Nancy Salchow

Der Bastard, mein Herz und ich


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      Mit dem Kichern eines Schulmädchens puffe ich ihm gegen die Brust, die in genau diesem Moment zu vibrieren beginnt.

      Leicht erschrocken zieht er sein Handy aus der Brusttasche seines Sakkos.

      „Antonia.“

      Ich spüre, wie ich allein beim Erwähnen des Frauennamens zusammenzucke. Und mit einem Schlag sind sie wieder da, meine Zweifel und der erste Eindruck, den ich von ihm hatte.

      „Nein, morgen ist es ungünstig“, sagt er, während er mir den Rücken zuwendet. „Da bin ich schon voll mit Terminen … nein, da auch nicht … tut mir leid, Antonia, aber ich habe dir doch gesagt, dass … ja, genau, und das habe ich auch so gemeint.“

      Stille breitet sich aus. Ich stehe zu weit weg, um zu hören, was sie sagt. Alles, was ich sehe, ist sein Rücken, der sich wie ein Symbol zwischen unseren gerade erst verstrichenen Moment der zärtlichen Nähe und meine Ahnung stellt, dass er eben doch ein Mistkerl ist.

      „Wenn du das so siehst, tut es mir leid“, sagt er selbstbewusst. „Aber es wird dir nicht gelingen, mir ein schlechtes Gewissen einzureden.“

      Dann ist das Telefon beendet.

      So schnell, wie er das Handy aus seiner Brusttasche gezogen hat, schiebt er es wieder zurück.

      Nach einem kurzen Räuspern dreht er sich wieder zu mir um, als hätte er sich nur schnell für eine Rolle sammeln müssen, die er mir nun vorspielen möchte.

      „Ich hasse es, Leute abzuwimmeln“, sagt er. „Und vor allem hasse ich es, wenn ich es mehrmals tun muss, weil sie es beim ersten Mal nicht begreifen wollen.“

      „Mir scheint, als müsstest du vor allem Frauen abwimmeln“, entgegne ich mit reserviertem Lächeln.

      „Frauen?“ Er hebt seine Augenbrauen, als wüsste er nicht, wovon ich rede.

      „Na ja, ich kenne dich erst seit anderthalb Tagen, aber habe dich jetzt bereits bei der vierten Abfuhr erlebt. Entweder am Telefon oder live in deinem Hotel.“

      „Oh, du meinst das mit Tanja gestern?“

      „Unter anderem.“ Mein Gesicht versteinert sich.

      „Das ist eine lange Geschichte“, antwortet er.

      „Dann erzähl sie mir doch. Ich bin gut im Zuhören.“

      „Wenn ich darüber reden würde, würde ich ein Versprechen brechen“, antwortet er so ruhig, als unterhielten wir uns über Benzinpreise.

      „Verstehe.“ Ich presse meine Lippen aufeinander. „Erst die Sache mit deinem Vater, dann das jetzt. Vermutlich ist es tatsächlich zu viel verlangt, dass du mir schon so früh vertraust.“

      Ich suche nach den richtigen Worten, finde aber nur einen kläglichen Ersatz für das, was ich wirklich denke.

      „Vielleicht ist es besser“, sage ich schließlich, „wenn ich jetzt heimfahre und mit der eigentlichen Arbeit am Artikel beginne. Ich denke, ich habe jetzt genügend Material zusammen, um ein authentisches Porträt von dir zu erstellen.“

      Die plötzliche Abkühlung meiner Stimme scheint ihn zu erschrecken.

      „Sina.“ Er kommt näher. „Du, du verstehst da etwas falsch.“

      „Weißt du, wenn ich es mir recht überlege, will ich die Details gar nicht wissen.“

      Erst jetzt scheint er zu begreifen, worum es mir wirklich geht. Wie erleuchtet schaut er mich an. „Jetzt verstehe ich, was du meinst. Du denkst, all diese Frauen und ich – dass da was läuft, richtig?“

      Mein Stolz hindert mich daran, ihm zu antworten.

      „Oh Sina.“ Er lacht. „Glaub mir, das könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Das mit diesen Frauen, das ist nur … geschäftlich.“

      „Bitte, Alwin, beleidige nicht meine Intelligenz, ja? Diese Frau im Restaurant war so was von verknallt in dich, das hat man schon auf den ersten Blick gemerkt.“

      „Kann schon sein, ja. Aber das ist ihr Problem, nicht meins. Ich habe ihr jedenfalls keine falschen Hoffnungen gemacht, weil es in unseren Gesprächen lediglich darum ging, dass … ach Sina, ich habe dir doch gesagt, dass ich ein Versprechen brechen würde, wenn ich darüber rede. Ich habe dich eigentlich für eine Frau der Marke coole Socke gehalten, die über den Dingen steht.“

      Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Ach, komm schon, Alwin, glaubst du wirklich, dass es solche ach so coolen Frauen gibt? Niemand von uns ist wirklich cool, wenn es um Gefühle geht. Und wenn, dann eben nur so lange, wie wir uns unserer Sache sicher sind. Oder eben, weil wir wollen, dass es so aussieht, als seien wir die Gelassenheit in Person. Aber egal ob cool oder verunsichert, keine Frau lässt sich gern verarschen. Alles, was ich weiß, ist, dass ich keine von denen sein werde, die dich in ein paar Wochen anrufen und dann ein Du redest mir kein schlechtes Gewissen ein als Antwort bekommen. Dafür bin ich mir zu schade.“

      Ich spüre deutlich, dass er mich berühren will, aber vor meiner Selbstsicherheit zurückschreckt.

      „Denkst du etwa wirklich, dass ich mit all diesen Frauen etwas hatte?“ Er lacht ungläubig. „Komm schon, Sina. Ich bin vielleicht erfolgreich, aber kein Hugh Hefner.“

      „Schon okay, Alwin, es geht mich doch im Grunde gar nichts an. Wir bereiten gemeinsam einen Artikel vor, das ist alles.“

      „Ich will aber nicht, dass du diesen Eindruck von mir hast, verdammt.“ Nun greift er doch nach meiner Hand. „Reicht es dir wirklich nicht, wenn ich dir sage, dass du mir vertrauen kannst? Wenn zwischen uns wirklich diese besondere Anziehung ist, von der wir gesprochen haben, muss dir doch klar sein, dass ich es ernst mit dir meine. Oder würdest du dich von einem Arschloch angezogen fühlen, das mehrere Frauen gleichzeitig hat?“

      Die Eindringlichkeit, mit der er das sagt, lässt meine Vermutungen von einem Moment auf den anderen lächerlich erscheinen.

      Wer bin ich, dass er mir Rechenschaft schuldig ist?

      Und wieso überkommt mich dieses vertraute Gefühl, wenn er mich auf diese Weise anschaut? Dieses Gefühl, dass alles gut und echt und rein ist, was uns verbindet?

      Ich spüre seinen Atem an meiner Wange, so nah und warm, dass alles andere egal wird.

      Was haben mir all meine konfusen Gedanken in vergangenen Beziehungen und Affären schon gebracht? Was, wenn es vielmehr darauf ankommt, ausschließlich auf sein Herz zu hören und endlich einmal etwas zu riskieren?

      „Du bist mir nichts schuldig“, sage ich leise.

      „Ich will dir aber etwas schuldig sein“, antwortet er. „Mindestens Vertrauen. Und ich vertraue dir. So wie du auch mir vertrauen kannst.“

      Ich spüre seine Lippen an meinen Wangen, seine Finger an meinem Hals. Unaufdringlich und doch voller Begehren.

      Als sein Mund meinen berührt, weiß ich, dass ich ihn will. Egal, ob wir uns kennen oder nur glauben, es zu tun.

      Meine Hände wandern wie von selbst unter sein Hemd, während seine Finger meine Hüften umspielen.

      „Wir sollten weniger reden“, sage ich. „Das führt nur zu Missverständnissen.“

      „Ich rede gern mit dir.“ Lachend stößt er heißen Atem aus, der meine Lippen streift.

      Erst jetzt wird mir bewusst, dass dieser Teil des Strandes tatsächlich so gut wie leergefegt ist. Trotzdem fühle ich mich unbehaglich, mich derart in der Öffentlichkeit gehen zu lassen.

      Alwin scheint es ähnlich zu gehen. Er sucht in meinen Augen nach einer Art von Einverständnis.

      Innerhalb von Sekunden sind alle Fragen zwischen uns wortlos beantwortet. Er nimmt mich an die Hand und zieht mich sanft am Schilf vorbei einen kleinen Pfad hinauf. Oben angekommen, wo das Schilf am höchsten und die Sicht auf das Wasser beinahe gänzlich verstellt ist, fällt mein Blick auf