führte ich manchmal interessante Diskussionen über die Geschichte. Da ich künstlerisch begabt war, leitete ich die Gruppe, die sich mit Schmiedekunst beschäftigte, und machte verschiedene Plakate für die Schule. Das konnte auch dazu beitragen, dass er mir diese Auszeichnung auf dem Appell erteilte. Ich glaube aber, dass unsere Gespräche in Hinblick auf diese Auszeichnung ausschlaggebend waren, da er, keine anderen Gesprächspartner hatte, die seinen Erwartungen gerecht wurden. Genauso wie ich war er ein Mensch mit vielfältigen Interessen und wollte seine Meinung mit jemandem teilen. Wahrscheinlich durchschaute er bei diesen Gesprächen meine Seele und kam zur Schlussfolgerung, dass ich eine interessante Persönlichkeit hatte, die ich entwickeln sollte. Schade, dass er das nicht erwähnte. Wahrscheinlich hatte er die Erfahrung gemacht, dass solche Aussagen kaum etwas bringen würden.
Mehrmals im Leben hörte ich die Leute sagen, dass ich ein besonders intelligenter Mann war. Mir war das aber nie sehr wichtig. Als ich jung war, wusste ich ehrlich gesagt gar nicht genau, was es bedeutete, intelligent zu sein. Das fasste ich mehr als ein Kompliment auf als für eine Gabe Gottes, die ich erfolgreich zur Anwendung bringen konnte. Eine Zeitlang wusste ich gar nicht, dass Intelligenz eine der Gaben war, die man in sich wachsen lassen sollte. Auch wenn mich Gott mit dieser Gabe gesegnet hatte, so war meine Intelligenz unter einer dicken Schicht von Ignoranz und Unglauben verborgen. Auch wenn ich daran geglaubt hätte, dass ich intelligent war: Was hätte mir das gebracht? Hätte ich mein Leben anders geführt? Intelligenz alleine reicht nicht aus. Die Intelligenz in Anwendung bringen zu können – das ist schon etwas. Intelligenz ist die Fähigkeit zu denken. Wenn man sie nicht fruchtvoll in die Tat umsetzt, bleibt sie in uns nutzlos verborgen.
Wenn man schon weiß, dass man intelligent ist, fällt es aber viel einfacher, diese Begabung zu verwenden. Dazu muss man etwas Willenskraft haben und konsequent danach streben. Man muss stets lernen, eigene Interessen zu wahren. Dazu braucht man einen Lehrer. Ich hatte leider nie einen Meister, der mich durchs Leben geführt hätte. Kein Wunder, dass ich das mir von Gott geschenkte riesige Potential in der Vergangenheit durch übermäßigen Alkoholkonsum vergeudete. Ich vernachlässigte dieses Potential ganz und gar, weil ich nicht auf die Anreize achtete, die mich zum besseren Leben führen konnten. Sie kamen aus tiefen Abgründen meiner Seele her, aber mein Bewusstsein konnte sie nicht wahrnehmen. Es mussten viele Jahre vergehen, bis ich endlich anfing, die mir geschenkten Gaben zu verstehen und zu verwenden.
Spontane Exkursion ins Ausland
Meine Schule in Gliwice hatte ein Ferienhaus in Glatzer Kassel, in der Nähe der tschechischen Grenze. Im April 1979 organisierte der Leiter unseres Internats eine mehrtägige Reise in diese Gegend. Wir wohnten gerade in diesem Ferienhaus. Der Leiter des Internats war jemand anderes, über den ich nichts Schlechtes sagen kann, aber er konnte nicht mit seinem Vorgänger mithalten. Der andere war ihm in allem überlegen.
Wir sahen sehr viel und waren mit dem Ausflug recht zufrieden – außer mir. Am letzten Tag hatte ich noch ein Ziel zu erreichen. Ich fand noch drei mutige Kollegen, und ich wollte einen Abstecher über die Grenze wagen. Ich war noch nie im Ausland gewesen, und nun bat sich solch eine schöne Gelegenheit. Die Gunst der Stunde nicht zu genutzt zu haben hätte ich mir nicht verzeihen können. Ich hätte mir später die Vorwürfe gemacht, dass ich es nicht gewagt hatte. Meinen Kollegen verriet ich meine Absichten nicht. Ich wollte, dass wir spontan entscheiden die Grenzzone zu erkunden. Daher schlug ich ihnen vor, noch vor der Abfahrt in die Berge spazieren zu gehen. Im Hinterkopf verfolgte ich aber mein echtes Ziel. Ich führte meine Kollegen durch den Wald an die Grenze. Ich konnte mich hervorragend orientieren, weil ich auf diese „Mission“ sehr gut vorbereitet war. Ich hatte keinen Kompass, weil ich ihn nicht brauchte. Für die richtige Navigation brauchte ich nur die Sonne und einige Hügel, die ich mir gut merkte. Die Kollegen folgten mir sehr gehorsam. Sie hatten gar keine Ahnung, wohin ich sie führte. Sie ahnten gar nicht, was ich vorhatte. Sie wussten auch nicht, dass wir in Richtung Tschechien gingen, sonst wäre mein Plan in die Hose gegangen. Sie hätten die Wanderung wahrscheinlich abgelehnt aufgrund der Angst vor der Grenzkontrolle in Polen oder Tschechien. Erst als wir die Grenzpfähle sahen, merkten sie, dass wir an der Grenze waren. Auf keinen Fall kamen sie auf die Idee, dass ich sie vorsätzlich dorthin führte. Bis zum Ende verdächtigten sie mich nicht, sie mit Absicht dorthin geführt zu haben, weil ich auch eine Verwunderung vortäuschte, als wir die Grenze erreichten. Dann entschlossen wir uns zusammen einige Schritte ins Ausland zu wagen, und zwar zunächst auf polnischer, dann auf der tschechischen Seite der Grenze, um sicher zu stellen, dass keine Grenzwächter in der Umgebung lauerten.
Nach einer Zeit stellten wir fest, dass es niemanden auf der tschechischen Seite der Grenze gab, und wagten einen Abstecher nach Tschechien. Ich führte meine Kollegen einige Kilometer in das tschechische Gebiet. Ich übernahm jetzt die Rolle eines Reiseführers und die Verantwortung für die Gruppe. Hätten uns die tschechischen Grenzwächter ertappt, so hätten wir ernsthafte Probleme bekommen. Aber darüber machten wir uns keine Sorgen. Wir dokumentierten unser Abenteuer mit meinem Fotoapparat.
Unterwegs stießen wir auf die tschechischen Holzfäller. Als sie erfuhren, dass wir Polen waren, die keine Pässe hatten, fragten sie, was wir hier machen würden. Wir antworten, dass wir einen kleinen Ausflug nach Tschechien machten. Einer von ihnen guckte mich schief an und sagte ganz ernsthaft: „Wenn wir euch ‚schnappen‘, dann bekommt ihr einen richtigen Ausflug“. Ich nahm die Warnung dieses düsteren wäldlichen Mannes ernst, weil ich ahnte, dass er den tschechischen Grenzschutz meinte. Nach diesem Gespräch entschied ich mich dafür, die Gruppe umgehend zurück nach Polen zu evakuieren. Ich ging davon aus, dass die Waldarbeiter von dem Wagnis der vier Jugendlichen aus Polen nicht begeistert waren, und dass sie nun den Grenzschutz darüber benachrichtigen könnten. Ich bekam Angst, dass sie uns so auslieferten, wie es Judas gemacht hatte, und dann wären wir in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.
Auf dem Rückweg überschritten wir die Grenze schon ganz ruhig, wobei wir das Terrain im Vorfeld genau erforschten. Wir wollten auch nicht auf den polnischen Grenzschutz stoßen. Als wir schon in einem sicheren Abstand von der Grenze waren, gingen wir ganz schnell zu unserem Ferienhaus zurück. Uns allen war plötzlich klar, dass alle anderen schon auf uns warten, weil wir zu diesem Zeitpunkt schon nach Gliwice zurückfahren sollten. Daraufhin wurde ich traurig, weil ich merkte, was ich angestellt hatte. Und dazu verlockte ich die Kollegen zu meiner verrückten Idee.
Als wir dem Ferienhaus schon nahe waren, wurden wir, die zurückkehrenden Abtrünnigen, mit großem Beifall begrüßt. Selbst der Leiter des Internats war so froh, dass er uns mit so viel Freude entgegenlief, als ob er ein Kind gewesen wäre, das gerade Bonbons erhalten hat. Er beherrschte sich aber ganz schnell, und seine Miene trübte sich. Sein Gesicht bekam einen strengen Ausdruck. Nun erklärte er uns die Folgen unserer Leichtsinnigkeit. Wir ließen die Gruppe um 4 Stunden später als geplant abreisen. Er gab zu, dass wir ihm viel Angst eingejagt hatten. Er fügte noch mit ernsthafter Stimme hinzu, dass selbst der Schuldirektor aus Gliwice hätte hinkommen und uns abholen müssen, wenn wir in Tschechien festgehalten worden wären. Als Strafmaßnahme ließ er mich zehnmal mit einem Gürtel schlagen. Ich erbat, dass er die Prügelei auf viermal reduzierte. Ich ließ mich würdevoll bestrafen. Die Kollegen bekamen die gleichen Prügel. Die Strafe war eher symbolisch als peinlich, verpasst vor den Augen der amüsierten Gruppe. Am meisten erfreut war der Leiter, weil seine Gruppe wieder vollständig war. Er strotzte vor Humor.
Der neue, treue Begleiter
Meine Schwester Barbara war eine sehr gesellige Person und hatte daher viele nette Freundinnen. Da sie um ein Jahr jünger als ich war, öffneten sich für mich unzählige Möglichkeiten, neue Mädels kennenzulernen. Zu diesen Zeiten pflegte ich mit Barbara eine enge Freundschaft. Wir gingen zusammen auf Partys und in Discos.
Eines Tages gingen wir zu ihrer Freundin. Ich wollte sie genauer kennenlernen, weil sie mir gut gefiel. Am Anfang bot mir ihr Vater ein 100 ml Schnapsglas zu meinem Wohl an. Als wir den Gläsern leer tranken, brannte es mir mächtig in der Kehle, und ich konnte die Luft nicht mehr einatmen. Nach einer Weile, als ich schon zu mir kam, fragte ich den Landwirt diskret, ob es Spiritus gewesen war. Er nickte mir zu. Ich antwortete: „Danke, dass Sie mich nicht vorwarnten, weil ich dachte, dass ich Schnaps trinke.