Es ist alles eitel
Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.
Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein,
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach, was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum’, die man nicht wieder find’t.
Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten!
(Andreas Gryphius, 16371)
Auch in anderen Kommunikationsbereichen können sich Musterhinweise aus der Art der Textanordnung ergeben. Innerhalb der Gebrauchstextsorten geschieht dies zum einen häufig bei Texten, die ebenfalls – wenn auch sekundär – der Unterhaltung dienen sollen und in denen durch betont auffällige bzw. abweichende Textgestaltung versucht wird, die Aufmerksamkeit des Lesers zu steuern (z.B. Werbeanzeigen). Musterhaftigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang zumeist Figuriertheit in der Form und/oder im sprachlichen Ausdruck, die oft mit dem Auftreten rhetorischer Figuren einhergeht (z.B. Alliteration: Bitte ein Bit!) und kaum von komplexen stilistischen Handlungsmustern abzugrenzen ist (Kap. 3.3). Ganz andere, jedoch sehr deutliche Hinweise auf Musterhaftigkeit der Textanordnung ergeben sich innerhalb der Gebrauchstextsorten außerdem aus Aufzählungen, die als alphabetische oder numerische Listen und Verzeichnisse textuelle Untereinheiten oder auch textuelle Ganzheiten (z.B. Telefonbuch) bilden können.
Die genannten Beispiele zeigen, dass Musterhinweise häufig auf Wiederholungen basieren. Dies kann – wie im Falle der Alliteration – die Wiederholung einzelner Buchstaben des Alphabets sein. Es kann ebenso die Wiederkehr von bestimmten Graphem- und Phonemkombinationen2 sein, die zu verschiedenen Reimvarianten (wie Endreim, Binnenreim, Anfangsreim usw.) führt. Auch aus der Wiederholung von Wörtern und syntaktischen Konstruktionen können textsortenspezifische Musterhinweise resultieren. Typische Beispiele dafür sind sogenannte ‚Schlüsselwörter‘ in Texten der Unternehmenskommunikation wie z.B. das Wort Freude in der Marketingkampagne des Unternehmens BMW oder die Wiederholung abschnittsförmiger Einheiten innerhalb von Liedtexten.
In der folgenden Übersicht wird die terminologische Differenzierung von Abgrenzungs- und Gliederungshinweisen nochmals zusammenfassend abgebildet (vgl. Abb. 3).
Abgrenzungs- und Gliederungshinweise im Überblick
Verknüpfungshinweise
Texte sind sinnvolle Verknüpfungen sprachlicher Zeichen in einer bestimmten Abfolge. Als charakteristisch für diese Abfolge gilt der Anschluss satzförmiger Einheiten aneinander und die damit einhergehende Bildung einer übersatzförmigen Einheit. Dies ist nicht zwingend erforderlich, denn ein Text kann auch aus Einheiten bestehen, die nicht als Sätze zu definieren sind. Besteht ein Text jedoch – zumindest partiell – aus Sätzen, so wird die Frage nach den Formen der Textverknüpfung relevant, im anderen Fall wird der Zusammenhalt des Textes stärker auf der Ebene der Textgliederung (vor allem durch Musterhaftes) angezeigt und ergibt sich dann wahrnehmungs- und wissensabhängig (vgl. Kap. 2.1.1).
Textverknüpfung wird durch grammatische und lexikalische Elemente an der lesbaren Textoberfläche bewirkt und beruht auf semantischen Beziehungen innerhalb eines Textes. Gerade hinsichtlich dieses semantischen Aspekts stimmt sie mit einem Kohäsionsbegriff überein wie er von Halliday/Hasan (1976) eingeführt wurde.1
The concept of cohesion is a semantic one; it refers to relations of meaning that exist within the text, and that define it as a text. (Halliday/Hasan 1976, S. 4)
Hinweise auf Textverknüpfung signalisieren einerseits bestimmte grammatische Elemente. Dazu gehören vor allem Pro-Formen, sog. Stellvertreterwörter, die zum inhaltlichen Zusammenhang eines Textes beitragen, indem sie auf andere Elemente des Textes verweisen. Hinsichtlich der Verweisrichtung kann zwischen ‚anaphorisch‘ und ‚kataphorisch‘ unterschieden werden. Dabei beziehen sich anaphorische Elemente auf einen vorangehenden Teil des Textes, kataphorische Elemente weisen auf Elemente eines Textes voraus. Pro-Formen referieren auf denselben außersprachlichen Gegenstand oder Sachverhalt wie ihr Bezugselement und verbinden damit einen Ausdruck mit anderen Sprachzeichen des textuellen Gewebes. Wegen ihrer zumindest vordergründigen semantischen Leere stellen sie zugleich Suchanweisungen im Text dar. Textverknüpfungshinweise gehen auch von grammatischen Elementen aus, die dem Rezipienten zu verstehen geben, wie bereits Gelesenes und noch zu Lesendes zueinander in Beziehung gesetzt werden sollen, indem sie die logische Beziehung zwischen Vorgänger- und Nachfolgertext durch Konnektoren spezifizieren. Die Verbindung von Sätzen zu einem Text wird zudem durch Interpunktion angezeigt, weshalb von den verschiedenen Interpunktionszeichen ebenfalls starke Verknüpfungshinweise ausgehen. Darüber hinaus beruht Textverknüpfung auch auf der beständigen Wiederholung bzw. dem kontinuierlichen Auftreten einzelner grammatischer Merkmale, vor allem der sogenannten Tempuskonstanz. Hinweise auf Textverknüpfung unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer Richtung, sondern auch ihrer Reichweite, der Größe der verknüpften Einheiten und der Spezifik der angezeigten Beziehung. Sie werden traditionell in ihrer grammatischen Relation zum Satz erfasst, obwohl sie ihre eigentliche Wirkung oft erst auf der Ebene des Textes entfalten. Die ausführliche Beschreibung der einzelnen grammatischen Verknüpfungszeichen erfolgt deshalb in Zusammenhang mit der obersten Ebene textlinguistischer Beschreibung und Analyse, der Textebene (vgl. Kap. 2.1.2 „Textkonstitution“).
Hinweise auf Textverknüpfung geben auch lexikalische Elemente, insbesondere Substantive, Verben und Adjektive als die wichtigsten Vertreter der offenen Wortklassen. Lexikalische Textverknüpfung kommt insbesondere durch Rekurrenz, d.h. die wörtliche Wiederholung von Lexemen, zustande. Zur Einheitlichkeit und inhaltlichen Kontinuität trägt auch partielle Rekurrenz als komplexere Form der lexikalischen Repetition sowie Substitution bei. Unter Substitution wird die Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen bei gleichbleibendem Bezug auf einen außersprachlichen Sachverhalt verstanden (sog. „Referenzidentität“; vgl. auch Kap. 3.2.3). Sie basiert auf systematischen Beziehungen im Lexikon, weshalb die Verwendung von Synonymen, Hypero- und Hyponymen, Antonymen u.v.m. ebenfalls einen Hinweis auf die Textverknüpfung darstellen kann.
Hinweise auf die thematische Zusammengehörigkeit
Jeder Text, der informativ und verständlich sein soll, hat ein Thema. Mitunter haben Texte auch mehrere Themen, die miteinander verflochten oder gegeneinander gestellt werden. Hinweise auf die thematische Zusammengehörigkeit umfassen deshalb Hinweise auf die thematische Struktur von Texten, die zur Einführung, Beibehaltung, Entwicklung, Beendigung und gegebenenfalls der Wiederaufnahme von Themen dienen (vgl. Hausendorf/Kesselheim 2008).
Hinweise auf die thematische Zusammengehörigkeit erlauben es, die thematischen Stränge eines Textes bzw. seine Informationsstruktur nachzuzeichnen. Sie fallen in vielen Fällen mit Verknüpfungshinweisen zusammen. So dienen Pronomina nicht nur der Textverknüpfung, sondern geben auch einen Hinweis auf die thematische Zusammengehörigkeit, indem sie die Beibehaltung einer bestimmten Thematik im Text anzeigen. Ebenso signalisiert die Substitution den gleichbleibenden Bezug und enthält darüber hinaus eine Variation mit