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Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte


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Ansatz mit phonologischen und morphosyntaktischen Kriterien, welche aus zahlreichen anderen Studien vor allem in der deutschen Modalpartikelforschung exzerpiert wurden. Dies sind die folgenden Kriterien:

       MP besitzen homophone Lexeme mit lexikalischer Semantik (Abraham 2011:129).

       MP haben metakommunikative, illokutionäre Kraft = Sprechaktmodifizierung; Skopus über gesamten Satz (cf. Coniglio 2011:138; Waltereit 2006:1; Wegener 1998:43).

       MP sind fakultativ, meist unbetont und nicht flektierbar (cf. Waltereit 2006:1).

       MP haben gegenüber ihrem Quelllexem an syntaktischer Mobilität verloren (= stärkere Grammatikalisierung); Dt.: im Satzmittelfeld (cf. Abraham 1988:457).

       MP sind im Wesentlichen ein root-Phänomen (cf. Thurmair 1989:44–45).

       MP können nicht alleine auftreten, nicht alleine als Antwort auf eine Frage fungieren und sind nicht erfragbar (cf. Waltereit 2006:1).

       MP sind miteinander kombinierbar, unterliegen hierbei jedoch Restriktionen. Sie sind nicht koordinierbar (cf. Waltereit 2006:1).

       MP sind nicht modifizier- oder erweiterbar (cf. Waltereit 2006:1).

       MP sind nicht negierbar (cf. Waltereit 2006:1).

       MP haben keinen Konstituentenstatus und sind nicht satzwertig (cf. Schoonjans 2013:135).

       MP sind syntaktisch und prosodisch (und deshalb auch grafisch) in den Satz integriert (cf. Schoonjans 2013:135).

      Eine derartige kontrastive Herangehensweise bezüglich der definitorischen Kriterien von Modalpartikeln bietet sich angesichts der offenen Frage nach deren Existenz in den romanischen Sprachen an. Von Übersetzungsvergleichen wurde in der vorliegenden Studie, ebenso wie in Vorgängerarbeiten (cf. Meisnitzer/Gerards 2016 und Gerards/Meisnitzer 2017), abgesehen. Wir sind der Überzeugung, dass Übersetzungen sowohl zu einer forcierten Verwendung von Lexemen zwecks (vermeintlich) detailgetreuer inhaltlicher Wiedergabe als auch zur Auslassung potenziell verfügbarer Modalpartikeln führen können. Mit anderen Worten: Übersetzungsvergleiche können sowohl zu einer fälschlichen Konstatierung der Nichtexistenz von Modalpartikeln als auch zu einer irrigen Klassifizierung von Lexemen als Modalpartikeln führen. Übersetzungen alleine geben zudem per se keinerlei Auskunft über die Idiomatizität der verwendeten sprachlichen Mittel.

      Unter Berücksichtigung des genannten Kriterienkatalogs plädiert Meisnitzer (2012:345–347) dafür, die französischen Lexeme bien, quand même und donc als Modalpartikeln zu klassifizieren. Aus sprachhistorischer Sicht stellt sich nun allerdings die Frage, wie es zur Genese dieser Modalpartikeln kam. Sprachkontakt als flächendeckender Erklärungsansatz scheidet angesichts der punktuellen Existenz von Modalpartikeln in nahezu allen romanischen Sprachen, die zudem auf verschiedenste Quelllexeme zurückgehen, aus. Dies invalidiert nicht die Annahme, dass Sprachkontakt den Wandel einzelner Lexeme beziehungsweise spezifische Modalpartikel-Verwendungsweisen begünstigt haben kann, wie im Fall von ya und pues im Spanischen im Kontakt mit dem Baskischen (cf. Meisnitzer/Gerards 2016:140, 144).

      Eine Schwierigkeit bei der Erforschung der Diachronie von Modalpartikeln stellt die Tatsache dar, dass diese charakteristisch für nähesprachliche Kontexte sind und selbige in diachronen Korpora unterrepräsentiert sind. Zudem verfügen wir erst in neuerer Zeit über die Möglichkeit der Speicherung von und somit des Zugriffs auf gesprochene Sprache, die prozentual gesehen häufiger nähesprachlich konzipiert ist als schriftliche Textproduktionen.

      Bei der Grammatikalisierung von Modalpartikeln handelt es sich um Sprachwandelphänomene der neueren französischen Sprachgeschichte. Erste mögliche Belege finden sich im 19. Jahrhundert und erst im 20. Jahrhundert sind in den Korpora Okkurrenzen auffindbar, die gemäß der phonologischen, morphosyntaktischen, semantischen und pragmatisch-funktionalen Kriterien eindeutig als Modalpartikeln einzuordnen sind. Zudem handelt es sich dabei um eine gewissermaßen „marginale“ (oder besser „marginalisierte“) Erscheinung, denn die französische Sprache verfügt nicht über ein eigenes Modalpartikelparadigma. Dies erklärt auch, weshalb die Kategorie in der präskriptiv-normativen Grammatikschreibung keine Erwähnung findet. Im Rahmen einer deskriptiven Grammatikforschung darf die Existenz von Modalpartikeln im Französischen jedoch keinesfalls a priori ausgeschlossen werden, da eine Kategorisierung als Adverb (bien, donc) oder Konjunktion (quand même) aus funktionaler Sicht falsch wäre.

      3 Herausbildung und diachrone Entwicklung der Modalpartikeln im Französischen

      In einer an Meisnitzer (2012) anschließenden empirischen Korpusstudie konnten Meisnitzer/Wocker (2017) zeigen, dass quand même, bien und donc die einzigen Lexeme sind, welche bereits die oben genannten definitorischen Kriterien von Modalpartikeln erfüllen. Weitere Lexeme befinden sich zum Teil in mitten des Grammatikalisierungsprozesses, können aber noch nicht als vollwertige Modalpartikeln bezeichnet werden. Wie bereits einleitend festgestellt, existiert bisher keine Forschung zur Herausbildung der Modalpartikeln im Französischen – ganz im Gegensatz zum Deutschen, wo diese bereits sehr gut erforscht wurden (cf. u.a. Wegener 1998; Autenrieth 2002). Wie bei der Ermittlung der Modalpartikeln in der Synchronie (cf. Meisnitzer/Wocker 2017) soll auch die vorliegende diachrone Untersuchung und Überprüfung der Modalpartikeln im Französischen kontrastiv zu den prototypischen Beispielen im Deutschen erfolgen. Um diesem Desiderat gerecht zu werden, wird in der vorliegenden Studie anhand des FRANTEXT-Korpus1 der Verschiebungsprozess vom Ursprungslexem hin zur Modalpartikel beschrieben. Die Wahl des Korpus musste dabei mit einem erheblichen Kompromiss einhergehen, da kein Korpus existiert, welches gesprochene Sprache in ausreichendem Maße wiedergibt und gleichzeitig eine diachrone Betrachtung bis zurück in das 18. Jahrhundert ermöglicht. Die Größe sowie die Binnendifferenzierung des FRANTEXT-Korpus in verschiedene Textgattung erlauben es jedoch, der gesprochenen Sprache in begrenztem Maße „auf die Spur zu kommen“. Bei der Auswertung wurde in diesem Sinne eine Beschränkung auf Texte des Genres théatre vorgenommen, da dieses einen überdurchschnittlich hohen Grad an fingierter Mündlichkeit (im Sinne von Goetsch 1985) aufweist: Theaterstücke bedienen sich häufig prototypisch nähesprachlicher Elemente, um ein hohes Maß an Authentizität zu erreichen. Dennoch bleibt das Dilemma bestehen, dass zur diachronen Analyse lediglich geschriebene Sprache zur Verfügung steht.

      Wegener (1998) fasst die Grammatikalisierung der deutschen Modalpartikeln in drei Hauptphasen zusammen:

       (1) Verlust an phonologischer Substanz,

       (2) Verlust an semantischer Substanz und

       (3) Verlust an syntaktischer Freiheit.

      Dieses Ergebnis spiegelt dabei sowohl typische Parameter von Grammatikalisierungsprozessen im Sinne von Lehmann (2002) als auch die definitorischen Kriterien der Modalpartikeln, die in diesem Aufsatz bereits aufgezeigt wurden, wider. Der Verlust der phonologischen Substanz führt dazu, dass das Lexem, welches als Quelllexem durchaus betont sein kann (cf. Adverbien), nach seinem Wandel zur Modalpartikel nicht mehr betonbar ist. Dies gilt sowohl für die Quelllexeme der Modalpartikeln im Deutschen als auch im Französischen. Im Französischen zeichnete sich – wohl auch durch die syntaktische Verschiebung ausgelöst – dieselbe Tendenz wie im Deutschen ab. Während „j’ai dormi quand même“ eindeutig ein Adverb beinhaltet, welches durch den französischen Phrasenakzent betont ist, zeichnet sich die Modalpartikel in „j’ai quand même dormi“ durch Unbetontheit aus. Ob eine Verringerung der Silbenzahl des Lexems wie im Deutschen konstatiert werden kann (cf. Wegener 1998:39), kann in unserer Studie für das Französische nicht überprüft werden, da in den herangezogenen Korpora nur die schriftsprachliche Notation erfasst wird und die Reduktion der phonologischen Substanz gegebenenfalls noch keine Auswirkungen auf graphematischer Ebene hatte (anders als beim italienischen pur und ben; cf. Meisnitzer 2012:348–349).

      Der Verlust an semantischer Substanz (cf. Wegener 1998:40), auch semantic bleaching genannt, ist hingegen auch nachträglich nachweisbar. Das Resultat dieses Verlustprozesses erlaubt die Weglassbarkeit der Modalpartikel