zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel.‹ Denn wenn ein Bruder dem anderen seine verborgenen Sünden eröffnet und um Gnade bittet, so wird er wahrlich mit seinem Bruder auf Erden eins in der Wahrheit, die Christus ist. Das hier Gesagte bestätigt Christus ebendort noch deutlicher und sagt (Matth. 18, 20): ›Wahrlich ich sage euch, wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, bin ich mitten unter ihnen.‹
Dementsprechend zweifle ich nicht, daß der von seinen heimlichen Sünden losgesprochen ist, der diese entweder freiwillig bekennt oder ihretwegen zur Verantwortung gezogen insgeheim vor irgendeinem Bruder um Vergebung bittet und Besserung verspricht. Mögen die Päpste mit ihrer Gewalt dagegen wüten – Christus hat einem jeden Gläubigen offenbar die Macht zu absolvieren gegeben.
Wie unwürdig sie die Lehre von der Genugtuung behandelt haben, davon habe ich beim Ablaßhandel gesprochen, und wie sehr sie sie mißbraucht haben, die Christen an Leib und Seele zu verderben. Zuerst haben sie so von ihr gelehrt, daß sich die Menge nie einen Begriff von der wahren Genugtuung hat machen können, die eine Erneuerung des Lebens ist. Dann dringen sie so darauf und machen sie so unentbehrlich, daß sie dem Glauben an Christus keinen Raum lassen und die Gewissen der Menschen derartig mit Zweifeln martern, daß der eine nach Rom läuft, der andere hierher, der andere dorthin, jener in eine Kartause, dieser an einen anderen Ort, einer geißelt sich mit Ruten, ein anderer quält seinen Leib mit Fasten und Wachen, in einstimmiger Unsinnigkeit aber sagen sie alle (Luk. 17, 21): ›Siehe, da ist Christus, hier ist Christus‹ und meinen, daß das Reich Gottes, welches in uns ist, durch Beobachtung äußerer Dinge kommen werde. O Rom, was für Ungeheuerlichkeiten verdanken wir dir und deinen mörderischen Gesetzen und Gebräuchen, mit denen du die ganze Welt dermaßen verderbt hast, daß sie meinen, für ihre Sünden Gott mit Werken genugtun zu können, dem allein durch den Glauben eines zerknirschten Herzens Genugtuung geschieht. Diesen Glauben bringst du mit diesem Tumult nicht allein in Vergessenheit, sondern du unterdrückst ihn auch, bloß damit dein unersättlicher Blutsauger solche habe, zu denen er sagen kann: ›Bring her, bring her‹ und mit Sünden schachern kann.
Etliche von diesen sind so weit gegangen, sich besondere Kunstkniffe auszudenken, um die Menschen in Verzweiflung zu stürzen: sie haben nämlich aufgebracht, daß ein Beichtender all die Sünden von neuem beichten müsse, für welche er die auferlegte Genugtuung unterlassen hätte. Aber was dürfen die sich nicht herausnehmen, die dazu geboren sind, alles zehnmal in Gefangenschaft zu bringen? Ferner, wieviele sind – so frage ich – wohl der Meinung, im Stand der Seligkeit zu sein und für ihre Sünden genugzutun, wenn sie die Gebetlein, die ihnen der Priester auferlegt hat, wortgetreu daherplappern, auch wenn sie inzwischen nicht darauf sinnen, ihr Leben zu bessern? Denn sie glauben, ihr Leben sei durch einen Augenblick der Reue und Beichte verwandelt, nur allein das bliebe noch, für die vergangenen Sünden genugzutun. Wie sollen sie es aber besser verstehen, wenn sie nicht anders unterrichtet werden? Hier wird überhaupt nicht der Tötung des Fleisches gedacht, hier gilt gar nicht das Beispiel Christi, der die Ehebrecherin absolviert und zu ihr sagt (Joh. 8, 11): ›Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr‹, und ihr damit das Kreuz auferlegt, das Fleisch zu töten. Einen wesentlichen Anlaß für diese verkehrte Auffassung hat gegeben, daß wir die Sünder absolviert haben, ehe die Genugtuung erfüllt ist. Dadurch kommt es, daß sie mehr um die Erfüllung der Genugtuung, die andauert, bemüht sind als um die Reue, die schon während der Beichte vergeht, wie sie meinen. Dabei sollte doch die Absolution – wie in der alten Kirche – erst folgen, wenn die Genugtuung geleistet ist. Dann könnte es geschehen, daß sie nachher, wenn das Werk aufhört, im Glauben und in der Erneuerung des Lebens mehr gefestigt sind. Aber damit genug der Wiederholung; darüber habe ich in den Schriften vom Ablaß ausführlicher gesprochen. Es sei jetzt auch gänzlich von diesen drei Sakramenten genug, von denen in so vielen und schädlichen Büchern, in dogmatischen wie in juristischen, gelehrt und (gleichzeitig) nicht gelehrt wird. Auch muß ich noch versuchen, etwas über die übrigen Sakramente zu schreiben, damit ich sie nicht ohne Grund zu verwerfen scheine.
Von der Firmung
Es ist verwunderlich, was ihnen in den Sinn gekommen ist, daß sie aus der Auflegung der Hände das Sakrament der Firmung gemacht haben. Von der lesen wir, daß (mit ihr) Christus die kleinen Kinder angerührt (Mark. 9, 36; 10, 16), die Apostel den heiligen Geist gegeben (Apg. 8, 17; 19, 6), Priester eingesetzt (Apg. 6, 6) und Kranke gesund gemacht haben (Mark. 16, 18), wie Paulus an Timotheus schreibt (1. Tim. 5, 22): ›Die Hände lege niemand zu bald auf.‹ Warum haben sie nicht aus dem Sakrament des Brotes auch eine Firmung gemacht, wenn geschrieben steht, Apg. 9 (V. 19): ›und als er Speise zu sich genommen hatte, wurde er gestärkt‹, und Psalm 104, 15: ›und das Brot des Menschen Herz stärke‹, so daß die Firmung also drei Sakramente in sich vereinigte: das Brot, die Einsetzung (der Priester) und die Firmung selbst? Ist das aber ein Sakrament, was immer die Apostel getan haben, warum haben sie dann nicht vielmehr die Predigt zu einem Sakrament gemacht?
Das sage ich nicht, weil ich die sieben Sakramente verdammte, sondern weil ich bestreite, daß sie aus der Schrift bewiesen werden können. Ja, wenn es nur in der Kirche eine solche Auflegung der Hände wie zu der Apostel Zeiten gäbe! Dann würden wir sie (gern) Firmung oder Heilung nennen. Es ist aber jetzt nichts davon übrig geblieben, außer was wir selbst erfunden haben, die Ämter der Bischöfe auszubauen, damit sie nicht ganz ohne Arbeit in der Kirche sind. Denn nachdem sie jene Sakramente, deren Verwaltung Mühe bereitet, zusammen mit der Verkündigung des Wortes als etwas Unwesentliches dem unteren Klerus überlassen haben (denn alles, was die göttliche Majestät gestiftet hat, muß verachtet sein), da war es recht und billig, daß wir etwas weniger Mühevolles erfanden, das so verwöhnten und großen Herren nicht beschwerlich wäre und das wir (doch) keineswegs als etwas Unwesentliches dem unteren Klerus anvertrauten. Denn was menschliche Weisheit ordnet, soll billig bei den Menschen in Ehren gehalten werden. So wie jemand Priester ist, einen solchen Dienst und ein solches Amt hat er. Denn ein Bischof, der nicht predigt und keine Seelsorge treibt, was ist er anders als ein Abgott in der Welt, der allein den Namen und die äußere Gestalt eines Bischofs hat? Wir aber begehren statt dessen die von Gott eingesetzten Sakramente; daß wir aber die Firmung zu ihnen hinzurechnen sollen, dazu haben wir keine Veranlassung. Denn zur Einsetzung eines Sakramentes gehört vor allen Dingen das Wort der göttlichen Verheißung, durch das der Glaube geübt werden soll. Aber nirgendwo lesen wir, daß Christus irgend etwas von der Firmung verheißen habe, obwohl er vielen die Hände aufgelegt hat und Markus das im letzten Kapitel (16, 18) unter die Zeichen setzt: ›Auf Kranke werden sie die Hände legen,, so wirds besser mit ihnen werden.‹ Aber niemand hat das auf einen Sakramentscharakter (der Firmung) bezogen, was auch nicht gut möglich ist. Darum ist es genug, die Firmung für einen Brauch der Kirche oder für eine sakramentale Zeremonie zu halten, ähnlich den anderen Zeremonien: der Wasserweihe und anderen Dingen. Denn wenn jede andere Kreatur durch Wort und Gebet geheiligt wird, warum sollte dann nicht viel mehr der Mensch durch sie geheiligt werden? Dennoch können diese Dinge, weil sie nicht Gottes Verheißung haben, nicht Sakrament des Glaubens genannt werden. Sie wirken auch nicht das Heil, die Sakramente aber retten diejenigen, die der Verheißung Gottes glauben.
Von der Ehe
Die Ehe wird nicht allein ohne jeden Schriftbeweis für ein Sakrament gehalten, sondern sie ist auch durch die gleichen Überlieferungen, nach denen sie als ein Sakrament gerühmt wird, zum reinen Spott geworden. Das wollen wir einmal betrachten. Wir haben gesagt, daß in jedem Sakrament das Wort der göttlichen Verheißung enthalten ist, das derjenige glauben muß, der das Zeichen empfängt, und daß das Zeichen allein kein Sakrament sein könne. Nun liest man aber nirgends, daß der irgendwelche Gnade bei Gott erlange, der eine Ehefrau nimmt. Ja, es ist von Gott der Ehe nicht einmal ein Zeichen gegeben. Denn nirgends liest man, daß die Ehe von Gott gestiftet sei, damit sie etwas versinnbildliche, obwohl alles, was sichtbar geschieht, als Abbild und Allegorie der unsichtbaren Dinge verstanden werden kann. Aber dennoch sind die Abbilder und Allegorien nicht Sakramente (in dem Sinne), wie wir von den Sakramenten reden.
Weiter: weil die Ehe von Anfang der Welt bestanden hat und (selbst) bei den Ungläubigen noch bis zum Augenblick besteht, so gibt es keinen Grund dafür, daß die Ehe ein Sakrament