Johann Gottfried Herder

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang


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Zorn wider GOTT handeln könne.«

      56Den Kirchenliederischen Fall dieses Abschnittes wird der andächtige Leser selbst ergänzen. Mein Gedächtnis verläßt mich aus bloßem Eigensinn; – Semper ad euentum – – & quae desperat – relinquit.

      572 Petr. II, 8.

      58Siehe zu Lowthii Praelect. XV. die 76. Note des Herausgebers. Algarotti. Vol. III.

      59 Sanft schleichet sich der Reim ins Herz, wenn er sich ungezwungen findet; Er stützt und ziert die Harmonie, und leimt die Rede ins Gedächtnis. Elegien und Briefe. Strasburg, 1760.

      60Siehe zu Lowths dritten Vorlesung die vierte Anmerkung des Herausgebers S. 149 und im dritten Theil der Briefe die neueste Litteratur betreffend den ein und funfzigsten.

      61Würde es nicht poßierlich seyn, wenn Herr Klopstock seinem Setzer, oder einer Margot la Ravaudeuse, wie die Muse des Philologen ist, die Ursachen angeben wollte, warum er seine dichterische Empfindungen, die qualitates occultas für den Pöbel zum Gegenstande haben und in galanter Sprache Empfindungen par excellence heissen, mit abgesetzten Zeilen drucken läßt. Ohngeachtet meiner kauderwelschen Mundart würde ich sehr willig seyn, des Herrn Klopstocks prosaische Schreibart für ein Muster von klaßischer Vollkommenheit zu erkennen. Aus kleinen Proben davon trau ich diesem Autor eine so tiefe Kenntnis seiner Muttersprache, und besonders ihrer Prosodie zu, daß sein musikalisches Sylbenmaaß einem Sänger, der nicht gemein seyn will, zum Feyerkleide der lyrischen Dichtkunst am angemessensten zu seyn scheint. – Ich unterscheide die Originalstücke unsers Assaphs von seinen Verwandlungen der alten Kirchenlieder, ja selbst von seiner Epopee, deren Geschichte bekannt, und mit Miltons seiner, wo nicht ganz, doch im Profil, ähnlich ist.

      62– οι ραψωδοι – ερμηνεων ερμενεις. Sokrates in Platons Ion.

      63Procop. de bello persico. I. 18.

      64Asteriscus illucescere facit; obeliscus iugulat et confodit: Hieronymus in praefat. Pentateuchi. Conf. Laertius in Platone. Ein geschickter Gebrauch dieser massoretischen Zeichen könnte eben so gut dienen, die salomonischen Schriften zu verjüngen, als einer der neuesten Ausleger zween Briefe Pauli durch die Methode der §. §. und Tabellen erläutert hat.

      Heinrich Wilhelm von Gerstenberg

       Inhaltsverzeichnis

      Ugolino

       Inhaltsverzeichnis

       Vorbericht

       Erster Aufzug

       Zweiter Aufzug

       Dritter Aufzug

       Vierter Aufzug

       Fünfter Aufzug

      Vorbericht

       Inhaltsverzeichnis

      Die Geschichte dieses Drama ist aus dem Dante bekannt.

      Ugolino, Graf von Gherardesca, und seine drei Söhne sind die Personen.

      Die Zeit der Vorstellung eine stürmische Nacht.

      Die Szene ein schwach erleuchtetes Zimmer im Thurm.

      Erster Aufzug

       Inhaltsverzeichnis

      Anselmo. Hilf dem armen Gaddo, mein Vater! Sein Anblick dringt mir ans Herz.

      Ugolino. Guten Mut, mein wackrer Anselmo. – Armer Gaddo!

      Gaddo. Ach, mein Vater!

      Anselmo. Ich dachte nicht, daß es so böse Menschen auf der Welt geben könnte. Warum hat der Thurmwärter dem armen Gaddo nichts zu essen gebracht? Ein tückischer Mann, der Thurmwärter!

      Ugolino. Er kann krank sein; es kann ihn ein Unglück betroffen haben. Er ist unschuldig an unserm Hunger.

      Anselmo. Hungert dich denn auch, mein Vater?

      Ugolino. Dich nicht, mein Lieber?

      Anselmo. Mich dünkt, daß mich weniger hungern würde, wenn der arme Gaddo zu essen hätte. Ich kann sein eingefallnes bleiches Gesicht nicht ohne Schmerz ansehen. (umarmt Gaddo.)

      Ugolino. Armer Gaddo!

      Gaddo. Sei nicht traurig, mein Vater.

      Anselmo. Sieh, mein Vater, ich bin nicht traurig. (Trocknet sich die Augen ab.) Ich bin nur müde.

      Ugolino. Und müßt ihr meine Tröster sein? Ha! es ist bitter.

      Anselmo. Du sagtest, dem Thurmwärter sei ein Unglück begegnet. Ist denn niemand, der ihm den Liebesdienst tun könne, statt seiner zu kommen? Es ist doch unbillig, daß Gaddo nicht essen soll. Kein Weib, keine Tochter, kein Blutsfreund?

      Ugolino. Ich hoffe, mein Anselmo, daß jemand für ihn kommen werde.

      Anselmo. Die Bedauernswürdigen haben unsrer vielleicht über dem Unglück des Mannes vergessen.

      Ugolino. So ist's.

      Anselmo. Ich bedaure sie von Herzen.

      Ugolino. Gott wird dich wieder bedauern, mein Geliebter.

      Anselmo. Und den kranken Gaddo.

      Ugolino. Uns alle.

      Anselmo. Dich? Und ein Gott müßt es nur sein, der dich bedauerte. Von der Welt braucht ein so großer Mann, wie du, nicht bedauert zu werden. Meine Mutter hat mir oft gesagt, daß du ein sehr großer Mann bist; jedermann sagt es. Wenn ich ein Mann wäre, ich will nicht träumen, ein großer Mann: denn was habe ich, ich Pflanze! getan, daß ich ein Mann sein könnte, wie du? aber wenn ich ein Mann wäre, niemand sollte mich bedauern.

      Ugolino. Wie das?

      Anselmo. Doch itzt besinne ich mich: ich müßte auch ein freier Mann sein; nicht im finstern Thurm eingesperrt sitzen; frei müßt ich sein; frei meine Hand (sie würde dann Nerve haben;) frei dieser Arm – ha!

      Ugolino. Du schweigst? du glühst? Rede weiter, mein Sohn Anselmo.

      Anselmo. Mein Vater! (seinen Arm um seinen Vater schlingend) Großer Mann! schäme dich meiner nicht, daß ich erröte! Ah, Gherardesca, nenne mich noch einmal deinen Sohn Anselmo!

      Ugolino. Mein geliebter, mein edler Sohn Anselmo! Mein männlicher Sohn Anselmo!

      Anselmo. (auf und ab gehend) Ich bin nur dreizehn Jahre alt: aber Ugolino Gherardesca hat mich seinen Sohn genannt. Männlicher Sohn ist zu viel: aber genug, Gherardesca hat mich seinen Sohn genannt! Zittre du, o du, den ich jetzt denke, zittre vor dem Sohne Gherardescas, wenn er ein Mann sein wird!

      Ugolino. Welch großer Gedanke drängt sich, und keimt auf in deiner zarten Seele? Bewundernswürdig!

      Anselmo. Ein Sprung vom Thurme, sagte Francesco, ist ein kühner Gedanke: allein