Johann Gottfried Herder

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang


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Zweyter Abschnitt.

       Dritter Abschnitt.

      Mit einer doppelten Zuschrift an Niemand und an Zween.

       Inhaltsverzeichnis

      O curas hominum! o quantum est in rebus inane!

       Quis leget haec? – – – Min' tu istud ais? – –

       Nemo hercule – – Nemo? –

       Vel DVO vel NEMO – – –

      Pers.

       Amsterdam, 1759.

      An das Publicum,

       oder

       Niemand, den Kundbaren.

       Inhaltsverzeichnis

      – οδ' ΟΥΤΙΣ, που 'στιν; – –

       Eurip. Κυκλοψ.

      Du führst einen Namen, und brauchst keinen Beweis Deines Daseyns, Du findest Glauben, und thust keine Zeichen denselben zu verdienen, Du erhältst Ehre, und hast weder Begrif noch Gefühl davon. Wir wissen, daß es keinen Götzen in der Welt giebt. Ein Mensch bist Du auch nicht; doch must Du ein menschlich Bild seyn, das der Aberglaube vergöttert hat. Es fehlt Dir nicht an Augen und Ohren, die aber nicht sehen, nicht hören; und das künstliche Auge, das Du machst, das künstliche Ohr, das Du pflanzest, ist, gleich den Deinigen, blind und taub. Du must alles wissen, und lernst nichts; Du must alles richten , und verstehst nichts, lernst immerdar, und kannst nimmer zur Erkenntnis der Wahrheit kommen; Du dichtest, hast zu schaffen, bist über Feld, oder schläfst vielleicht, wenn Deine Priester laut ruffen, und Du ihnen und ihrem Spötter mit Feuer antworten solltest. Dir werden täglich Opfer gebracht, die andere auf Deine Rechnung verzehren, um aus Deinen starken Mahlzeiten Dein Leben wahrscheinlich zu machen. So eckel Du bist, nimmst Du doch mit allem für lieb, wenn man nur nicht leer vor Dir erscheint. Ich werfe mich wie der Philosoph zu den erhörenden Füssen eines Tyrannen. Meine Gabe besteht in nichts als Küchlein, von denen ein Gott, wie Du, einst barst. Überlaß sie daher einem Paar Deiner Anbeter, die ich durch diese Pillen von dem Dienst Deiner Eitelkeit zu reinigen wünsche.

      Weil Du die Züge menschlicher Unwissenheit und Neugierde an Deinem Gesichte trägst; so will ich Dir beichten, wer die Zween sind, denen ich durch Deine Hände diesen frommen Betrug spielen will. Der erste arbeitet am Stein der Weisen, wie ein Menschenfreund, der ihn für ein Mittel ansieht, den Fleiß, die bürgerliche Tugenden und das Wohl des gemeinen Wesens zu befördern. Ich habe für ihn in der mystischen Sprache eines Sophisten geschrieben; weil Weisheit immer das verborgenste Geheimnis der Politick bleiben wird, wenn gleich die Alchymie zu ihren Zweck kommt, alle die Menschen reich zu machen, welche durch des Marqvis von Mirabeau fruchtbare Maximen bald! Frankreich bevölkern müssen. Nach dem heutigen Plan der Welt bleibt die Kunst Gold zu machen also mit Recht das höchste Project und höchste Gut unserer Staatsklugen.

      Der andere möchte einen so allgemeinen Weltweisen und guten Münzwaradein abgeben, als Newton war. Kein Theil der Kritick ist sicherer, als die man für Gold und Silber erfunden hat. Daher kann die Verwirrung in dem Münzwesen Deutschlands so groß nicht seyn, als die in die Lehrbücher eingeschlichen, so unter uns gang und gebe sind. Es fehlt uns an richtigen Verhältnis-Tabellen, die uns bestimmen, wie viellöthig an Korn und Schrot ein Einfall seyn müsse, wenn er eine Wahrheit gelten soll u. s. w.

      Ω Ζευ, τι δη χρυσον μεν ος κιβδηλος η,

       Τεκμηρι' ανθρωποισιν ωπασας σαφη

       Ανδρων δ' οτω χρη τον κακον διειδεναι

       Ουδεις χαρακτηρ εμπεφυκε σωματι

       Euripides Medea.

      Weil diese Küchlein nicht gekaut, sondern geschluckt werden müssen, gleich denjenigen, so die Cosmische Familie zu Florenz in ihr Wapen aufnahm; so sind sie nicht für den Geschmack gemacht. Was ihre Wirkungen anbetrift; so lernte bey einem ähnlichen Gefühl derselben Vespasian zuerst das Glück Deines Namens erkennen, und soll auf einem Stuhl, der nicht sein Thron war, ausgeruffen haben: VTI PVTO, DEVS FIO!

      An die Zween.

       Inhaltsverzeichnis

      – – σμικρα μεν ταδ', αλλ' ομως

       α 'χω – – –

       Sophocles in Electra.

      Das Publicum in Griechenland laß die Denkwürdigkeiten des Aristoteles über die Naturgeschichte der Thiere, und Alexander verstand sie. Wo ein gemeiner Leser nichts als Schimmel sehen möchte, wird der Affect der Freundschaft Ihnen, Meine Herren, in diesen Blättern vielleicht ein mikroskopisch Wäldchen entdecken.

      Ich habe über den Sokrates auf eine sokratische Art geschrieben. Die Analogie war die Seele seiner Schlüsse, und er gab ihnen die Ironie zu ihrem Leibe. Ungewißheit und Zuversicht mögen mir so eigenthümlich seyn als sie wollen; so müssen sie hier doch als ästhetische Nachahmungen betrachtet werden.

      In den Werken des Xenophons herrscht eine abergläubische, und in Platons eine schwärmerische Andacht; eine Ader ähnlicher Empfindungen läuft daher durch alle Theile dieser mimischen Arbeit. Es würde mir am leichtesten gewesen seyn denen Heyden in ihrer Freymüthigkeit hierin näher zu kommen; ich habe mich aber bequemen müssen meiner Religion den Schleyer zu borgen, den ein patriotischer St. John und platonischer Shaftesbury für ihren Unglauben und Misglauben gewebt haben.

      Sokrates war, meine Herren, kein gemeiner Kunstrichter. Er unterschied in den Schriften des Heraklitus, dasjenige, was er nicht verstand, von dem, was er darin verstand, und that eine sehr billige und bescheidene Vermuthung von dem Verständlichen auf das Unverständliche. Bey dieser Gelegenheit redete Sokrates von Lesern, welche schwimmen könnten. Ein Zusammenfluß von Ideen und Empfindungen in jener lebenden Elegie vom Philosophen machte desselben Sätze vielleicht zu einer Menge kleiner Inseln, zu deren Gemeinschaft Brücken und Fähren der Methode fehlten.

      Da Sie beyde meine Freunde sind; so wird mir Ihr partheyisch Lob und Ihr partheyischer Tadel gleich angenehm seyn. Ich bin etc.

      Einleitung.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Geschichte der Philosophie ist es wie der Bildsäule des französischen Staatsministers ergangen. Ein grosser Künstler zeigte seinen Meissel daran; ein Monarch, der Name eines ganzen Jahrhunderts, gab die Unkosten zum Denkmal und bewunderte das Geschöpf seines Unterthanen; der Scythe aber, der auf sein Handwerk reisete, und wie Noah oder der Galiläer des Projektmachers, Julians, ein Zimmermann wurde, um der Gott seines Volks zu seyn, dieser Scythe begieng eine Schwachheit, deren Andenken ihn allein verewigen könnte. Er lief auf den Marmor zu, both grosmüthig dem stummen Stein die Hälfte seines weiten Reichs an, wenn er ihn lehren wollte, die andere Hälfte zu regieren. Sollte unsere Historie Mythologie werden; so wird diese Umarmung eines leblosen Lehrers, der ohne Eigennutz Wunder der Erfüllung gethan,