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ZNT - Zeitschrift für Neues Testament 24. Jahrgang, Heft 48 (2021)


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bei Markus, einem Jungen (9,14–29) und einem Mädchen (7,24–30). Beide analysieren die Texte aus der Perspektive der disabilitiy studies.6

      Das dritte und jüngste Buch (2019) zum LkEv hat Amy Lindeman Allen publiziert. Sie liest die Texte eingehend aus einer kindzentrierten und kindlichen Perspektive, auch mit einem hermeneutischen Interesse an den vielfältigen und aktiven Rollen von Kinder im Evangelium, etwa als Jünger Jesu und als Hörer und Täter von Gottes Wort.7 John T. Carroll gibt einen Überblick über das lukanische Material, und Nils Krückemeier und Bradly S. Billings konzentrieren sich auf die Passagen über den Jesusknaben im Tempel (2,41–52), mit besonderem Augenmerk auf den literarischen und soziohistorischen Kontext.8 Die Wahrnehmung von Kindern im synoptischen Spruchgut (Q) wurde außerdem in einer Reihe von Artikeln von A. James Murphy diskutiert.9

      Angesichts der fast unsichtbaren Stellung von Kindern im Johannesevangelium ist es nicht verwunderlich, dass hierüber nur wenig geschrieben wurde. Eine Ausnahme bilden die Aufsätze von Marianne Meye Thompson und Joachim Kügler, jedoch mit Blick auf den metaphorischen Rekurs auf „Kinder“ bei Johannes.10 Zur Apostelgeschichte liegen nur wenig Studien vor, obwohl Kinder dort einen sichtbareren Platz einnehmen als bei Johannes, freilich weniger als im LkEv. Joel B. Green gibt immerhin einen Überblick über die relevanten Passagen und erörtert die Relevanz des Materials für eine Theologie der Kindheit.11 Gelegentlich geht auch Diane G. Chen in ihrer Analyse von Gott als Vater in der Apostelgeschichte auf Kinder ein, sei es in einem realen oder metaphorischen Sinn.12

      7.3 Briefe und Offenbarung

      Die Paulusbriefe und die Briefe der paulinischen Tradition sind relativ ausführlich behandelt worden, vor allem aus theologischer und soziohistorischer Sicht. Von Beverly Roberts Gaventa und mir selbst gibt es kurze Übersichten und Diskussionen über die sieben unbestrittenen Paulusbriefe. Gaventas Beitrag befasst sich mit der modernen Relevanz, der meinige mit der rhetorischen Funktion.1 Beide untersuchen u. a. Paulus‘ Verwendung von einschlägigen Metaphern, ein Thema, das die Forschung auch sonst beschäftigt.

      Christine Gerber (2005) und Trevor J. Burke (2003) behandeln in monographischem Umfang Eltern-Kind-Metaphern, Gerber in eingehenden Analysen von Passagen aus verschiedenen Briefen, Burke speziell zu 1Thess.2 Ebenfalls monographisch befassen sich Gaventa (2007) und Jenifer Houston McNeel (2014) mit Mutter-Kind-Metaphern, erstere bei Paulus, letztere zu 1Thess.3 Alle diese Studien bedienen sich metapherntheoretischer und soziohistorischer Ansätze, wobei sie der rhetorischen und theologischen Funktion des Materials große Aufmerksamkeit widmen. Viele von ihnen konzentrieren sich auch auf den hierarchischen Charakter der Eltern-Kind-Beziehung. Im Vergleich zu den umfangreichen Forschungen zu paulinischen Familien- und Kindheitsmetaphern ist die Forschung zur Stellung der Kinder bei Paulus und in seinen Gemeinden eher dürftig. Der Mangel an solchen Studien ist wahrscheinlich der marginalen Rolle von Kindern in den Paulusbriefen geschuldet, mit 1Kor 7,14 als der einzigen ausdrücklichen Erwähnung ist, und dies auch nur am Rande; in einem Buchkapitel befasst sich Judith M. Gundry immerhin mit dieser Stelle.4

      Ganz anders als in den sieben authentischen Briefen werden Kinder in den deuteropaulinischen Briefen (Eph, Kol und 2Thess) und den Pastoralbriefen (1–2Tim und Titus) an vorderster Stelle genannt, vor allem in den Haustafeln (z. B. Kol 3,18–4,1; Eph 5,21–6,9) und ähnlichen Texten, aber auch in verstreuten Ermahnungen zum verantwortungsvollen Umgang mit Kindern (z. B. 1Tim 5; Tit 2,4). Margaret Y. MacDonald hat die umfangreichste und systematischste Analyse dieses Materials vorgenommen (2014).5 Ihr Schwerpunkt liegt auf der Wahrnehmung von Kindern und Kindheit sowie auf den sozialen und religiösen Funktionen von Kindern in der Familie und in den Hauskirchen. Besonderes Augenmerk legt sie auf die Identitätskonstruktion und -bildung und zeigt die komplexen familiären und gesellschaftlichen Muster auf, in die Kinder eingebettet waren. Carolyn A. Osiek, Janet H. Tulloch und Margaret Y. MacDonald befassen sich in ihrem Band über Frauen im frühen Christentum (2006) ebenfalls mit diesem Material und widmen Kindern, insbesondere Mädchen, besondere Aufmerksamkeit.6

      In den katholischen Briefen (Jak; 1–2 Petr; 1–3 Joh; Judas) und im Hebräerbrief geht es um Kinder vor allem in metaphorischer Sprache, wenn die Gläubigen als Kinder angesprochen oder als Kinder Gottes charakterisiert werden, oder wenn Bilder aus dem Bereich der Kindheit Verwendung finden (z. B. Hebr 5,13; 1Petr 1,14; 1Joh 2; 2Joh 1). James M.M. Francis sowie Horn und Martens haben sich neben anderen kurz mit diesem Thema beschäftigt.7

      Für die Offenbarung des Johannes, in der Kinder und Kindheit nur eine marginale Rolle zu spielen scheinen, gibt es nur wenige Arbeiten, mit Ausnahme eines Artikels, in dem Betsworth die Offenbarung aus der Perspektive von Kindern betrachtet.8

      7.4 Einige weiterführende Überlegungen

      In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Forschung über Kinder und Kindheit im Neuen Testament recht umfangreich geworden. Die Forschungen sind jedoch sehr ungleichmäßig verteilt, wobei den synoptischen Evangelien und den Briefen des Paulus und der paulinischen Tradition die größte Aufmerksamkeit zuteilwurde. Das Johannesevangelium, die Apostelgeschichte und die katholischen Briefe sind nur in begrenztem Umfang erforscht worden, die Offenbarung des Johannes nur sehr wenig. Der Schwerpunkt lag häufig auf der Familie, den Generationenhierarchien und der bildhaften Familiensprache, und zwar zunehmend mit einer Perspektive „von unten“. Eine Vielzahl von Methoden wurde auf das Material angewendet: sozio-historische, feministische/geschlechtsspezifische, metapherntheoretische und begrenzt auch lingusitische Lektüren. Auch andere Ansätze gewinnen zunehmend an Bedeutung, wie im Folgenden erläutert wird.

      Einige bisher wenig beachtete Bereiche sind hier zu notieren. So sollte beispielsweise die Einstellung des historischen Jesus zu Kindern und zur Kindheit näher untersucht werden. Die traditionelle und weit verbreitete Vorstellung, Jesus sei besonders kinderfreundlich gewesen, ist bisher kaum diskutiert oder gar problematisiert worden, mit Ausnahme des genannten Buches von Murphy. Das Thema ist sowohl historisch, theologisch und hermeneutisch von Bedeutung: Zum einen kann es Auswirkungen auf die vielfach hohe Wertschätzung von Kindern im christlichen Denken haben, zum anderen aber auch auf etablierte Vorstellungen von Jesus. Ein nicht so kinderfreundlicher Jesus könnte aus christologischer Sicht durchaus beunruhigend wirken.

      Ein weiterer Bereich, dem bisher keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, ist das Material aus Q und den vorsynoptischen Sondergutbeständen: Ist ein Unterschied zwischen diesen Stoffen und den Evangelien, in die sie Eingang gefunden haben, festzustellen? Ein letzter Bereich, der hier zu erwähnen ist, sind die ntl. Schriften, in denen Kinder wenig oder gar keine Rolle zu spielen scheinen: Bedeutet dies zwangsläufig, dass das Thema für das Material irrelevant ist? Oder sollte es umgekehrt als Herausforderung dienen, danach zu fragen, wie Lesarten aus der Perspektive von Kindern für diese Quellen relevant sein können – ähnlich wie es in feministischen Interpretationen geschehen ist?

      8 Methodologisches

      Das Methodenspektrum der Arbeiten zu Kindern und Kindheit in der biblischen Welt hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich erweitert. Die Forschung hat sich interdisziplinär entwickelt, wie in vielen der oben erwähnten Studien zu sehen ist; Beispiele für eine solche Interdisziplinarität sind bibelwissenschaftliche Kooperationen mit Archäologie, Medizin, Kunstgeschichte und Kulturanthropologie.1 Freilich war dieses Forschungsthema von Anfang an methodologisch breit aufgestellt. In den unter 7.1 genannten Bänden werden sowohl etablierte wie auch einige neuere Ansätze vorgestellt, diskutiert und an konkreten Texten ausprobiert.2 Die Autorinnen und Autoren veranschaulichen, wie solche Ansätze auf die Kindheitsforschung im Allgemeinen mit Blick auf das NT im Besonderen angewendet werden können. Beispiele sind die Kapitel über feministische Studien von Kathleen Gallagher Elkins, über disability studies von Anna Rebecca Solevåg, über Dekonstruktivismus von Murphy und über ritual studies von Betsworth und Martens.3

      Einige andere Ansätze sind in ihrer besonderen Eignung für unser Thema ebenfalls erwähnenswert, etwa die Mikrogeschichte, die es ermöglicht, Alltagssituationen im Leben der Kinder zu konzeptualisieren. Durch das Zusammenfügen von Materialfragmenten aus unterschiedlichen Quellen lassen sich Szenarien entwerfen, die zum Teil fiktiv sind, sich aber dennoch als historisch eindeutig plausibel