Boguslaw mir diese Idee auszureden. Ich hatte insofern Glück, dass in der Weihnachtszeit kurz vor Mitternacht fast kein Verkehr herrschte. Kaum hatte ich meine verrückte Fahrt aufgenommen, hatte ich einen Filmriss. Eine Zeitlang fuhr ich einfach ohne Bewusstsein. Das erlangte ich erst wieder, als ich über die Schlaglöcher auf dem Feldweg fuhr. Ich gelang hierher, weil der richtige Weg in einer Rechtskurve verlief, und ich fuhr geradeaus. Offensichtlich sah ich es nicht. Die Unebenheiten des Weges ließen mich wieder zu Bewusstsein kommen. Endlich bekam ich die Lichter meiner Zielstadt zu sehen. Ich schaffte es zu einem anderen Mädchen und bekam was ich wollte.
Noch viele Jahre nachher, wenn ich diese Fahrt in Erinnerung brachte, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Ich hatte in dieser Situation definitiv mehr Glück als Verstand. Stück für Stück verfiel ich einem schrecklichen Alkohol-Wahnsinn. Mein Gewissen war blind und kaum funktionsfähig. Ich erkannte meine Fehler vielleicht daher nicht, weil ich sie einfach nicht erkennen wollte. Diejenigen, die versuchten, mich zur Vernunft zu bringen, ignorierte ich ganz und gar. Allmählich geschah etwas Schreckliches mit mir.
Ein Tramper
Kurz nach Weihnachten fuhr ich, wie viele meine Mitbürger, im Suff. Ich ließ einen Tramper mitfahren. Mein Fahrbegleiter war ein gutaussehender Mann im mittleren Alter. Es war frostig, die Straße war glatt, und ich raste schnell, ganz unbekümmert. Der Anhalter wies mich darauf hin, dass es keinen Grund gab, so schnell zu fahren. Er bat mich, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, damit es für uns beiden sicherer ginge. Er geriet in Panik, und ich kam auf die Idee, mich über seine Angst zu belustigen. Ich versetzte mich schauspielerisch in die Rolle eines Verrückten, der sein eigenes Leben, aber auch das Leben anderer geringschätzt. Seine Bemerkungen hielt ich für fehl am Platz. Auf diesem schmalen Weg drückte ich noch mehr auf die Tube, und wir fuhren ca. 100 km pro Stunde. Als der Tramper angefangen hatte, vor Entsetzen zu heulen, brüllte ich wie ein Stier, dass ich noch beschleunigen würde, wenn er nicht aufhört.
Die Panik, die ich bei meinem Mitreisenden erzeugte, machte mir viel Spaß, und zum Dank fuhr ich den Kerl fast direkt vor die Haustür. Ich musste ihm jedoch beim Aussteigen helfen, denn der Mann, der noch vor kurzem so munter und agil war, wirkte jetzt, als ob er plötzlich zwanzig Jahre älter sein würde. Er zitterte wie ein knackiger Opa.
Mehrmals unterhielt ich mich auf Kosten von anderen und riskierte mein Leben. War ich mir meiner Dummheit nicht bewusst, die mich zunehmend beherrschte? Warum konnte ich dieser Leichtsinnigkeit keinen Halt gebieten? Vielleicht hielt ich es nur für ein harmloses Spiel, das keine ernsthaften Folgen mit sich bringen konnte? Für viele endeten solche Verrücktheiten ganz tragisch. Warum sah ich es nicht ein? Vielleicht deshalb sollte es in Kürze mit meinen Autorennen vorbei sein – nicht tragisch, aber peinlich. Das, was auf mich zukam, rettete mich zweifellos vor dem schrecklichen Ende. Das war tatsächlich die bestmögliche Sache, die mir zu diesem Zeitpunkt meines Lebens geschehen konnte. Ich war nicht würdig den Führerschein zu besitzen, weil der Alkohol mich zu einem unverantwortlichen Mann machte.
Verlust des Führerscheins
Im Februar 1991 verbrachte ich ein ganzes Wochenende in Nürnberg. Es gab eine regelrechte Sauferei. Am Sonntagabend kehrte ich per Anhalter nach Stuttgart zurück. Ich wusste, dass ich am Montag zur Arbeit gehen sollte. Trotzdem wollte ich noch etwas feiern. Ohne viel nachzudenken, stieg ich in mein Auto ein und fuhr los um mich noch ein Stück zu besaufen. Ich hatte natürlich nicht im Kopf, was mich am nächsten Tag erwartete. Ich achtete auch nicht darauf, dass ich mich unter Alkoholeinfluss ans Steuer setzte, als ob meine Angetrunkenheit gar keine Rolle gespielt hätte. Ich musste es doch nicht tun. Wenn ich trinken wollte, konnte ich zu Fuß in die Kneipe gehen. Die Bars waren nicht so weit entfernt. In jener Zeit hatte die Vernunft in meinem Leben kaum etwas zu sagen.
In der Kneipe begegnete ich einem Typ, der mir ganz ähnlich war – gleich sorglos und leichtsinnig. Er passte mir als Mittrinker, weil er sich in einen Alkoholrausch flüchten wollte. Nachdem wir ein paar Gläser Wein intus hatten, entschlossen wir uns dazu in die Disco zu fahren. Als ich fuhr, gerieten wir zweimal heftig ins Schleudern. Mein frisch getroffener Kollege schlug vor das Auto zu fahren, weil er nicht so betrunken war. Ich stimmte zu. Ich hatte gar keine Ahnung, wen ich ans Steuer gelassen hatte. Es stellte sich nämlich heraus, dass er keinen Führerschein hatte und obendrein gar nicht wusste, wie man ein Auto fuhr! Er fuhr in Schlangenlinien wie eine Viper. Ich wurde plötzlich nüchtern vor Entsetzen. Ich schrie ihn an, dass er anhalten sollte. Er reagierte aber nicht, als ob er hypnotisiert gewesen wäre oder nicht gewusst hätte, wie man das Auto zum Halten bringt. Unsere Lage wurde dramatisch. Glücklicherweise wurden wir von der deutschen Polizei angehalten. Die Polizisten führten eine Razzia durch.
Unsere verrückte Fahrt bekamen viele Leute zu sehen, auch wenn es schon gut nach Mitternacht war. Jemand rief die Polizei. Die Gesetzeshüter fanden uns ziemlich schnell und versperrten uns den Weg. Als mein Kollege, der Ostdeutsche, sie sah, hielt er das Auto an, schnallte sich ab und setzte sich auf meinen Schoß. Vielleicht wollte er ihnen vorgaukeln, dass er nicht am Steuer saß. Die Polizisten aber ließen sich nicht betrügen. Ich schubste ihn zurück in den Fahrersitz und überhäufte ihn mit schweren Beschimpfungen auf Deutsch. Wir wurden aus dem Auto gebracht. Die Polizeibeamten konfiszierten den Autoschlüssel und meinen Führerschein, weil mein Begleiter ein solches Dokument natürlich nicht besaß. Uns wurden hinten Handschellen angelegt, wie man es mit Verbrechern tut. Wir wurden zum Streifenwagen gepackt. Die anderen Polizisten kümmerten sich um mein Auto und stellten es auf einem Parkplatz in der Nähe meiner Wohnung ab. Der Arzt ließ mit der Blutabnahme unseren Alkoholpegel messen. Ich hatte 3 Promille im Blut. Der in der Kneipe getroffene Kollege hatte nur die Hälfte – 1,5 Promille.
Später fand eine Gerichtsverhandlung statt. Ich wurde mit einem Bußgeld in Höhe von 2000 DM bestraft. Mir wurde der Führerschein entzogen. Es gab keine Entschuldigung für mich. Ich ließ eine Person mein Auto fahren, die einerseits betrunken war und andererseits keine Fahrberechtigung hatte. Darüber hinaus saß ich neben dem Fahrer, obwohl ich unter Alkoholeinfluss war, und schon damit verletzte ich das deutsche Recht. Zu allem Überfluss versuchte der Kollege seine eigene Haut zu retten und gab zu, dass ich selbst vorher am Steuer saß. Ich war schon erledigt und hatte keine Chancen ungeschoren davonzukommen.
Dass mich der Kollege auffliegen ließ, half ihm selbst kaum. Ihm wurde für drei Jahre verboten den Führerschein zu machen. Mir erging es viel schlimmer. Später stellte es sich heraus, dass meine Strafe viel höher war als das Urteil besagte. Zu jenem Zeitpunkt war es mir aber noch nicht klar.
Noch vor der Gerichtsverhandlung verabreichte ich meinem Begleiter von der Trunkenheitsfahrt eine tüchtige Tracht Prügel. Es ging nicht darum, dass er dazu beitrug, dass ich mich von meinem Führerschein verabschieden musste. Er klaute die Brieftasche von meinem Bruder Janusz, der zu dieser Zeit bei mir zu Gast war. Obwohl er mir dazu verhalf, meinen Lappen loszuwerden, war mir nicht klar, dass ein frecher Bengel war. Ich lud ihn einmal in meine Wohnung ein und schuf ihm somit die Gelegenheit zum Klau. Vor dem Gerichtsverhör bat er mich darum, dies nicht zu erwähnen. Ich hatte keinen Grund das preiszugeben, weil ich den Kerl schon früher dazu zwang, die gestohlenen Sachen zurückzugeben. Ich tat es aber so brutal, dass sich selbst mein Bruder Janusz für ihn aus Mitleid einsetzte. Sonst hätte ich ihn vielleicht erschlagen. Ich kann Diebe nicht ertragen!
Für die Gerichtsverhandlung bekam ich zwar einen Anwalt, aber seine Unterstützung war rein theoretisch, weil man im Voraus wusste, dass die Sache verloren war. Er war nur in der Lage, die Höhe des Bußgeldes zu reduzieren – von 3000 DM auf 2000 DM. Das bekam ich aber gar nicht zu spüren, weil der andere Tausender in die Tasche des Anwalts floss. Nach einem Jahr konnte ich mich um die Rückgabe des Führerscheins bemühen. Die Voraussetzung war aber, dass ich bei der Medizinisch Psychologischen Untersuchung (MPU) gut abschneide. Die Tests sollten meine Abstinenz und somit die Fähigkeit bestätigen am Straßenverkehr teilzunehmen ohne ein Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer darzustellen. Ich sollte also mit dem Trinken aufhören, um die Sicherheit von anderen Straßennutzern nicht zu gefährden. Man stellte mich vor eine Unmögliches Aufgabe: das Trinken aufzugeben.
Sicherlich bewahrten mich die deutschen Behörden vor einer unvermeidlichen