1849 und der Zerfall der Frankfurter Nationalversammlung
Preußens Juden in der 1848er-Revolution, ihre politischen Einstellungen und Positionierungen
Kapitel 5 Das Reaktionsjahrzehnt
Die „Neue Preußische Zeitung“: Judenfeindliche Hetze und die jüdischen Abwehrbemühungen
Das Bemühen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen
Die „Urwähler-Zeitung“: Bespitzelungen, Durchsuchungen und Konfiskationen
Das Exil in London: Streitereien und Positionierungen
Am Siedepunkt: Die judenfeindliche Hetze und der Petitionssturm
Der Wendepunkt: Bruno Bauer, Hermann Wagener und die Anfänge des deutschen Rassenantisemitismus
Paranoide Ängste: Der König, das Volk und die Revolution
Kapitel 6 Andere Zeiten, andere Umstände
„Unsere Zeit ist noch nicht gekommen“: Johann Jacoby und der Beginn der „Neuen Ära“
Die Infragestellung der Geschlechterrollen: Fanny Lewald, Jenny Hirsch und Ludmilla Assing
Einheitsbestrebungen: Der „Deutsche Nationalverein“
Im Kreis der Genossenschaftler: A. Bernsteins Sympathien für Hermann Schulze-Delitzsch
Der „rote“ Preuße: Ferdinand Lassalle und die Anfänge der Arbeiterbewegung
Attacken: A. Bernstein über Ferdinand Lassalle und vice versa
Das liberal-demokratische Lager: Otto von Bismarck zwischen Kritik und bewundernder Zustimmung
Das Einknicken der Liberalen: Bismarcks Außenpolitik als Instrument der politischen Disziplinierung
Die Weichenstellung: A. Bernstein, Johann Jacoby und das Schicksalsjahr 1866
Mehr Einheit, weniger Freiheit: Heinrich Bernhard Oppenheim, Eduard Lasker und Ludwig Bamberger
Quellen- und Literaturverzeichnis
Vorwort
Preußen und die Juden, die Juden und Preußen – was markierte, was bestimmte ihr gegenseitiges Verhältnis vor dem Hintergrund der epochalen Umbrüche ab Ende des 18. Jahrhunderts? War es nur kühler Pragmatismus, Distanz, so etwas wie ein hoffnungsvolles Annähern – oder doch eher Gespaltenheit und Hass-Liebe? Welches Bild auch immer entsteht: Am Anfang stand zweifellos eine Art Nichtverhältnis – oder genauer formuliert: eine Nichtbeziehung.
Wohl bemühten sich Juden, nachdem man einigen von ihnen, die aus Wien mit ihren Familien zugezogen waren, im Jahre 1671 gestattet hatte, in Brandenburg ansässig zu werden, um die Erlangung dauerhafter Aufenthalts- und Bleiberechte. Diese wurden ihnen aber in der Regel seitens der jeweiligen Herrscher und Behörden nur in einigen wenigen Ausnahmefällen gewährt. Normalerweise wurden ihnen diese verwehrt.
Spätestens ab dem späten 18. Jahrhundert sollten, ja mussten diese Zustände zum Kampf um die rechtliche Emanzipation herausfordern. Vertreter der jüdischen Bevölkerung, meist Kaufleute, die bestimmte Privilegien besaßen, erkannten rasch, dass es um mehr ging als nur um ein paar gesetzliche Änderungen von Rahmenbedingungen. Ein ganzes Land war zu reformieren – und notfalls auch zu „revolutionieren“. Der Weg dorthin aber war steinig, gefährlich und langwierig.
Preußen am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert war mehrheitlich von einer christlich geprägten Bevölkerung bewohnt und von traditionell gewachsenen, religiösen Vorurteilen geprägt. Die Juden, das waren in den Augen der Mehrheitsgesellschaft die Anderen, die Zugezogenen, diejenigen, von denen man sich abgrenzte. Diffuse Hassgefühle und soziale Konkurrenzängste, meist mit Neidgefühlen verbunden, bestimmten die Sicht auf die jüdische Minderheit. Bei den tonangebenden Eliten herrschte Konsens, dass es „sinnvoll“ sei, die jüdische Minderheit auf Abstand zu halten und ihr keine allzu großen politischen bzw. rechtlichen Zugeständnisse zu machen.
Aus (damaliger) jüdischer Sicht könnte man wohl bei dieser höchst problematischen Beziehung mit Bezug auf den Kafka-Freund und Schriftsteller Max Brod deshalb wohl eher von einer Art „Distanzliebe“ sprechen. Dieser Begriff, den Brod bekanntlich in den 1920er Jahren geprägt hat, diente diesem dazu, das komplizierte Beziehungsverhältnis von Deutschen und Juden, oder präziser das Verhältnis von Deutschtum und Judentum in der Zeit vor 1933 zu beschreiben.
Einiges spricht dafür, dass der Begriff „Distanzliebe“, wie er einst von Max Brod formuliert wurde, auch auf das Verhältnis von Juden und Preußen in der Epoche des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts angewendet werden kann – zumindest, wenn man die Konstellation aus der jüdischen Perspektive betrachtet. Man lebte als Jude beziehungsweise als Jüdin in Preußen, war halbwegs zufrieden, hatte aber Schwierigkeiten, sich mit den rechtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen zu arrangieren.
Bis zum beginnenden 19. Jahrhundert hatten Nichtjuden und Juden in den deutschen Staaten nur in Ausnahmefällen Umgang miteinander, was damit zusammenhing, dass das Verhältnis zueinander mit einem