Martin Zoller

Hellsichtig


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wir eines Tages einen Ausflug zu Pferd. Plötzlich sah ich bewaffnete bärtige Männer einen Hügel vor uns hochrennen. Der Kleidung nach waren sie Guerillas, die, so schien es mir, vor etwas wegrannten. Erst war ich verwirrt, aber bald merkte ich, dass dies die Seelen verstorbener Guerillas waren, die noch keinen Frieden gefunden hatten. Ich erinnerte mich daran, dass ich schon als Kind Begegnungen mit der feinstofflichen Welt hatte, diesen aber nie viel Bedeutung beimaß. Dort bei dem Ausflug war ich gleichzeitig froh und erstaunt, dass ich dieser Welt wieder auf so natürliche Weise verbunden war.

      Es dauerte nicht lange bis zur nächsten Vision, diesmal in Medellin. Dort sah ich mich an einem sonnigen Tag in einem Büchergeschäft um und ging ziellos von Regal zu Regal. Unvermittelt blieb ich vor einem Buch stehen, irgendwie zog es mich stark an. Ich beugte mich darüber, als sich plötzlich der Umschlag bewegte und der abgebildete Mann sich leicht aus dem Umschlag heraushob, ähnlich wie bei einem Hologramm. Ich hatte keine Ahnung, um wen es sich handelte. Erst Wochen später sollte ich ihm in der Schweiz wieder »begegnen«.

      Nach dem Aufenthalt in Kolumbien flog ich zurück in die Schweiz. Eigentlich wollte ich von Südamerika nach Australien weiterreisen. Aber wie so oft im Leben, änderte ich meinen Plan.

      Ich quartierte mich bei meiner Mutter ein. Wie lange ich in der Schweiz bleiben wollte, wusste ich nicht. Sehr genau hingegen spürte ich, dass sich mein Lebensweg gerade veränderte. Ich fing in dieser Zeit an, viel über Meditation zu lesen. Dabei stellte ich fest, dass ich, ohne es zu wissen, schon lange meditiert hatte. Nicht Büchern oder alten Traditionen folgend, sondern meiner eigenen Intuition, und ich traf immer wieder Menschen, die mir halfen, mit meinen Erfahrungen umzugehen.

      Eines Abends, es war schon dunkel, ging ich im nahen Wald spazieren und ließ mich ziellos von meinen Füßen tragen. Plötzlich spürte ich deutlich, dass ich beobachtet wurde. Ich verlangsamte meinen Schritt und sah mich vorsichtig um, entdeckte aber niemanden. Eine innere Stimme forderte mich auf, stehen zu bleiben. Ich gehorchte. Langsam erschien vor mir das Bild eines Mannes in einem orangefarbenen Umhang. Erstaunt stellte ich fest, dass es der Mann war, den ich auf dem Buchumschlag in Medellin gesehen hatte. Wir schauten uns wortlos in die Augen. Nach etwa zwei Minuten löste er sich in der Dunkelheit auf, und ich war wieder allein. Ich versuchte zu verstehen, was ich gerade gesehen hatte, war diese Art von Begegnung für mich damals doch noch sehr ungewöhnlich. In meinen Gedanken versunken ging ich nach Hause.

      Einige Tage darauf machte ich eine andere neue Erfahrung. Ich meditierte gerade im Schlafzimmer bei klassischer Musik. Mit geschlossenen Augen versuchte ich, mich auf nichts zu konzentrieren, alles loszulassen. Plötzlich hatte ich den Eindruck, als ob jemand meinen Namen rufen würde. Ich öffnete meine Augen und sah mich um. Nichts! Ich wollte meine Augen schon wieder schließen, als ich einen hellen Lichtpunkt wahrnahm. Er wurde immer größer und entwickelte sich schließlich zu einem menschlichen Körper. Bald stand ein Wesen vor mir und sah mich an. Langsam streckte es den rechten Arm in die Höhe, bewegte ihn dann nach unten und umschrieb so die Kontur des indischen Subkontinent. Vielleicht für Sekunden, vielleicht auch für Minuten blieb das Wesen vor mir stehen und löste sich dann auf.

      Oft werde ich gefragt, ob ich keine Angst hatte. Aber obwohl ich allein war und das Wesen noch nie vorher gesehen hatte, fühlte ich mich sicher. Dieses Wesen war mir so vertraut, dass sich die Szene völlig natürlich anfühlte. Ich blieb lange sitzen, ging dann zu meiner Mutter in die Küche und erzählte ihr von dieser Begegnung. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, wohin mich meine nächste Reise führen würde.

      Wenige Tage danach löste sich das Geheimnis um den seltsamen Mann auf dem Buchumschlag und dem Wesen im Wald auf. Eine Frau aus der Nachbarschaft, die in den folgenden Jahren eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben spielen sollte, erzählte mir von einer Bekannten, die soeben aus Indien zurückgekommen sei. Sie habe dort in einem Ashram, einer spirituellen Kommune, bei einem Meister gelebt. Ich wusste weder etwas von Ashrams noch von Meistern in Indien, aber spürte ganz deutlich, dass das wichtig für mich sein könnte, daher wollte ich sie unbedingt treffen.

      Bei unserer dann folgenden Begegnung erzählte sie mir von ihren Erfahrungen mit Sai Baba, und ich hörte begeistert zu. Als mir die Frau dann ein Bild von ihm zeigte, traf mich fast der Schlag. Es war der Mann, den ich auf dem Buchumschlag und im Wald gesehen hatte! Nun war mir auch klar, wohin ich in Indien gehen sollte.

      Einige Zeit später flog ich via Mumbai nach Südindien zu Sai Baba. Ich traf im Ashram viele interessante Menschen aus aller Welt. Für mich war Indien, seine Düfte, die Geräusche, Farben und Sprachen neu und faszinierend. Hinzu kamen die spirituellen Erfahrungen, die ich im Ashram tagtäglich erleben durfte. Eine unvorstellbare Menge an Eindrücken und Erfahrungen machten diese Zeit zu einem unvergessenen Erlebnis.

      Eine argentinische Hellseherin nahm sich nach wenigen Tagen meiner an. Sie war mit ihrem Ehemann und der Tochter da. Sie sagte mir direkt, ohne dass ich ihr etwas erzählte, dass auch ich hellsichtig sei, und sie mir helfen werde, meine Sensitivität zu entwickeln.

      Nach zwei Monaten bei Sai Baba lud sie mich ein, mit ihrer Familie nach Pondicherry zu reisen. Der Zufall wollte es, dass Peter, ein Cousin meiner Mutter, dort wohnte, den ich unbedingt besuchen wollte. Gleich am ersten Tag machte ich mich auf die Suche und fand ihn, obwohl ich nichts als seinen Namen kannte. Für uns beide wurde es zu einem sehr speziellen Zusammentreffen. Peter wohnte mit seiner Frau in einem schönen Haus mit Garten an der Strandpromenade. Es war ein typisches Kolonialgebäude mit einem Flachdach und hohen Zimmern.

      Die ersten Tage in Pondicherry verbrachte ich abwechselnd mit den argentinischen Freunden und mit Peter. Aber nach wenigen Tagen mussten die Argentinier nach Hause fliegen, und ich war nun täglich mit Peter zusammen. Von Anfang an faszinierte mich seine riesige Bibliothek, und ein großer Teil der Bücher war in deutscher Sprache.

      Da es oft schwierig ist, in Indien an gute deutsche Bücher zu kommen, stöberte ich immer wieder in seiner Sammlung. Eines Tages fand ich ein Buch über das alte Ägypten und las wahllos darin herum. Plötzlich fielen meine Augen auf ein Wort, das mir kalte Schauer über den Rücken jagte. Es war von einem Hohepriester geschrieben, der zu Beginn der ägyptischen Dynastien gelebt hatte und direkt mit der Sonne in Verbindung stand, sozusagen eine Art Sonnengott. Sein Name war RATA. Nur wenige Wochen zuvor hatte ich im Ashram eine mediale Durchsage erhalten, bei der sich eine Wesenheit mit dem Namen RATA vorstellte. Diese Erfahrung war für mich sehr beeindruckend, da die Existenz der Wesenheit, die sich mit mir in Verbindung gesetzt hatte, sogar geschichtlich niedergeschrieben ist.

      Von Pondy, wie man Pondicherry vor Ort nennt, reiste ich weiter nach Nordindien zu einigen buddhistischen Klostern. In der mystischen Umgebung des Himalayas habe ich auch viel Neues gelernt und kam mehr und mehr zu dem Schluss, dass mein Weg in diesem Leben die mediale Arbeit sei.

      Ich fühlte auch, dass ich meine Fähigkeiten in der westlichen Gesellschaft einsetzen sollte. Nach acht Monaten in Indien überlegte ich, wohin ich als Nächstes reisen sollte. Die Antwort kam schnell und sehr klar in einer medialen Durchsage: Bolivien! Ich kannte das Land von meiner Südamerikareise her, damals war ich drei Monate durch Bolivien gereist und liebte Land und Kultur.

      Ich flog daher über Südafrika nach Argentinien und blieb erst einmal einen Monat bei der Heilerin und Hellseherin, die ich in Indien kennengelernt hatte. Sie führte mich noch tiefer in die Kunst der Medialität ein.

      Später zog ich nach Bolivien und arbeitete dort mit einem amerikanischen Medium zusammen. Wir hielten Vorträge und Seminare und boten Einzelsitzungen an. Die meisten Menschen, die zu mir kamen, wollten wissen, wie ihr spirituelles Leben aussehen könnte oder ob ihr Partner sie betrügen würde. Gelegentlich kam auch ein Geschäftsmann, der wissen wollte, wie sich das kommende Jahr für ihn gestalten oder ob eine Investition Gewinn bringen würde.

      Meine Arbeit war entspannend, ich konnte viel reisen, lernte dabei Kulturen, Menschen und Sprachen kennen. Schön fand ich es, dass die Menschen,