Die Vollendung tritt auch ein, wenn die Steuerfestsetzung vorläufig (§ 165) oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) erfolgt.[512]
186
Berücksichtigt das Finanzamt die falschen Angaben nicht, bzw. erfolgt trotz falscher oder unterbliebener Angaben eine zutreffende oder zu hohe Festsetzung, tritt keine Vollendung ein. Es bleibt dann beim Versuch. Die Vollendung kann dann noch im Rechtsbehelfsverfahren erreicht werden.
187
Wird trotz bestehender Pflichten keine Steuererklärung abgegeben (Unterlassen), tritt Vollendung entweder durch Bekanntgabe eines Schätzungsbescheides ein[513] oder dann, wenn nach Nichtabgabe keine Veranlagung erfolgt. Entscheidend für die Feststellung der unterbliebenen Veranlagung ist der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre.[514] Zur Bestimmung des Zeitpunkts wird auf den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten im zuständigen Finanzamt abgestellt.[515] Um diesen Zeitpunkt zutreffend zu bestimmen, müsste in jedem Einzelfall der tatsächliche Arbeitsstand des zuständigen Finanzamts für jedes Veranlagungsjahr erhoben werden. Außerdem wäre zu klären, ab welcher Erledigungsquote, die zumindest unter 100 % liegt,[516] davon gesprochen werden kann, dass die Arbeiten „im Allgemeinen“ abschlossen sind. In der Praxis wird der Zeitpunkt meist nach generellen Erwägungen grob ermittelt. DerBGH zieht in Erwägung, zumindest bei einfach gelagerten Fällen von einer Bearbeitungszeit für fristgerecht eingereichte Erklärungen von längstens einem Jahr auszugehen.[517] Es sei von Rechts wegen nicht geboten, Tatvollendung stets erst zum Zeitpunkt der Tatbeendigung anzunehmen, wenn also das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat und demzufolge nicht mehr mit einer Veranlagung zu rechnen ist.[518]
188
Gewährte Fristverlängerungen sind bei der Frage der Vollendung zugunsten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (s. dazu Rn. 115).
189
Der Abschluss der Veranlagungsarbeiten und damit der Vollendungszeitpunkt bzgl. der Jahressteuern lässt sich anhand genereller Überlegungen unter Berücksichtigung allgemein gewährter Fristverlängerungen überschlägig ermitteln. Die Frist zur Abgabe von Jahressteuererklärungen läuft nach § 149 Abs. 2 AO, sofern nicht Sondervorschriften eingreifen, bis zum 31. Juli des auf das Veranlagungsjahr folgenden Jahres. Wirkt an der Erstellung der Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- oder Umsatzsteuer-Erklärung sowie zur gesonderten oder zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 18 des Außensteuergesetzes eine nach den §§ 3 und 4 StBerG befugte Person oder Institution mit, wird die Frist zur Abgabe gem. § 149 Abs. 3 bis Ende Februar des übernächsten Folgejahres verlängert.[519] Es dürfte daher zumindest bis nach dem 28./29. Februar des übernächsten auf das Veranlagungsjahr folgenden Jahres nicht mit dem Abschluss der Bearbeitung und damit mit Tatvollendung zu rechnen sein. Nimmt man den letztmöglichen Fristverlängerungstermin und verlängert ihn um geschätzt drei Monate für die Bearbeitungszeit des Finanzamts nach Eingang der letzten Erklärungen, so würde die Vollendung Ende Mai des übernächsten Jahres nach dem Veranlagungsjahr eintreten.[520]
190
Auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer handelt es sich um Veranlagungssteuern, wobei die Veranlagung nicht regelmäßig abschnittsbezogen für fortlaufende Besteuerungszeiträume erfolgt, sondern bezogen auf einzelne Schenkungs- oder Erbschaftsfälle (§ 1 Abs. 1 ErbStG). Der Begünstigte hat den steuerpflichtigen Vorgang binnen einer Frist von drei Monaten anzuzeigen (§ 30 Abs. 1 ErbStG). Die Anzeigepflicht trifft auch den Schenker (§ 30 Abs. 2 ErbStG). Anhand der Anzeige prüft das Finanzamt, ob es die Abgabe einer Steuererklärung innerhalb einer von ihm dazu zu setzenden Frist von mindestens einem Monat fordert (§ 31 Abs. 1 ErbStG). Der Steuerpflichtige kann daher eine Steuerhinterziehung durch die Nichtabgabe bzw. die Abgabe einer falschen Anzeige gem. § 30 ErbStG begehen sowie durch falsche Angaben im Rahmen der Erklärung gem. § 31 ErbStG. Unterlässt der Steuerpflichtige die Anzeige gem. § 30 ErbStG, so tritt Vollendung in dem Zeitpunkt ein, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn er seiner Anzeigepflicht rechtzeitig nachgekommen wäre, also nach Ablauf der drei-monatigen Frist zur Anzeige zzgl. der fiktiven Bearbeitungsdauer beim Finanzamt. Letztere setzt der BGH mit einem Monat an,[521] da das Finanzamt den Steuerpflichtigen auffordern kann, binnen einer Frist von einem Monat eine Steuererklärung mit von ihm selbst berechneter Schenkungsteuer abzugeben (§ 31 Abs. 1 und 7 ErbStG).
191
Ist die Unterlassungstat nicht bereits zuvor vollendet, so tritt mit der Bekanntgabe eines Schätzungsbescheides, in dem die Steuer zu niedrig festgesetzt wird, Tatvollendung ein.[522] Wird die Steuer in dem Schätzungsbescheid hingegen richtig oder zu hoch festgesetzt, so kann die Unterlassungstat nicht mehr vollendet werden, da kein Verkürzungserfolg eintritt.[523] Wird dem Täter die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bereits vor Bekanntgabe von Schätzungsbescheiden mitgeteilt, ist wegen des Nemo-Tenetur-Grundsatzes für die Annahme vollendeter Taten insoweit kein Raum mehr.[524]
(2) Tatbeendigung bei Veranlagungssteuern
192
Werden Steuererklärungen abgegeben, ist die Tat gleichzeitig mit der Vollendung beendet sobald die Steuer auf Grund der unrichtigen Erklärung zu niedrig festgesetzt und dies dem Steuerpflichtigen durch Steuerbescheid bekannt gegeben ist.[525] Die Beendigung der Hinterziehung durch Unterlassen tritt nach Auffassung des BGH ebenfalls erst mit Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten des Finanzamtes ein.[526] Der Grundsatz „in dubio pro reo“ spielt demnach keine Rolle: Für die Beendigung der Tat und damit für die Frage der Verjährung komme es nämlich nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die Steuern festgesetzt worden wären, wenn der Steuerpflichtige rechtzeitig eine Steuererklärung abgegeben hätte, weil solange die Veranlagungsarbeiten des Finanzamts noch im Gange sind, stets mit der Möglichkeit einer Veranlagung durch Schätzungsbescheid zu rechnen ist. Erst wenn mit allgemeinem Abschluss der Veranlagungsarbeiten des Finanzamts nicht mehr damit zu rechnen ist, dass ein solcher Bescheid noch ergehen wird, liegt eine endgültige Steuerhinterziehung vor und das Tatgeschehen hat über die eigentliche Tatbestandserfüllung hinaus ihren tatsächlichen Abschluss gefunden (allg. zum Verjährungsbeginn siehe § 376 Rn. 31 ff.(35 ff.)).[527]
193
Bei der Hinterziehung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer durch Unterlassen kann nicht auf den allgemeinen Veranlagungsschluss abgestellt werden, da kein kontinuierliches Veranlagungsverfahren stattfindet. Die Rspr. geht von der Tatbeendigung vier Monate nach erfolgter Zuwendung aus.[528] Dazu stellt sie – wie für die Vollendung – auf die dreimonatige Anzeigepflicht des § 30 Abs. 1 ErbStG ab und geht von einer fiktiven Veranlagung nach einem weiteren Monat aus, weil das Finanzamt innerhalb dieser Frist nach § 31 Abs. 1, Abs. 7 ErbStG die Abgabe der Steuererklärung verlangen könnte, in der der Steuerpflichtige die Steuer selbst zu berechnen hätte.[529] Auf die früheste Möglichkeit, die Schenkung anzuzeigen, wird mit der Begründung nicht abgestellt, dass die Verjährung nicht beginnen kann, bevor die Tat begangen wurde, somit erst mit Ablauf der Anzeigefrist gem. § 30 Abs. 1 ErbStG.[530]
(3) Vollendung bei Anmeldungssteuern
194
Werden unrichtige Angaben bei der Anmeldung von Steuern, wie der USt (§ 18 UStG), der Lohnsteuer (§§ 38 ff. EStG), der Kapitalertragsteuer (§§ 43 ff. EStG),