in der DESI-Studie zu Tage. „Die Ergebnisse der Untersuchungen zum bilingualen Sachfachunterricht Englisch in DESI belegen erstmalig in einer großen Stichprobe, dass das Konzept von bilingualem Sachfachunterricht die mit ihm verbundenen Hoffnungen umfassend erfüllt.“, wie Nold (2008:457) die Erkenntnisse zusammenfasst. Die betreffenden Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse waren hinsichtlich des sprachlichen Niveaus in Englisch ihren Altersgenossen um mindestens ein Schuljahr voraus.

      Eine Garantie für das Gelingen inhaltsbasierter Unterrichtskonzepte geht mit solchen Ergebnissen natürlich nicht einher, denn sie sind immer an die besonderen lokalen Kontexte gebunden. So kann sich etwa der bilinguale Sachfachunterricht in der Sekundarstufe auch auf die Kompetenzen stützen, die zeitgleich im regulären Fremdsprachenunterricht gefördert werden bzw. sich dort zuvor herausgebildet haben. Und die positiven Resultate in Vergleichsstudien sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass sich vor allem die leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler von bilingualen Zweigen angezogen fühlen (Dalton-Puffer 2011:186). Auch die positiven Effekte auf die Motivation der Lernenden in fach- und sprachintegrierten Programmen, wie sie von Lyster (2017) beschrieben werden, ergeben sich nicht unmittelbar aus der Verbindung von Fach und Sprache, sondern erfordern weitere förderliche Bedingungen. So lässt sich aus der Studie von Merino/Lasagabaster (2018) lernen, wie die motivierende Wirkung von Programmen mit ihrer Intensität zusammenhängen kann.

      Zum Gesamtbild gehören somit auch die Erkenntnisse, die auf die Schwachstellen fach- und sprachintegrierter Unterrichtskonzepte hinweisen und die unter bestimmten Bedingungen ausschlaggebend für deren Erfolg – oder eben auch Misserfolg sein können. Auf einen dieser problematischen Punkte verweist die Frage, wie es Lernenden gelingt, sich eine fremde Sprache anzueignen, ohne deren Systematik zu reflektieren.

      Zunächst ging man bei diesem Ansatz im Sinne der Input-Hypothese (Krashen 1981) tatsächlich davon aus, dass sich die positiven Effekte auf die fremdsprachlichen Kompetenzen gleichsam en passant einstellen würden. Empirische Befunde legen jedoch eine differenziertere Sicht auf die Rolle formaler Aspekte des Spracherwerbs nahe oder wie Lightbown (2014:129) es formuliert: „Lan­guage aquisition does not take care of itself.“ Als konkrete Beispiele wird dabei gerne auf Immersionsprogramme verwiesen, bei denen sich immer wieder herausstellte, dass für die Lernenden höhere Niveaustufen grammatischer Kompetenz kaum zu erreichen sind (vgl. Ellis/Shintani 2014:16).

      Um die Lernenden auch bei der Entwicklung der formalen Korrektheit ihres Sprachgebrauchs zu unterstützen, so der momentane Forschungsstand, sollten inhaltsbasierte Unterrichtsdesigns Phasen vorsehen, in denen über sprachliche Formen und Funktionen gezielt nachgedacht wird. Und diese sind vor allem dann notwendig, wenn die Lernenden – im Unterschied zum bilingualen Sachfachunterricht an deutschen Schulen – keine begleitenden Fremdsprachenkurse besuchen. Lyster (2007/2017) plädiert daher für einen counterbalanced approach, ein Modell fach- und sprachintegrierten Unterrichts, der ausreichend Raum lässt für formale und funktionale Sprachbetrachtung. Auch wenn der Schwerpunkt auf den inhaltlichen Lernprozessen liegt, wird der Unterricht so gestaltet, dass die Aufmerksamkeit der Lernenden immer wieder darauf gelenkt wird, welche Rolle sprachlichen Strukturen bei der Realisierung von Handlungsabsichten und bei der Bedeutungskonstitution zukommt.

      2.4.4 Gestaltungsprinzipien

      Dieses Prinzip der Ausgewogenheit von Inhalt und Form wird auch in dem Kursangebot verfolgt, mit dem sich die vorliegende Studie befasst. Wie ich in Kap. 2.3 bereits schilderte, ist der Grundstufenunterricht Bestandteil eines umfassenderen Programms, in dem die Studierenden über vier Studienjahre hinweg fach- und sprachintegriert lernen können. Mit den voranschreitenden fremdsprachlichen Kompetenzen der Teilnehmenden verändert sich auf den verschiedenen Niveaustufen des Programms auch das Verhältnis zwischen Fachinhalten und Fremdsprache. Auf dem oben beschrieben Kontinuum wandert es gleichsam von einem eher fremdsprachlich orientierten Konzept zu einem fachbasierten. Oder um es mit den Begriffen von Dalton-Puffer (2017:154) zu beschreiben: von einer softeren Variante fach- und sprachintegrierten Unterrichts zu einer härteren.

      Obwohl der Einsatz von Materialien, die sich an den Studienfächern Politik und Jura orientieren, im Laufe der letzten Jahre zu einem immer früheren Zeitpunkt erfolgte, ist der Unterricht gerade in den ersten Lernmonaten noch relativ stark von fremdsprachendidaktischen Überlegungen geprägt. Die Studierenden werden also nicht bereits in den ersten Wochen mit komplexen politischen oder juristischen Fragestellungen konfrontiert. Der Schwerpunkt liegt zunächst darauf, sich mit einer neuen Sprache und zugleich mit einer neuen Art des Fremdsprachenlernens vertraut zu machen (siehe dazu auch Kap. 2.7 und 2.8). Gleichwohl ist der Unterricht aber von Beginn an thematisch ausgerichtet und orientiert sich an den curricularen Prinzipien des Programms. Es geht also von der ersten Unterrichtsstunde an darum, neben den fremdsprachlichen Kompetenzen auch jene Kompetenzen zu fördern, die einer Hochschulbildung angemessenen sind (siehe Kap. 2.3).

      Es wäre an dieser Stelle zu raumgreifend, das Konzept des gesamten Programms oder auch nur des ersten Studienjahres detailliert auszuführen. In weiteren Publikationen sind dazu umfassende Beschreibungen zu finden (Schart 2008, 2010; Schart et al. 2010; siehe auch die Projekt-Homepage). Um den Ansatz nachvollziehbar zu machen, möchte ich jedoch zumindest in groben Zügen darlegen, wie der von Lyster (2007) geforderte counterbalanced approach in unserem Fall umgesetzt wird.

      Da der Unterricht auf eine Steuerung durch einen formalen oder funktionalen Syllabus verzichtet und auch das isolierte Üben einzelner sprachlicher Phänomene ausspart, stellt sich als erstes die Frage, wie die Aufmerksamkeit der Studierenden auf die sprachlichen Aspekte gerichtet wird.

      Sprachlicher Fokus

      Die von uns praktizierten Vorgehensweisen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Da sind zum einen die ungeplanten Prozeduren, die sich spontan aus der Beschäftigung mit den Inhalten ergeben. Sie werden in der Analyse der unterrichtlichen Interaktion in Kap. 4 ausführlicher betrachtet. Zum anderen setzen wir eine Reihe von Techniken geplant ein, um Sprachlernprozesse zu unterstützten. Das zeigt sich zunächst an der Textauswahl und -gestaltung.

      Die Mehrzahl der Texte wird so bearbeitet,