fürchterlicher Unterleibsschmerzen, nach einer halben Stunde war sie im Delirium. Bis zur Dämmerung blieb Carola bei ihr, und alles, was Bea in ihrem Delirium und in ihren Schmerzen tat, war nicht so jammervoll für Carola wie die Ängstlichkeit, mit der Miles schweigend von der obersten Stufe in das Zimmer starrte. Am nächsten Morgen schlief Carola drei Stunden und lief wieder zurück. Bea war ganz im Delirium, aber sie murmelte nichts anderes als: »Olaf – wir haben's so schön –«
Um zehn Uhr, als Carola in der Küche einen Eisbeutel herrichtete, klopfte es. Miles machte auf. An der Tür sah sie Vida Sherwin, Maud Dyer und Frau Zitterel, die Frau des Baptistengeistlichen. Sie brachten Trauben und Frauenzeitschriften, Zeitschriften mit bunten Bildern und optimistischen Romanen.
»Wir haben gerade gehört, daß Ihre Frau krank ist. Wir kommen, um zu sehen, ob wir nicht was tun können«, zirpte Vida.
Miles sah die drei Weiber ruhig an. »Ihr kommt zu spät Jetzt könnt ihr nichts tun. Bea hat immer 'n bißchen gehofft, daß jemand von euch sie besuchen kommt. Sie wollte so gern Freundinnen bekommen. Immer hat sie dagesessen und hat darauf gewartet, daß jemand klopft. Hier hab' ich sie sitzen und warten sehen. Jetzt – Ach, ihr seid ja nicht einmal ein Gott verdamm' euch Wert.« Er schlug die Tür zu.
Den ganzen Tag beobachtete Carola, wie Olafs Kraft schwand. Er war abgezehrt. Seine Rippen waren deutlich zu sehen. Seine Haut war feucht, sein Puls schwach, aber erschreckend schnell. Er schlug – schlug – schlug im Trommelwirbel des Todes. Am späten Nachmittag schluchzte er auf und starb.
Bea wußte es nicht. Sie war im Delirium. Als sie am nächsten Morgen starb, wußte sie nicht, daß Olaf nie mehr auf der Türschwelle sein Holzschwert schwingen, daß er nie mehr seine Untertanen im Viehhof regieren würde; daß Miles' Sohn nicht im Osten ins College gehen würde.
Miles, Carola, Kennicott schwiegen. Gemeinsam wuschen sie mit schwimmenden Augen die Leichen.
»Gehen Sie jetzt nach Haus und schlafen Sie. Sie sind recht müd. Ich werd' Ihnen nie vergelten können, was Sie getan haben«, flüsterte Miles Carola zu.
»Ja. Aber morgen früh bin ich wieder da. Ich geh' mit Ihnen zum Begräbnis«, sagte sie mühsam.
Als die Zeit des Begräbnisses da war, lag Carola zusammengebrochen im Bett. Sie dachte, die Nachbarn würden gehen. Man hatte ihr nicht erzählt, daß die Nachricht von Vidas Zurückweisung durch Miles sich wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreitet hatte.
Es war nur ein Zufall, daß sie, sich im Bett aufstützend, durch das Fenster hinausblickte und den Leichenzug Beas und Olafs sah. Keine Musik, keine Wagen. Nur Miles Bjornstam, in seinem schwarzen Hochzeitsanzug, ging ganz allein mit gesenktem Kopf hinter dem schäbigen Leichenwagen einher, der die Körper seiner Frau und seines Kindes trug.
Eine Stunde später kam Hugh weinend ins Zimmer, und als sie, so freundlich sie konnte, fragte: »Was hast du, Liebling?« flehte er: »Mammi, ich will mit Olaf spielen gehen.«
An diesem Nachmittag kam Juanita Haydock, um Carola aufzuheitern. Sie sagte: »Zu ärgerlich, daß diese Bea Ihr Dienstmädchen war. Aber ich würde kein Mitleid an den Mann verschwenden. Alle sagen, er hat zu viel getrunken und seine Familie schrecklich behandelt, und deshalb sind sie krank geworden.«
Sechsundzwanzigstes Kapitel
1
Raymie Wutherspoon schrieb aus Frankreich, er sei an die Front geschickt, leicht verwundet und zum Hauptmann ernannt worden. An Vidas Stolz suchte Carola sich aus ihrer eigenen Depression aufzurichten.
Miles hatte seine Molkerei verkauft. Er besaß einige tausend Dollar. Carola sagte er mit ein paar kurzen gemurmelten Worten und einem festen Händedruck Adieu: »Ich will mir 'ne Farm in Nord-Alberta kaufen – so weit weg von den Menschen, wie nur möglich.« Er wandte sich scharf um, aber er ging nicht mit seiner früheren Elastizität. Seine Schultern sahen alt aus.
Man erzählte sich, vor seinem Gehen hätte er die Stadt verflucht. Es war die Rede davon, ihn zu verhaften, ihn »auf einem Brett zu tragen«. Es ging das Gerücht, auf dem Bahnhof habe der alte Champ Perry sich ihn vorgenommen. »Kommen Sie lieber nicht hierher zurück. Wir haben Achtung vor Ihren Toten, aber wir haben gar keine Achtung vor einem Lästerer und Verräter, der nichts für sein Vaterland tun will und nur eine einzige Freiheitsanleihe gekauft hat.«
Einige von denen, die auf dem Bahnhof gewesen waren, erklärten, Miles habe eine fürchterlich revolutionäre Antwort gegeben: so etwas, wie daß er deutsche Arbeiter mehr liebe als amerikanische Bankiers; andere aber versicherten, er hätte nicht ein Wort der Erwiderung für den alten Veteranen gefunden; er hätte sich ganz einfach in den Zug geschlichen. Er müsse ein Schuldgefühl gehabt haben, sagten übereinstimmend alle, denn als der Zug ausfuhr, sah ein Farmer ihn im Wagenkorridor stehen und hinausblicken.
Sein Haus – mit dem Anbau, den er vor vier Monaten errichtet hatte – stand ganz nahe am Eisenbahndamm.
Als Carola das letztemal hinkam, sah sie Olafs Wägelchen mit seinen Rädern aus roten Spulen in der sonnigen Ecke neben dem Stall stehen. Sie mußte darüber nachdenken, ob ein rasches Auge es von einem Zug aus erblicken könnte.
An diesem Tag und in der ganzen nächsten Woche ging sie widerwillig an ihre Rote-Kreuz-Arbeit; sie heftete und packte schweigend, während Vida die Kriegsberichte vorlas. Sie sagte auch nichts, als Kennicott die Bemerkung machte: »Nach dem, was Champ sagt, scheint Bjornstam doch ein schlechter Kerl gewesen zu sein. Trotz Bea, ich weiß nicht, ob das Bürgerkomitee ihn nicht hätte dazu zwingen sollen, patriotisch zu sein – 's sieht so aus, als hätt' man ihn ins Kittchen stecken können, weil er von der Freiheitsanleihe und von der Young Men's Christian Association nichts wissen wollte. Bei all den deutschen Farmern hat das wunderschön gewirkt.«
2
Bei Frau Westlake fand sie zuverlässige Freundlichkeit, und schließlich ließ sie sich gehen und erleichterte sich, indem sie ihr schluchzend die Geschichte von Bea erzählte.
Auf der Straße traf sie oft Guy Pollock, aber er war nichts weiter als eine angenehme Stimme, die etwas von Charles Lamb und von Sonnenuntergängen redete.
Ihr stärkstes Erlebnis war die Entdeckung Frau Flickerboughs, der großen, mageren, nervösen Frau des Anwalts. Carola traf sie in der Drogerie.
»Zu Fuß?« fragte Frau Flickerbough barsch.
»Wieso, ja.«
»Hm. Sie werden wohl die einzige Frau in der Stadt sein, die noch ihre Füße gebraucht. Kommen Sie mit, trinken Sie 'ne Tasse Tee bei mir.«
Carola ging mit, weil sie nichts anderes zu tun hatte. Aber sie fühlte sich unbehaglich unter den belustigten Blicken, die Frau Flickerboughs Kostüm auf sich zog. Heute, an einem glutheißen Augusttag, trug sie eine Männermütze, einen abgeschabten Pelz, der aussah wie eine tote Katze, ein falsches Perlenhalsband, eine zerlumpte Satinbluse und einen schweren Tuchrock, der vorne schleppte.
»Kommen Sie rein. Nehmen Sie Platz. Setzen Sie das Kind in den Schaukelstuhl dort. Hoffentlich macht's Ihnen nichts, daß das Haus aussieht wie 'n Rattennest. Sie können den Ort nicht leiden. Ich auch nicht«, sagte Frau Flickerbough.
»Wieso –«
»Natürlich können Sie ihn nicht leiden!«
»Na also, nein! Aber ich bin überzeugt, daß ich einmal eine Lösung dafür finden werde. Wahrscheinlich bin ich ein sechseckiger Zapfen. Lösung: das sechseckige Loch finden.« Carola war sehr munter.
»Woher wissen Sie, daß Sie überhaupt eines finden werden?«
»Nehmen Sie Frau Westlake. Das ist natürlich eine Großstadtdame – sie müßte ein hübsches altes Haus in Philadelphia oder Boston haben