Objektiv beschreiben? Das geht doch gar nicht! Stimmt! Zumindest ist es schwierig. Menschen, die sehr faktenbasiert denken und handeln, können das. Autisten sind darin oft wahre Meister. Aber ich kann Sie beruhigen, es gibt einen ganz simplen Trick: Erzählen Sie einer neutralen Person von Ihrer gewählten Situation. Diese soll dann alle Fakten festhalten und sämtliche Adjektive herausstreichen. Zum besseren Verständnis stellt sie auch Fragen zur Situation. Lassen Sie diese neutrale Person Ihre Situation im Anschluss schildern und nutzen Sie diese Schilderung als Grundlage für alles Weitere. Ist eine objektive Beschreibung Ihrer Situation erfasst, stellen Sie sich die Frage, welche Personen, Gruppen, Branchen etc. betroffen sind. Vertiefen Sie das, indem Sie sich Gedanken über die möglichen Auswirkungen machen! Beginnen Sie in Ihrem direkten Umfeld und ziehen Sie den Kreis Stück für Stück größer.
Verhalten ist beobachtbar
Wie schon beschrieben, werden Wirkungen durch Verhalten erzielt, beide Ebenen sind eng miteinander verzahnt. Lassen Sie uns nun gemeinsam einen Blick auf das Verhalten werfen.
Verhalten ist als zweite Persönlichkeitsschicht vergleichbar mit der Erdoberfläche im Erdschichtenmodell. Grundsätzlich ist Verhalten immer beobachtbar und beschreibbar. Es umfasst drei Dimensionen:
1 Handeln,
2 Unterlassen,
3 Dulden.
Gleichzeitig können wir Verhalten in drei Ebenen unterteilen:
1 Die unbewusste physiologische Reaktion unseres Organismus. Häufig zu beobachten, wenn Personen in einem Gespräch vermeintlich von einer Sache sehr überzeugt sind und während der Argumentation unbewusst einen Schritt (körperlich) nach hinten machen.
2 Die gelernte Routine mit unbewusst gesteuerten Verhaltensweisen. Ein Beispiel ist das Schalten vom ersten in den zweiten Gang, wenn Sie mit dem Auto losfahren.
3 Das bewusste, gesteuerte Verhalten. Zum Beispiel wenn ein Kunde oder eine Kundin eine Dienstleistung reklamiert und Sie mithilfe des vorher festgelegten Gesprächsleitfadens dafür sorgen wollen, dass der Kunde oder die Kundin Ihnen erhalten bleibt.
Verhalten ist Realität und unterliegt immer einem vorangegangenen Reiz. Realität ist nicht veränderbar, weil sie nur in dem ultrakurzen Moment stattfindet, den wir Gegenwart nennen. Das bedeutet auch, dass wir Verhalten niemals im Nachhinein verändern können. Allerdings entscheiden Sie selbst darüber, welche Bedeutung das Verhalten für die Zukunft haben soll. Sobald wir in Gedanken bewerten, werden wir allein durch diese Bewertung schon fremdbestimmt.
Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter konfrontiert Sie häufig mit Situationen, um von Ihnen eine Entscheidung zu erhalten. Haben Sie da nicht auch oft gedacht: »Jetzt steht der schon wieder hier und bekommt es selbst nicht hin.« – Damit bewerten Sie das Verhalten des Mitarbeiters und gleichzeitig ärgern Sie sich auch noch, sind also vom Ärger über das Verhalten des Mitarbeiters fremdbestimmt. Wenn in Zukunft ein Mitarbeiter zu Ihnen kommt, nicht bewerten. Im Gegenteil. Neugierig alles auf sich zukommen lassen. Es kann doch nicht beeinflusst werden, weil es gerade geschieht. Die einzige Möglichkeit, die bleibt, ist, sich der Situation anzupassen – sich und das eigene Verhalten in dieser Situation zu verändern. »Haben Sie schon Lösungsvorschläge mitgebracht?« wäre eine gute Frage, um die Verantwortung beim Mitarbeiter zu belassen.
Wenn Sie sich ärgern, ist das Ihr eigenes Verhalten und niemand sonst trägt die Verantwortung oder hat gar eine Schuld daran. Wenn Sie das jedoch glauben oder glauben wollen, weil es leichter ist, dann unterwerfen Sie sich diesem äußeren Umstand. Wollen Sie das wirklich?
Durch Verhalten erzielen wir also eine Wirkung. Aber wovon ist es abhängig, möglichst die gewünschte Wirkung zu erzielen? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so einfach, die Komplexität ist hoch und weit verzweigt.
Unser Verhalten wird bestimmt durch die Gesamtheit unserer Erfahrungen, Bedürfnisse, Werte und Überzeugungen – welche die Schichten im Schichtenmodell der Persönlichkeit darstellen, zu denen wir später noch detaillierter kommen. Unerfüllte Bedürfnisse und stark verankerte Glaubenssätze steuern häufig unser unbewusstes Verhalten. Darüber haben die wenigsten Menschen Kontrolle, weil sich kaum jemand der eigenen Bedürfnisse und Glaubenssätze wirklich bewusst ist. Genau darum geht es mir in diesem Buch. Wenn Sie von den Vorteilen konsequenter Führung profitieren wollen, müssen Sie auch konsequent verstehen wollen, warum Menschen so handeln, wie sie handeln.
Diagramm der Umstände
Je nachdem, welche Art von Umstand gerade eine Situation beeinflusst, nehmen die meisten Menschen eine Haltung dazu ein, die es ihnen ermöglicht, sich NICHT verändern zu müssen. Wenn uns jemand eine Rückmeldung darüber gibt, dass wir eine Verhaltensweise ändern könnten, dann wollen wir das in aller Regel nicht.
Die Umstände einer Situation lassen sich immer in vier Kategorien einteilen. Wie Sie der Abbildung 4 entnehmen können, werden die Kategorien über die Faktorenpärchen »innen/außen« und »veränderbar/unveränderbar« gebildet. In den einzelnen Quadranten finden wir die Haltungen, die Menschen überwiegend zu dieser Art von Umstand einnehmen. Die äußeren Umstände im oberen Bereich des Diagramms sind meist nur mit viel Aufwand änderbar. »Ich kann das nicht ändern« sagen wir, wenn wir etwas im ersten Moment als unveränderbar ansehen. Das Einzige, was wir dann anpassen können, ist unsere Haltung dazu. Äußere veränderbare Umstände verändern wir meist nicht, weil wir nicht wissen, wie. Oft lassen wir uns auch von unserem Tagesgeschäft davon ablenken. Worüber ich häufig schmunzeln muss, sind die inneren Umstände. Die veränderbaren wollen wir meist nicht verändern und die unveränderbaren schon. Paradox, oder? Das bedeutet, dass wir unglaublich viel Energie aufwenden, Unmögliches zu ermöglichen, die einfachen Dinge jedoch unberührt lassen.
Abbildung 4: Diagramm der Umstände
Lassen Sie mich das anhand der Umstände rund um die Expo im Jahr 2000 verdeutlichen.
Umstand 1: Der unveränderbare Umstand von außen Die Expo 2000 würde stattfinden. Die Bautätigkeit an den Straßen in der gesamten Region Hannover würde für die Zeit der Expo eingestellt werden. Die Aufträge würden um mindestens 50 Prozent zurückgehen. Diese Umstände waren tatsächlich nicht zu ändern. Aber ich hätte meine Handlungen, meine Verhaltensweise der Situation anpassen können. Warum habe ich das nicht getan?
Umstand 2: Der unveränderbare Umstand von innen Zu dieser Zeit fehlte die unternehmerische Erfahrung in Krisensituationen. Hinzu kam die Überzeugung, die Situation zu meistern. Die mangelnde Erfahrung war zu diesem Zeitpunkt unveränderbar und hatte ihre Ursache in mir als Persönlichkeit, also von innen. Warum habe ich mir keinen Rat von außen geholt?
Umstand 3: Der äußere, aber veränderbare Umstand Für die zu erwartende Situation gab es einfach zu viel Personal. Der Spagat zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und meinem Gefühl der sozialen Verantwortung gegenüber dem Personal war nicht zu bewerkstelligen. Warum habe ich nicht jemanden gefragt, der eine solche Situation schon einmal erfolgreich gemeistert hat?
Umstand 4: Der innere, veränderbare Umstand Rückblickend hätte ich einfach nur die vorgenannten drei Fragen beantworten müssen. Aber ich wollte nicht zugeben, dass ich das Unternehmen verkleinern musste. Ein innerer und auch veränderbarer Widerstand, resultierend aus Stolz, Ehre, Unbeugsamkeit etc. Welche inneren Widerstände haben Sie in ähnlichen Situationen schon einmal erlebt?
Hier ist ein Ansatzpunkt für nachhaltigen Erfolg und andauerndes Glück: Wenn Sie wissen, was Sie wollen, und sich selbst und Ihre Eigenarten gut kennen. Wenn ich hier von konsequenter Führung erzähle, dann beginnt sie bei uns selbst. Erst wenn ich mich selbst führen kann, bin ich in der Lage, andere führen zu können.