Lars Bülow

Linguistische Stil- und Textanalyse


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vielmehr als grundlegende Voraussetzung für jegliche Art von Kommunikation. Die Intention des Textproduzenten, ein bestimmtes kommunikatives Ziel zu erreichen, ist jedoch ein wichtiger Parameter für die Klassifikation und Beschreibung von Textsorten, weshalb der handlungsorientierte Charakter des Intentionalitätskriteriums in den Beschreibungsansatz von Textsorten einfließen wird (vgl. Kap. 4.3.2 textexterne Determinanten von Textsorten: Textfunktion). Um eine eher allgemeine Voraussetzung für erfolgreiches Kommunizieren handelt es sich auch beim Kriterium der Akzeptabilität, das erst dann annähernd objektiv und adäquat beschrieben werden kann, wenn es in Relation zu einer Textsorte gesetzt wird. Denn neben dem allgemeinen Weltwissen und der Fähigkeit, beim Verstehen eines Textes Sinn zu stiften, spielt das Textsortenwissen eine wichtige Rolle dafür, ob ein Rezipient einen bestimmten Text – ein Gedicht, einen Kinderreim, ein Vertragsformular oder einen Lebenslauf – akzeptabel findet oder nicht. Deshalb wird das Kriterium der Akzeptabilität hier ebenfalls als wichtiger Bestandteil der Textsortenbeschreibung und Klassifikation angesehen, und zwar im Sinne von stilistischer Angemessenheit der Textgestaltung sowie Aspekten von Normerwartung und Normverstoß in Abhängigkeit zur konkreten Kommunikationssituation (vgl. Kap. 4.3.1 und Kap. 4.3.5).

      Das Kriterium der Informativität ist im oben dargestellten Sinne insofern problematisch, als es einen Text, der nur Bekanntes enthält, als nicht informativ kennzeichnet. Demzufolge müsste ein Text, der nur Unerwartetes und Unbekanntes enthält, äußerst informativ sein. Informativität kann allerdings auch als Thematizität verstanden werden, d.h. als grundlegende Eigenschaft des Textes, ein Thema zu haben, denn athematische Texte existieren nicht. Während die thematische Zusammengehörigkeit eine wichtige Bedingung für die Texterstellung darstellt, die sich im Textualitätsmerkmal der Kohärenz und den damit verbundenen sprachwissenschaftlichen Konzepten widerspiegelt (Formen der Wiederaufnahme, Frames, Scripts s.u.), kann das Thema eines Textes wiederum ein bedeutsames Kriterium für eine Textsortensystematik sein (z.B. Wetterbericht, Traueranzeige; vgl. Kap. 4.3.3).

      Ebenfalls ein entscheidendes Kriterium für die Klassifikation von Textsorten ist die Situationalität (vgl. Kap. 4.3.1). Sie stellt ein allgemeines textexternes Merkmal von Kommunikation dar, weil jede Form von Kommunikation in einen bestimmten situativen Kontext eingebettet ist. Zu diesem situativen Kontext gehören zeitliche und räumliche Konstellationen ebenso wie die Charakterisierung der Interaktionsteilnehmer. Die situative Dimension der Text- bzw. Textsortenbeschreibung betrifft zudem die Unterscheidung von Kommunikationsbereichen (Kap. 4.2) und den medialen Aspekt. Der mediale Aspekt besteht zunächst in der traditionellen Gegenüberstellung zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation. Darüber hinaus betrifft er die Frage nach den Massenmedien und den anderen Formen der technisch vermittelten Kommunikation. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die mediale Verfasstheit eines Kommunikationsproduktes (z.B. Anteil an Text, Bildern oder graphischen Darstellungen, Eigenschaften der Trägermedien wie Papierqualität, Farben usw.).

      Der Begriff der Intertextualität stammt aus der Literaturwissenschaft, wo er einst im Sinne der ‚Auflösung/Entgrenzung‘ des Textbegriffs die Forschungsdiskussion nachhaltig beeinflusst hat, mittlerweile jedoch ausgefasert und zum Etikett für schwer zu überschauende Forschungsrichtungen geworden ist. Innerhalb der Sprachwissenschaft gehört zum Kriterium der Intertextualität vor allem der Aspekt, dass Texte einen direkten oder vermittelten Bezug zu vorgängigen und nachgängigen Texten haben können und dass Texte – selbst wenn sie auf keinen praktischen Effekt im engeren Sinne abzielen – das spätere kommunikative Verhalten beeinflussen. Das Ausmaß eines solchen Einflusses kann mehr oder weniger groß und mehr oder weniger sichtbar sein: z.B.

      Mondgedicht

      …, –

      fertig ist das Mondgedicht.

      (Robert Gernhardt2)

      Deutlich erkennbar ist der Einfluss, wenn der Textproduzent explizite Bezüge herstellt, d.h., wenn er den gelesenen Text oder Passagen daraus wiederholt, zusammenfasst, übersetzt, kommentiert, interpretiert oder bewertet. Dabei besteht aus sprachwissenschaftlicher Sicht ein wichtiger Punkt in der sprachlich fassbaren Markierung intertextueller Bezüge im Text, weil ihre unterschiedliche Ausprägung ein Kriterium für die Beschreibung von Texten/Textsorten sein kann. Derartige intertextuelle Bezüge sind textsortenspezifisch geprägt und lassen sich konkret an einzelnen Textsortenexemplaren nachweisen. Sie sind für einige Textsorten charakteristisch (z.B. Rezension). Andere Textsorten sind gerade nicht als kooperative Texte angelegt, sie streben zumindest primär keine Interaktion zwischen Text-Produzenten an (z.B. einseitige Kommunikationsformen in den Massenmedien). Kooperativ sind sie dennoch insoweit, als auf jeden Text und jede Textsorte in irgendeiner Form (Kritik, Zustimmung usw.) reagiert werden kann. In diesem Verständnis ist Intertextualität ein Kriterium, das eine große Bandbreite an Abstufungen enthält und daher als brauchbares Merkmal, das entweder erfüllt ist oder nicht, kaum anwendbar ist.

      Gegenüber dieser Form von Intertextualität, die die konkreten Beziehungen zwischen Einzeltexten betrifft und als sog. „spezielle“ oder auch „syntagmatische“ Intertextualität bezeichnet wird, kann die „allgemeine“ oder „paradigmatische“ (auch „texttypologische“) Intertextualität als ein generelles Textmerkmal aufgefasst werden. Es bezieht sich auf die grundsätzliche Textsortengeprägtheit aller Texte. Diese intertextuelle Prägung von Texten spiegelt sich in der mentalen Repräsentation von Textmustern und Textsorten, denn die Kommunikationsbeteiligten setzen bei der Textproduktion und Textrezeption ihre im Bewusstsein gespeicherte kommunikative Erfahrung und das entsprechende Wissen über andere Texte intuitiv oder bewusst ein. Intertextualität wird in diesem Sinne als integrale Komponente vorheriger Kommunikationserfahrung betrachtet, durch die sich gleiche oder ähnliche Texte in Bezug auf Invarianten und Varianten im Sprachbewusstsein miteinander verbinden, verallgemeinert werden und so Prototypen und Strukturmodelle herausbilden können. Das bedeutet, der Aspekt der allgemeinen Intertextualität bzw. der intertextuellen Prägung als generelles Merkmal von Texten fällt mit dem Textualitätsmerkmal der Musterhaftigkeit zusammen, wobei zur Vereinfachung der Terminologie im Umkreis der Intertextualitätsproblematik eine Beschränkung auf den Begriff ‚Musterhaftigkeit‘ vorgeschlagen wird.

      Demzufolge können vier Merkmale erfasst werden, die zusammen für die Bestimmung dessen ausreichen, was aus einem lesbaren Etwas einen Text macht. Textualität schließt also folgende Merkmale ein:

       Kohärenz

       Kohäsion

       Musterhaftigkeit

       Begrenztheit

      Aus dieser Menge der für einen Text konstitutiven Eigenschaften kann eine Definition von Text abgeleitet werden. Eine mögliche Definition von Text lautet deshalb folgendermaßen:

       Definition:

      Ein Text ist ein begrenztes sprachliches Gebilde, das einen thematischen Zusammenhang aufweist, in der Regel innertextuell verknüpft ist und/oder durch Musterhaftigkeit den Zusammenhalt seiner Elemente an der Textoberfläche signalisiert.

      Weiterführende Literatur:

      De Beaugrande, Robert Alain/Dressler, Wolfgang Ulrich: Einführung in die Textlinguistik. Niemeyer, Tübingen 1981.

      Fix, Ulla/Poethe, Hannelore/Yos, Gabriele: Textlinguistik und Stilistik für Einsteiger. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Peter Lang, Frankfurt am Main 2001.

      Krause, Wolf-Dieter (Hrsg.): Textsorten. Kommunikationslinguistische und konfrontative Aspekte. Peter Lang, Frankfurt am Main 2000.

      Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. Wilhelm Fink, München 1994.

      1.2 Textualitätshinweise

      Textualität kommt – wie oben näher ausgeführt wurde – dann zustande, wenn ein sprachliches Gebilde bestimmte Merkmale aufweist. Eine sprachliche Erscheinungsform als Text zu analysieren, bedeutet deshalb zunächst, Hinweise auf diese Textualitätsmerkmale zu rekonstruieren. Dazu