wir auch die Familie des betroffenen Mitarbeiters. Rückblickend haben hier die Probleme begonnen.
Fehlende Engpassanalyse
Ein junges Unternehmen hat keine passenden Strukturen und Prozesse für einen derartigen Fall, er kommt völlig unvorbereitet. Strukturen für einen Plan B müssen geschaffen werden, bevor eine Krise kommt. Hier haben wir eine weitere Situation, in der Vertrauen schädlich sein kann. Vertrauen darauf, dass alles immer gut läuft. Die fehlenden Strukturen und Prozesse für bisher unbekannte Situationen machten die Engpässe im Unternehmen sichtbar.
Ein Zeichen für die Unternehmerfalle ist es, die folgenden Fragen nicht zu jeder Zeit beantworten zu können:
Was passiert, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin ausfällt?
Was passiert, wenn ich selbst ausfalle?
Wie kann ich meine Mitarbeitenden dahin entwickeln, dass sie meine Aufgaben im Zweifelsfall übernehmen können?
Wer kann welche Ressourcen im Falle eines Ausfalls kompensieren?
Was ist in unseren Prozessen wichtig und welche Prioritäten müssen gesetzt werden, wenn jemand ausfällt?
Wenn Sie in solchen Momenten keine Antworten auf diese Fragen haben, kann die Situation bis zur kompletten Fremdbestimmung führen und weit weg von jeder Vision.
Die Neubesetzung der Stelle war leider schlecht, das zeigte sich in aller Klarheit jedoch erst sehr viel später.
Es gibt vermutlich in vielen Unternehmen Momente, in denen ein externer Berater gut gewesen wäre. Rechnen Sie doch einmal aus, wo Sie heute wären, wenn Sie viel eher einen Berater hinzugezogen hätten. Wie viel mehr Umsatz hätten Sie erwirtschaftet?
Durch die Vorbereitungen auf die Expo 2000 boomten in den darauffolgenden Monaten Bauwirtschaft und Abbruchtechnik und bescherten uns volle Auftragsbücher und noch vollere Arbeitstage. Zwei neue Werkstattwagen und drei weitere Techniker reichten nicht aus, um allen Anfragen gerecht zu werden. Also stürzte ich mich noch mehr ins operative Geschäft, verlor Neukundenakquise, Bestandskundenbetreuung und Personalentscheidungen aus den Augen, hatte nur noch maximalen Umsatz und Ertrag im Blick und mich dabei verloren.
Nicht Nein sagen können
Das richtig Fachpersonal zu finden, kostet Zeit. Also wird unter Zeitdruck fachfremd eingestellt in der Hoffnung, die schnell gefundenen neuen Mitarbeiter genauso schnell anzulernen. Welch ein Irrtum: Die Qualität hat stark nachgelassen, die Reklamationen haben zugenommen, das Teamgefühl ist verloren gegangen.
Warum das alles? Warum diese Inkonsequenz? Weil es oft schwerfällt, Nein zu sagen. Sie entspringt der inneren Angst, abgelehnt zu werden. Abgelehnt zu werden, weil man nicht alle Aufträge (sofort) annehmen konnte. Ohne diese Angst wäre das Nein zu dem einen oder anderen Auftrag gefallen und die notwendige Zeit für die Personalsuche vorhanden gewesen. Der Kunst des Nein-Sagens fällt also eine große Bedeutung zu auf dem Weg zum erfolgreichen Unternehmer, zur erfolgreichen Unternehmerin.
Aufträge nicht zustande kommen zu lassen ist jedoch keinesfalls gleichzusetzen mit dem Ablehnen von Aufträgen! Einem potenziellen Kunden bei einer Anfrage offen zu kommunizieren, dass man aktuell das Serviceversprechen nicht einhalten kann, ist etwas völlig anderes, als ihn kategorisch abzuweisen. Im ersten Fall hat er die Wahl, den Auftrag trotzdem zu erteilen oder sich nach Alternativen umzuschauen. Als Dienstleistungsunternehmen wird man weiterhin als ehrlich, transparent und vertrauenswürdig wahrgenommen. Und eine ehrliche Kommunikation mit dem Ergebnis, dass sich der Auftraggeber für einen Mitbewerber entscheidet, ist für das Kundenverhältnis in jedem Fall besser als eine Beauftragung, bei der jedoch die Qualität nicht stimmt und das Serviceversprechen nicht eingehalten wird. Um es mit den Worten von Robert Bosch auf den Punkt zu bringen: »Lieber Geld verlieren als Vertrauen.«
Im Sommer 2000, mit Beginn der Expo, brachen die Umsätze um knapp 80 Prozent ein. Ich hatte etwa acht Monate weder Akquise betrieben noch bestehende Kundenbeziehungen gepflegt. Zudem war das Team unzufrieden, passte nicht zusammen und lieferte aufgrund teilweise schlechter Ausbildung nur schlechte Arbeit ab. Der Umsatz deckte nicht die Kosten, wieder gab es keine strategischen Vorbereitungen für einen nicht nur möglichen, sondern absehbaren Umsatzeinbruch durch den Expo-Start. Im Tagesgeschäft wurde aus dem visionären Vorgehen ein reines Abarbeiten von Aufträgen. Ziele und Motive waren aus dem Blickfeld geraten.
Fehlende Vorbildfunktion
»Vorbildfunktion ist oberstes Gebot.«
–Wolfgang Grupp
Das Unternehmen ist immer Spiegelbild der Unternehmerpersönlichkeit. Als Unternehmerin oder Unternehmer können Sie nicht erwarten, dass Ihre Mitarbeitenden eine andere Stimmung haben als Sie selbst. Wenn Sie Ihre Vision, Ihre Ziele aus den Augen verlieren, steht auch das Unternehmen ganz schön verloren da.
Statt mich den Problemen zu stellen, habe ich sie bewusst ignoriert. So habe ich keinerlei Einsparungen vorgenommen, sondern die nun plötzlich ohne ihre eigentliche Arbeit dastehenden Techniker in die Akquise gesteckt, das heißt strategisch zur Kundengewinnung eingesetzt. An sich keine schlechte Idee, hätte ich sie auch konsequent umgesetzt. Doch statt das Personal dafür angemessen zu schulen, was Zeit gekostet hätte, habe ich sie ohne Vorbereitung in Werkstätten und auf Baustellen geschickt. Das konnte nicht erfolgreich sein!
Fehlende Eigenverantwortung
In einer Studie des Verbandes der Familienunternehmen, durchgeführt von der Zeppelin Universität München im Jahr 2020, steht schon auf einer der ersten Seiten:
»Deutschlands nächste Unternehmergeneration verfügt über zentrale Werte wie Eigenverantwortung, ein intaktes soziales Umfeld und Leistungsorientierung. Außerdem sind dem Unternehmernachwuchs Individualität und Selbstverwirklichung wichtig.«
An erster Stelle der zentralen Werthaltungen steht die Eigenverantwortung.
Kompetenzstufe 1 – die unbewusste Inkompetenz
Eigene Überheblichkeit verstärkt die unbewusste Inkompetenz, das ist der erste Reifegrad des vierstufigen Kompetenzmodels, das ich in der Einleitung bereits kurz skizziert habe. Personen auf dieser Stufe zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich selbst für kompetent halten und alle anderen für inkompetent. Es werden intuitive Entscheidungen getroffen, die allerdings oftmals falsch sind. Die Schuld wird bei anderen gesucht.
Es ist im Übrigen ein weit verbreitetes Phänomen, bei Inkompetenz die Schuld an anderer Stelle zu suchen. Dieses wird durch den Dunning-Kruger-Effekt beschrieben, welcher besagt, dass Inkompetenz zu Selbstüberschätzung führt, die sich häufig als überzogenes Selbstvertrauen beobachten lässt. Die beiden namensgebenden Psychologen fassten ihre Beobachtungen in vier Punkten zusammen:
Inkompetente Personen
neigen