Christine Bortenlänger

Aktien für Dummies


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Gebieten so herausragend, dass sie ungeheuer wertvoll ist. Der Anleger findet das prinzipiell auch, will das Beste aber zum Schnäppchenpreis haben – spätere Gewinne sehr erwünscht. In einem komplizierten Verfahren legen überwiegend die emissionsbegleitenden Banken – kein Unternehmen kann allein an die Börse gehen, sondern wird meistens von mehreren Banken beraten – nach einem »Marktsounding« den Preis fest. Das heißt, die Banken sprechen mit Investoren und fühlen vor, was diese zu zahlen bereit wären. Meist legt man aber keinen exakten Preis fest, sondern eine Preisspanne (Bookbuilding-Verfahren). Als Erfolg gilt dann, wenn der Emissionspreis, also der erste Ausgabepreis einer Aktie an der Börse, im oberen Bereich dieser Preisspanne liegt.

      

Bei einigen Börsengängen, etwa bei Osram oder auch bei der Britischen Royal Mail, gab es den interessanten Fall, dass einige Investoren darüber klagten, der Ausgabepreis sei zu niedrig angesetzt worden, insofern hätten Siemens bei Osram und der britische Staat bei der Royal Mail quasi auf Geld verzichtet. Tatsächlich schossen bei beiden Papieren die Kurse, nachdem sie an der Börse notiert waren, anhaltend nach oben, ein Indiz dafür, dass der Ausgabepreis eher niedrig gewählt wurde. Komisch nur, dass die gleichen Investoren im Vorfeld partout nicht mehr hatten zahlen wollen.

       Das Menetekel aus Bonn

      Bis heute beeinflusst wohl kaum ein Börsengang die Anlegermeinung in Deutschland oder besser die Haltung zur Aktie so sehr wie der Börsengang der Deutschen Telekom im Jahr 1996. An kaum einem anderen Börsengang kann man aber auch die Fehler von Unternehmen wie Aktionären so deutlich aufzeigen wie hier. Denn die T-Aktie wurde als »Volksaktie« vorgestellt und mit einem Etat von schätzungsweise 100 Millionen D-Mark beworben. Zugpferd war der damals sehr beliebte Schauspieler und Hamburger Tatort-Kommissar Manfred Krug. Sein Spruch zur Aktie: »Das ist der helle Wahnsinn, was die Telekom alles draufhat.« Das klang einfach und überzeugend. Bei der Roadshow – also der Vorstellung von Unternehmen und Aktie bei den Investoren – legten der damalige Telekom-Chef Ron Sommer und seine Manager insgesamt 40.000 Kilometer zurück und klapperten 44 Städte in 16 Ländern von Amsterdam bis Tokio und von Abu Dhabi bis Seattle ab. Ron Sommer besuchte gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl auch die Börse in Tokio. Der Bundeskanzler, völlig überzeugt von der Aktie, empfahl seinem Amtskollegen Ryutaro Hashimoto sogar den Kauf von Telekom-Aktien. Ob der Japaner zugeschlagen hat, ist nicht überliefert.

      Der Erfolg stellte sich entsprechend ein: Die Aktie war fünffach überzeichnet. Das heißt, dass gar nicht alle, die eine solche Aktie haben wollten, auch tatsächlich eine bekamen – zum Schluss entschied das Los. Der Kurs schnellte in die Höhe, wie immer, wenn es mehr Nachfrager als Verkäufer gibt. Während der erste Handelspreis an der Börse noch bei 28,50 D-Mark lag, kletterte der Kurs schon am ersten Tag auf 33,90 D-Mark – eine Steigerung um 18 Prozent! Der Börsengang spülte umgerechnet rund 10 Milliarden Euro in die Kassen der Telekom und des Bundes, 350 Millionen Euro erhielten die beteiligten Banken als Provision. Das waren fast alle großen Kreditinstitute, was gleichzeitig den schönen Effekt hatte, dass fast jeder Anleger die Chance hatte, an die Aktie zu kommen. Denn es erleichtert die Zeichnung von Aktien, wenn die Anleger bei einer der Emissionsbanken auch ihr Konto, ihr Depot, eingerichtet haben. Gefeiert wurde der Börsenerfolg spektakulär im Guggenheim-Museum in New York und Liza Minelli sang: »If you can make it there, you can make it anywhere.«

      Was lernen wir daraus? Eine große Marketingmaschinerie ist noch kein Garant für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens an der Börse, sondern eher für einen kurzfristigen Hype der Kurse. Ein Blick der Anleger auf Konkurrenzunternehmen oder die Geschäftsentwicklung der Deutschen Telekom hätte durchaus für Skepsis und einen früheren Ausstieg sorgen können. Aber psychologisch – wie in Kapitel 5 noch ausgeführt wird – neigen wir leider alle dazu, an Verlustbringern treulich festzuhalten und uns von den eigentlichen Chancen zu früh zu trennen. Wir vertrauen auch zu gerne dem Rat von Dritten, sogar wenn es nur ein bekannter Filmschauspieler in einem Werbespot ist. Immerhin können wir diesem als Sündenbock dann die Schuld für unsere eigene Fehlentscheidung problemlos zuschustern.

      Fünffach überzeichnet war die Telekom-Aktie damals, doch was bedeutet das konkret? Meist haben Privatanleger dabei schlechtere Karten. In diesem Fall werden nämlich zuerst die institutionellen Anleger, also Fondsgesellschaften oder Versicherungen, die einen bestimmten Anteil ihres verwalteten Vermögens in Aktien anlegen, bedient, und erst dann kommen die Normalanleger zum Zuge. Man spricht in diesem Fall von der Zuteilung einer Aktie. Oftmals entscheidet das Los, wer wie viele Aktien bekommt.

       Börsengänge leicht gemacht

      Wie kann man den aufwändigen Börsengang gerade für junge, Hightech-, Internet- oder eCommerce-Unternehmen mit komplizierten Geschäftsmodellen und übersichtlichen Umsätzen, aber überzeugenden Zukunftsaussichten erleichtern, ja überhaupt ermöglichen? Dazu gibt es ein schon älteres Modell, das jetzt aber wieder groß in Mode kam und eine Renaissance erlebte: Special Purpose Acquisitions Companies (SPACs), eingedeutscht sind das Börsenmäntel. Selbstverständlich kam auch diese Welle aus den USA, hat jedoch in Deutschland einige Freunde gefunden, die diese Welle mit Bravour reiten. Aber was verbirgt sich dahinter?

      Beim SPAC geht erst der leere Sack an die Börse und füllt sich später mit einer schönen Angorakatze oder einem räudigen Straßenkater, das ist ungewiss. Die Anleger wissen es nicht, sie müssen jenen vertrauen, die den Mantel an die Börse gebracht haben. Diese müssen nämlich innerhalb von zwei Jahren ein interessantes Unternehmen gefunden haben, um es in den Sack zu stecken. Diese SPAC-Kreatoren nennt man Sponsoren und sie bekommen meist ein größeres Aktienpaket kostenlos ins Depot überwiesen – für sie lohnt es sich also allemal. Gelingt es ihnen nicht, ein attraktives Unternehmen zu finden, müssen sie nach zwei Jahren das Geld an die Investoren zurückzahlen. Für die Unternehmen erleichtert das den Börsengang, sie ziehen sich einfach nur den Mantel an. In den USA brachten diese Vehikel in der ersten Hälfte des Jahres 2021 schon mehr und größere Deals an die Börse als die klassischen IPOs. In Frankfurt wurden 2021 etwa die OtoTech Acquisition SE, die 468 SPAC I SE und die Lakestar SPAC I SE gelistet. Aber: Als Privatanleger sollte man in solche SPACs nur wirklich überschüssiges Geld investieren, denn das Risiko ist höher als bei einem klassischen Börsengang.

       Der Reiz des Neuen

      Erst der Internet-Crash 2000, dann