Platon

PLATON - Gesammelte Werke


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und nachdrücklich können gesagt werden, nur durch Wiederholung befestigen wollen; dieses hingegen darf weder ohne Gewinn und Fortschreitung zu derselben Stelle zurückkehren, noch auch Erwartungen erregen die es nicht befriedigt. Der »Kriton« nun ist offenbar auf jene Art gebaut; und wenn gleich die Idee im Ganzen schön und klar ausgeführt ist, so ist doch im Einzelnen der Zusammenhang oft lose geknüpft, unnütz unterbrochen und nachlässig wieder aufgenommen; wie denn überhaupt von den angeführten Mängeln eines wirklich gehaltenen und nur wieder erzählten Gespräches keiner ganz fehlen möchte.

      Auf diese Weise also halte ich noch immer für möglich daß Platon auch dieses Gespräch aufgesetzt habe, und denke mir daß er so nahe dem Tode des Sokrates eben so gewissenhaft mit einer solchen Unterredung könne umgegangen sein als mit seiner Verteidigungsrede. Erst in einer weiten Entfernung, in der Zeit, in welche nach meiner Ansicht der »Phaidon« fällt, konnte er auch bei dem, was sich auf den Tod des Sokrates bezieht, von der pünktlichen Treue zu der freieren Behandlung übergehen, und es in ein selbstgebildetes zur philosophischen Darstellung bestimmtes Kunstwerk verweben. Ich wenigstens will noch suchen, mittelst dieser Ansicht, dem Platon das Gespräch zu erhalten, bis etwa eine tüchtigere Kritik als die bisherige es ihm ganz abspricht. Zweierlei vorzüglich bewegt mich hiezu; teils die Sprache, gegen welche auch Hr. Ast nichts sonderliches einwendet, und welche eben so deutlich als die in der »Verteidigung« alle Eigentümlichkeiten aus der ersten Periode der Platonischen Schriften vereinigt. Teils aber auch eben die große Strenge, womit der Verfasser sich an den einzelnen Fall hält, den das Gespräch betrifft, und hier sich jeder Einmischung von Untersuchungen über die ersten Grundsätze enthält, eine Keuschheit welche gewiß nicht kleinen Philosophen wie die übrigen Sokratiker, sondern nur einem so ausgezeichneten Manne möglich war, und durch welche er diese Schrift zugleich ausdrücklich aus der Reihe der übrigen heraushebt. Daher auch der starke Nachdruck der auf die Äußerung gelegt wird, daß denen, welche nicht von gleichen sittlichen Grundsätzen mit einander ausgehn, jede gemeinschaftliche Beratschlagung unmöglich ist, ein Nachdruck der eher dem Platon, um die Art und das Verfahren des Gespräches zu erklären, zuzuschreiben ist, als dem Sokrates, der dessen gegen seinen Freund Kriton, welcher nur in den Folgerungen von ihm abweichen konnte, schwerlich bedurft hätte.

      Auf die Erzählung des Diogenes, daß Aeschines eigentlich der Unterredner gewesen, und Platon ihm aus Abneigung den Kriton untergeschoben habe, ist wohl wenig Wert zu legen. Indes ist es leicht möglich, daß Platon sich hierin eine Abweichung erlaubt, und den Kriton gewählt hat, der durch seine Lage und sein Alter vor unangenehmen Folgen am meisten gesichert war, vielleicht auch bald nach dem Tode des Sokrates gestorben ist. Wenigstens sieht man das Bestreben keinem Athenischen Freunde des Sokrates zu schaden daraus, daß Platon als Teilhaber an dem Entführungsentwurf nur Ausländer namhaft macht. So daß der Umstand selbst vielleicht gegründet ist, und nur die Ursache, wer weiß von wem, hinzugefabelt.

      KRITON

       SOKRATES • KRITON

      (43) Sokrates: Wie bist du schon um diese Zeit gekommen, Kriton? Oder ist es nicht noch früh?

      Kriton: Noch gar sehr.

      Sokrates: Welche Zeit wohl?

      Kriton: Die erste Morgendämmerung.

      Sokrates: Da wundere ich mich, daß der Schließer des Gefängnisses dir aufmachen gewollt hat.

      Kriton: Er ist schon gut bekannt mit mir, Sokrates, weil ich oft hieher komme. Auch hat er wohl eher etwas von mir erhalten.

      Sokrates: Bist du eben erst gekommen oder schon lange?

      Kriton: Schon ziemlich lange.

      Sokrates: Warum also hast du mich nicht gleich geweckt, sondern dich so still hingesetzt?

      Kriton: Nein, beim Zeus, Sokrates, wollte ich doch selbst lieber nicht so lange gewacht haben in solcher Betrübnis. Aber sogar dir habe ich schon lange verwundert zugesehen, wie sanft du schliefst; und recht wohlbedächtig habe ich dich nicht geweckt, damit dir die Zeit noch recht sanft hingehe. Denn oft schon freilich auch sonst im ganzen Leben habe ich dich glücklich gepriesen deiner Gemütsart wegen, bei weitem aber am meisten bei dem jetzigen Unglück wie leicht und gelassen du es erträgst.

      Sokrates: Es wäre ja auch frevelhaft, o Kriton, mich in solchem Alter unwillig darüber zu gebärden, wenn ich endlich sterben muß.

      Kriton: Werden doch auch Andere, Sokrates, eben so bejahrte von solchem Unglück bestrickt; aber ihr Alter schützt sie nicht davor, sich nicht unwillig zu gebärden gegen das eintretende Geschick.

      Sokrates: Wohl wahr! Aber warum doch bist du so früh gekommen?

      Kriton: Um dir eine traurige Botschaft zu bringen, Sokrates. Nicht dir, wie ich wohl sehe, aber mir und allen deinen Freunden traurig und schwer, und die ich wie mich dünkt ganz besonders am schwersten ertragen werde.

      Sokrates: Was doch für eine? Ist etwa das Schiff aus Delos zurückgekommen, nach dessen Ankunft ich sterben soll?

      Kriton: Noch ist es zwar nicht hier, aber ich glaube doch es wird heute kommen, nach dem was Einige von Sunion gekommene berichten, die es dort verlassen haben. Aus dieser Nachricht nun ergibt sich, daß es heute kommt, und daß du also Morgen dein Leben wirst beschließen müssen.

      Sokrates: Also, o Kriton, Glück auf! Wenn es den Göttern so (44) genehm ist, sei es so. Jedoch glaube ich nicht, daß es heute kommt.

      Kriton: Woher vermutest du das?

      Sokrates: Das will ich dir sagen. Ich soll doch an dem folgenden Tage sterben, nachdem das Schiff gekommen ist.

      Kriton: So sagen wenigstens die darüber zu gebieten haben.

      Sokrates: Daher glaube ich nun nicht, daß es an dem jetzt anbrechenden Tage kommen wird, sondern erst an dem nächsten. Ich schließe das aber aus einem Traume, den ich vor einer kleinen Weile in dieser Nacht gesehen habe, und beinahe mag es sich recht gelegen gefügt haben, daß du mich nicht aufgeweckt hast.

      Kriton: Und was träumte dir?

      Sokrates: Es kam mir vor, als ob eine schöne wohlgestaltete Frau mit weißen Kleidern angetan auf mich zukam, mich anrief und mir sagte: O Sokrates, möchtest du am dritten Tag in die schollige Phthia gelangen.

      Kriton: Welch ein sonderbarer Traum, o Sokrates!

      Sokrates: Deutlich gewiß, wie mich dünkt, o Kriton!

      Kriton: Gar sehr, wie es scheint. Aber du wunderlicher Sokrates, auch jetzt noch folge mir und rette dich. Denn für mich ist es nicht Ein Unglück etwa wenn du stirbst: sondern außerdem, daß ich eines solchen Freundes beraubt werde, wie ich nie wieder einen finden kann, werden auch Viele glauben, die mich und dich nicht genau kennen, daß ob ich schon im Stande gewesen wäre dich zu retten, wenn ich einiges Geld aufwenden gewollt, ich es doch verabsäumt hätte. Und was für einen schlechteren Ruf könnte es wohl geben, als dafür angesehen sein, daß man das Geld höher achte als die Freunde. Denn das werden die Leute nicht glauben, daß du selbst nicht weggehn gewollt habest, wiewohl wir Alles dazu getan.

      Sokrates: Aber du guter Kriton, was soll uns doch die Meinung der Leute so sehr kümmern? Denn die Besseren auf welche es eher lohnt Bedacht zu nehmen werden schon glauben, es sei so gegangen wie es gegangen ist.

      Kriton: Aber du siehst doch nun, Sokrates, daß es nötig ist auch um der Leute Meinung sich zu kümmern. Eben das gegenwärtige zeigt ja genug, daß die Leute wohl vermögen nicht das kleinste Übel nur zuzufügen, sondern wohl das größte, wenn Jemand bei ihnen verläumdet ist.

      Sokrates: Möchten sie nur, o Kriton, das größte