Stunde und danach schlief ich wieder ein. Am nächsten Morgen konnte ich mich an keines der Bilder erinnern oder es verstehen, aber es kam mir wie eine Einweihung vor, nur in und für was? Ich entschloss mich dann, mit dem Meditieren anzufangen, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie das geht. Ich setzte mich einfach abends hin und dachte über Themen wie Freunde und Freundinnen, Lehrer, Verwandte, Erlebnisse usw. nach, schaute mir in Gedanken alles an, was war positiv, was konnte ich davon mitnehmen, und was war negativ und was konnte ich davon verzeihen und loslassen. Nach jedem Thema atmete ich tief ein und aus und es fühlte sich jedes Mal so an, als würde Ballast abgeworfen; mehr oder weniger Ballast je nach Thema. Ich nahm mir vor, sobald ich diese Themen abgeschlossen hätte, würde ich zum Abschluss ein heiliges Bad zur spirituellen Reinigung im Ganges nehmen.
Naga Babas und Yogis
Innerhalb der Kumbh Mela badeten an astrologisch bestimmten Tagen Hunderttausende oder Millionen Pilger im Heiligen Fluss Ganges. Heute war wieder so ein Tag und ich beschloss, nach Haridwar zu fahren, das circa 24 Kilometer von Rishikesh entfernt liegt. In Haridwar angekommen, lief ich lange durch die Straßen und nahm die verschiedensten Eindrücke von Pilgern auf. Da kamen ganze Familien in ihren schönsten Kleidern bis hin zu Bettlern, Familien mit Kranken, einige im Rollstuhl oder auf Liegen, ganz alte Leuten saßen auch auf dem Boden und das alles auf engstem Raum.
Auf einmal fühlte ich eine gewaltige Energie in mir und ich begann zu laufen, so viel Power auf einmal hatte ich noch nie gespürt. Ich lief parallel zu einer abgesperrten Zone, die mit einem Zaun und Tausenden von Polizisten vom normalen Publikum abgesperrt war. Plötzlich sah ich sie zu Tausenden: die Naga Babas (das heißt: mit nichts als einem Lendenschurz und heiliger Asche bekleidete Sadhus, heilige indische Mönche, die während der ganzen Kumbh Mela zugegen sind und aus den entlegensten Orten Indiens zusammenkommen), die Meister und Yogis, die zum Teil seit Jahrzehnten nicht aus ihren Höhlen oder aus dem Himalaya gekommen waren. Die seit Jahrzehnten am Meditieren waren, abgeschieden von allen Menschen und der Zivilisation, manche wie Tiere, manche ganz edel aussehend, doch ein Leuchten ging von ihnen allen aus. Einige hatten Rastahaare bis zum Boden, manche hatten zur Feier des speziellen Baderituals im Ganges die Haare geschnitten. Sie alle kamen, ohne dass man sie gerufen hätte, sie waren nur einem inneren Ruf gefolgt, an diesem Tag ihre Höhlen zu verlassen, um zu baden und sich spirituell zu reinigen, um danach wieder zurückzukehren. Das war ein wahnsinniges Erlebnis und ein gewaltiges Energiebeben in mir.
Manche Yogis waren absichtlich verkrüppelt, um symbolisch das Leid der Menschheit und der Erde zu tragen und manche aus anderen spirituellen Gründen. Wieder andere hatten ein Bein hochgebunden, und dies seit Jahrzehnten. Ich dachte noch, wie kann man sich so etwas antun und warum? Einige, so schien es, liefen gar nicht mehr auf dem Boden, sondern schwebten leicht darüber. Es gab alles, was man sich nur vorstellen kann, und auch was jenseits jeder Vorstellung ist. Doch da waren sie. Yogis mit unermesslichen Kräften und speziellen Fähigkeiten, den Siddhi (Fähigkeiten wie, sich an anderen Orten zu materialisieren, an verschiedenen Orten gleichzeitig zu sein, übers Wasser zu laufen, Knochenbrüche und unheilbare Krankheiten durch eine Berührung zu heilen und vieles Unglaubliche mehr). Da würden wir im Westen von Wundern sprechen und von Dingen, die unmöglich sind. Ich sage euch, diese Kräfte gibt es wirklich, auch wenn ich das damals noch nicht glauben konnte. Der Zug der Yogis hatte mich so in den Bann gezogen, ich war wie hypnotisiert, setzte mich nieder und schaute stundenlang zu, mich faszinierte dieser Anblick.
Am Abend fuhr ich, überflutet von Eindrücken, zurück nach Rishikesh in meinen kleinen Ashram, um alles Erlebte und Erfahrene zu verdauen. Die Eindrücke waren gigantisch für mich. So vieles, von dem ich geglaubt hatte, dass es nicht möglich sei, hatte ich heute gesehen und erlebt. Das Erlebte setzte wiederum eine gigantische Transformation bei mir in Gang. Es zerstörte mein bisheriges Bild vom Leben und der Welt. Es war sehr intensiv und gleichzeitig auch sehr sanft und liebevoll, trotzdem musste ich es erst einmal verarbeiten.
Versöhnung mit meiner Familie
Ich war nun bald einen Monat in Rishikesh und Ostern stand vor der Tür. Ich ging weiterhin morgens zu Yogi ins Yoga, tagsüber zum Philosophieren ins Swiss Cottage und abends vor dem Schlafen meditierte ich. Es kam der Gründonnerstag, ich meditierte über meine Mutter und versöhnte mich wie immer am Ende der Meditation mit ihr. Danach schlief ich ein. Am nächsten Morgen wachte ich auf und machte einen Spaziergang. Gegen Mittag überkam es mich dann, mir wurde schlecht und ich bekam Fieber. Irgendetwas musste raus und wurde innerlich verbrannt und aufgelöst. Am Abend ging es mir schon ein wenig besser und ich konnte im Bett über meinen Vater meditieren. Da hatte sich so einiges bei mir angestaut, da unser Verhältnis nicht immer das Beste war, eigentlich ganz normal bei einem pubertierenden Jungen, dass es da nicht einfach ist zwischen Vater und Sohn, aber ich konnte auch da viel loslassen.
Am nächsten Morgen erwachte ich wiederum ganz frisch, jedoch holte mich auch an diesem Tag die Meditation des Vorabends ein und ich bekam wieder hohes Fieber, so hoch, dass ich am Abend kaum im Sitzen meditieren konnte. Während ich also im Schneidersitz dasaß, kippte ich immer wieder seitlich auf meine Rippen. Ich meditierte an dem Abend über Gott, ihn hatte ich bisher vergessen. In der Schule hatte ich noch öfter an ihn gedacht, auch war er mir über die spannenden Geschichten von Jesus immer sehr nahe gewesen. Danach kamen die Zeiten, in denen die Mädchen und der Ausgang viel wichtiger wurden, sodass ich ihn nach und nach vergessen hatte. Auch mit ihm machte ich zum Schluss mein Versöhnungsritual, danach schlief ich ein.
In der Nacht erwachte ich mit den schlimmsten Bauchkrämpfen, die ich je hatte, und das über Stunden. Mein Körper litt Höllenquallen, doch innerlich fühlte ich mich immer freier und unberührter gegenüber meinem Körper. Ich spürte ihn zwar, merkte jedoch ganz genau, dass mein Wesen und der Körper nicht dasselbe sind, sondern dass ich in diesem Körper wohne, aber ansonsten vollkommen losgelöst von ihm bin.
Meine Freunde aus dem Swiss Cottage hörten von meinem Leid, machten sich Sorgen und kamen vorbei. Als sie mich sahen, wollten sie mich sofort ins Spital bringen, aber ich beruhigte sie und konnte sie davon überzeugen, dass dieser Zustand bald vorbei sein würde, das fühlte ich ganz stark. Hier ist anzufügen, dass sich in mir in diesem Monat in Indien sehr viel getan hatte. Ich war am Erwachen aus dem langen Schlaf der Unbewusstheit und der Illusionen. Meine Intuition erwachte, meine Hellsichtigkeit, mein Hellfühlen und auch mein Hellhören wurden langsam geweckt. Es war alles also vollkommen natürlich.
Es war Ostersonntag und am Ostermontag gab es wieder einen astrologisch vorbestimmten spirituellen Badetag mit rituellen Waschungen bei der Kumbh Mela. Dorthin wollte ich unbedingt, meine Meditationsreihe über meine Familie war fast abgeschlossen, es fehlte nur noch mein geliebter Bruder Marco, daher war ich bereit für die rituellen Waschungen und war bereit zur Reinigung von allen weltlichen Sünden. Ich ging in die Küche des Ashrams, dort saß der Yogi, er sah mich an und sagte, dass er mir nun meinen spirituellen Namen geben würde. Er machte eine Puja (ein indisches Ritual) mit mir und taufte mich auf den Namen Dev Bhavananda. Nun hatte ich zwei Namen und beide gefallen mir.
Am Sonntagabend konnte ich nicht einschlafen, ich war so voller Energie, dass ich mich entschloss loszulaufen, die ganze Nacht Richtung Harridwar zu laufen, um dort am Ostermontag in der Früh mein lang erwartetes spirituelles Bad im Ganges zu nehmen. Ich packte meine sieben Sachen und lief los. Per Zufall lief ich am Swiss Cottage vorbei, es war ungefähr 23 Uhr, da kamen Pati, Hanuman und der Italiener Paolo gerade heraus. Wir sahen uns kurz in die Augen, verstanden uns wortlos und liefen gemeinsam in Richtung Harridwar. Wir liefen stundenlang, ohne zu reden, jeder war versunken in seine Gedanken und seinem Wesen. Ich meditierte über meinen Bruder, mit dem ich die letzten fast 20 Jahre verbracht hatte, in denen wir viel zusammen erlebten. Ich schaute dem vor mir laufenden Pati auf die Fersen und war in einem tranceähnlichen Zustand der Meditation.
Gegen fünf Uhr morgens erreichten wir die Gates, die am Ganges aufgebaut waren. Es war wie in einem religiösen Film, Millionen von Menschen waren am Pilgern und Baden, überall standen Scheinwerfer, es fehlten nur die Kameras. Ich setzte mich irgendwo nieder und beendete meine Versöhnungsmeditation mit meinem Bruder. Ein Polizist wurde auf mich aufmerksam, trat zu mir und pfiff sehr laut auf seiner Trillerpfeife. Ich war so tief versunken, dass ich ihn zwar hörte, mich aber nicht bewegen konnte. Er kam mit der