des Armageddon außerhalb der Erlösung baten mir eine Reihe von schönen Frauen an, damit ich eine von ihnen zu meiner Frau machte. Die Mädels schauten mich mit den vergeblich mit der Nächstenliebe erfüllten großen Augen an. Als ich sie mir anguckte, spürte ich etwas Unbeschreibliches, etwas wie ein Verlangen, irdische Leidenschaften und weibliche Gelüste loszuwerden. Die stets verdrängten Gefühle suchten einen Ausweg. Sie sehnten sich immer nach einem mutigen, großherzigen Ritter, der eine biblische Wahrheit leben und sie von der Gefangenschaft der Seele befreien würde. Ich schaute mir diese Sklavinnen der Ideologie nie genauer an, und war mir nicht sicher, was genau sie dort suchten. Vielleicht würden sich viele Frauen gerne von dieser Sekte befreien, ihnen fehlte aber der Mut die Flucht zu wagen. Ihre schönen Augen konnten ebenso täuschen und eine Falle für Männer wie mich darstellen.
Ich muss trotzdem zugeben, dass mir diese Mädels sehr gut gefielen. Jede von ihnen war sofort greifbar, und ich hätte theoretisch eine schöne, nette, gottesfürchtige und treue Frau heiraten können. Auf diese Art und Weise hätte ich mein streitlustiges Leben etwas stabilisieren können. In dieser Entscheidung sah ich fast nur Vorteile. Ich konnte mir aber auch vorstellen, was für einen riesigen Preis ich dafür bezahlen müsste, und zwar zu Kosten meiner Freiheit. Und meine Freiheit würde ich mir um keinen Preis nehmen lassen. Man kann seine Freiheit nur dann bewusst verkaufen, wenn man auch in der Lage ist, eigene Seele zu verkaufen. Ich war es nicht. Mir war es lieber, überhaupt nicht zu glauben, als ein Heuchler zu sein.
Diese Gesellschaft folgte mir sehr viele Jahre. Ich beschwerte mich aber nicht darüber. Immer wenn ich nichts zu tun hatte, konnte ich auf sie zählen. Während der Gespräche mit den Zeugen Jehovas leerte ich vor ihren Augen unzählige Alkoholflaschen. Sie tranken nie mit und begleiteten mich nur in meiner Sucht. Manchmal bekam ich den Alkohol von ihnen geschenkt. Sie wussten allzu gut, dass er mein Tröster war. Sie hofften stets, dass ich ihrer Gemeinschaft beitrete. Wenn sie endlich mitbekamen, dass ich sie lediglich verführte, gaben sie auf. Einige von ihnen waren aber regelrecht beleidigt, dass sie mit mir so viel Zeit vergeudet hatten.
„Du wirst noch vor Ihm knien“
Als ich Polen im Jahre 1993 besuchte, war ich auf dem Markt in Bolesławiec. Meine Aufmerksamkeit lenkte sich auf einen Tisch mit den Broschüren über Jesus Christus. Ich guckte sie kurz an und schaute auf das Gesicht eines Jungen, der am Tisch saß. Ich weiß nicht, ob er diese Broschüren verkaufte oder aushändigte. Das war mir ohnehin nicht sehr wichtig. Ich machte mich lustig über die Bücher und sagte: „Ich sehe, dass du auch einige Bänder über Jesus hast?“ Seine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Er erhob sich aus dem Stuhl, zeigte mit dem Finger auf mich und sagte mutig: „Du wirst noch vor Ihm knien!“
Ich wusste nicht genau, was er meinte. Ich war zu dem Zeitpunkt fast ein Atheist und hatte keine Ahnung, wieso ich vor etwas knien sollte. Daher wollte ich ihm rundheraus sagen, was ich von seiner Aussage hielt. Ich wollte ihn ordentlich zurechtweisen und mit dem Tisch rütteln, damit er mich nicht vergaß. Leider konnte ich nichts tun. Ich war wie angewurzelt. Ich konnte auch nichts mehr sagen. Ich sah sein ernsthaftes und selbstsicheres Gesicht ohne das geringste Zeichen einer Unsicherheit. Ich wiederum bekam Angst, weil ich den Eindruck hatte, dass ich mit irgendeiner riesigen Kraft zu tun hatte, die ich mit meinem Verstand nicht nachvollziehen konnte. Ich verstand gar nicht, was gerade geschah und ging weiter ohne etwas zu sagen.
Noch am selben Tag dachte ich über diesen Vorfall nach und analysierte alle Details. Ich wusste damals genau, was für ein Mensch ich war. Ich ließ mich weder von den Worten eines Jungen noch von ihm selbst erschrecken. Er war doch kein Arnold Schwarzenegger. In der Regel war ich es, der über jemanden spottete, um sich gut zu amüsieren und hatte vor keinem Krach Angst. Vielleicht sprach ich ihn an um ihm etwas Peinliches zu sagen. Hätte er gekontert, so hätte ich es definitiv nicht verschwiegen und diesen Ort nicht so ruhig verlassen. Wenn ich ihn nicht verprügelte und den Tisch nicht rüttelte, sollte ich ihm zumindest irgendwie pampig antworten, um den Schein zu retten. Er drohte mir doch mit Jesus, und ich erwiderte nicht. Ich fragte gar nicht, was es heißen würde vor Jesus zu knien. Ich konnte nichts tun, weil ich fühlte, als ob irgendeine Hand auf meiner Brust gelegen hätte, um mich davon abzubringen, etwas Schlechtes zu sagen oder zu tun. Mir kamen dann die Jahre meiner Jugend in Erinnerung, wenn ich in die Kirche ging und den Religionsunterricht besuchte. Vielleicht gab mir der von mir abgelehnte Jesus selbst zu verstehen, dass Er tatsächlich existierte und immer noch auf mich wartete?
Im Angesicht des Todes
Der 27. Juni 1994 war ein sonniger und ruhiger Tag. Deshalb hatte ich gar keinen Grund zu ahnen, dass gerade an diesem Tag etwas richtig Grausames auf mich zukommen würde, etwas, was ich am wenigsten erwartete. Ich war gerade dabei, den Schrott mit dem Schneidbrenner in kleinere Teile durchzubrennen. Meine Arbeitsstelle befand sich direkt an der Eisenbahn in dem Industriegebiet im Norden von Stuttgart. Dort waren viele Unternehmen ansässig, unter anderem die Firma, bei der ich seit Kurzem arbeitete. An dieser Stelle hatten die Schienenfahrzeuge kein Vorrecht. Daher sollten sie langsam fahren, und die Lokführer mussten auf die Arbeiter aufpassen. Diese Vorschriften sollten die Sicherheit der Arbeiter vor Ort gewährleisten. Neben mir lief ein Ladegerät, das sehr laute Geräusche machte, und welches ich ab und zu bediente. Ich arbeitete in dieser Firma erst seit Kurzem und war froh, dass die Firma immer mehr von meiner Beschäftigung profitierte. Auch meine Mühe wurde hochgeschätzt.
Als ich die Brennerschläuche etwas abseits legte, um sie beim Durchbrennen des Schrotts nicht zu beschädigen, muss ich etwas näher auf die Gleise zugekommen sein. Plötzlich hörte ich die schrille Stimme meines Vorarbeiters: „Gregor!“ Was wäre nicht in Ordnung daran, dass ich etwas näher auf die Gleise zukam? Es war doch nicht verboten. Wir befanden uns immer in der Nähe von den Gleisen und manchmal sogar direkt auf den Gleisen und machten uns keine Sorgen über die vorbeifahrenden Schienenfahrzeuge. So sah unsere Arbeit aus. Die Bahnleute mussten auf uns aufpassen, nicht umgekehrt. Wir sollten unsere Arbeit ausführen und nicht die Beobachter spielen. Daher durchdrang mich diese schrillende Stimme ominös und gab mir zu verstehen, dass etwas Unerwünschtes und sogar Schreckliches vor sich ging. Mir wurde plötzlich klar, dass ich in diesem Moment zu einem Opfer wurde und zwar ganz ohne mein Verschulden, weil jemand anderer hätte aufpassen sollen. Diese Stimme erschrak mich. Ich merkte, dass ich gar keine Chance hatte, der Gefahr zu entkommen oder zu erkennen, zu begreifen, warum ich ihr zum Opfer fiel.
Ich trug eine Sonnenbrille, und mein Sehfeld war eingeschränkt. Wenn man die Arbeit dieser Art verrichtete, war das ganz normal. Meine Aufgabe war es nicht, auf mich selbst aufzupassen. Das musste jeder tun, der sich in meiner Nähe befand. Insbesondere sollten die Bahnleute auf uns Acht geben. Die Mitarbeiter des vorbeifahrenden Schienenfahrzeugs waren verpflichtet, jeden Arbeiter von den Gleisen zu entfernen und für seine Sicherheit zu sorgen. In jener Zeit wichen die Verhältnisse etwas davon ab, was heutzutage in den Arbeitsschutzvorschriften festgesetzt ist. Montag ist ein Tag, den die allgemeine Bevölkerung nicht sonderlich genießt, besonders wenn jemand am Wochenende viel gefeiert hat. Die Facharbeiter für Sicherheit saßen mit dem Lokführer in der Lokomotive und plauderten wahrscheinlich sinnlos miteinander, statt sich an die Arbeit zu machen. Der Vorarbeiter schrie nur ein Wort zu mir, aber die Intensität und Ausdrucksform dieses Rufs sagten mir sehr viel. Das war eine Warnung, dass ich in eine tödliche Gefahr geriet.
Für die Reaktion war es schon zu spät. Etwas Mächtiges fegte mich vom Platz, umfasste mich mit seinen riesigen Armen und wog mich in einen Todesschlaf, aus dem ich so bald nicht mehr erwachen sollte. In dieser grausamen Situation dachte ich mir, dass das eine Lokomotive sein musste. Bald brach die Dunkelheit um mich herum an, und ich sah schon nichts mehr. Ich hatte den Eindruck, dass ich zwischen den Gleisen lag und die Lokomotive langsam aber unausweichlich über mich fuhr. Sehr schnell würde sie mein Leben nehmen. Dass ich mich von meinem Leben trennen müsste, war mir offensichtlich. In meinem Zustand war ich ganz hilflos und konnte mich nicht retten. Ich machte mir nichts vor. Ich wusste, dass mein Leben gerade sein Ende erreichte. Ich war lediglich ein tatenloser Zuschauer meiner eigenen Agonie. Ich erlebte sie ruhig, wie jede Formalität, die man nicht beeinflussen kann. Ich versuchte nur die Beine so zu positionieren, dass sie nicht abgeschnitten werden konnten. Das war vielleicht