Martin Luther

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anderes ist als eine göttliche Verheißung oder ein Vermächtnis Christi, durch das Sakrament seines Leibes und Blutes zugeeignet. Ist das wahr, dann siehst du auch ein, daß es unter gar keinen Umständen ein Werk sein kann und daß in ihm nichts geschehen noch durch das Bemühen eines anderen etwas erreicht werden kann, als allein durch den Glauben. Der Glaube aber ist kein Werk, sondern der Lehrmeister und das Leben der Werke. Denn wer ist irgendwie so unsinnig, daß er eine empfangene Verheißung oder ein geschenktes Vermächtnis ein gutes Werk nennt, das er seinem Erblasser antut, dadurch daß ers annimmt? Wo ist der Erbe, der sich einbildet, seinem Vater, der ihm etwas vermacht, etwas Gutes zu tun, dadurch daß er die Testamentsurkunde mit der Erbschaft annimmt? Wie können wir also so verwegen sein, daß wir um das göttliche Vermächtnis zu empfangen, so kommen, als wollten wir Gott damit ein gutes Werk tun? Ist diese Unkenntnis des Testaments und diese Gefangenschaft eines so hohen Sakraments nicht mehr als bitter zu beweinen? Wo wir wegen der empfangenen Gaben dankbar sein sollten, da kommen wir hoffärtig und wollen geben, was wir nehmen sollten, verspotten mit unerhörter Verkehrtheit die Barmherzigkeit des Gebers, indem wir das als ein Werk geben, was wir als eine Gabe empfangen, so daß der Erblasser nun nicht mehr seine Guttaten austeilt, sondern die unsrigen empfängt. Wehe dieser Gottlosigkeit!

      Wer ist aber jemals so toll gewesen, daß er die Taufe für ein gutes Werk hielt. Oder welcher Täufling glaubte, daß er ein Werk verrichtete, das er für sich und andere Gott darbrächte und zuteil werden ließe? Ist nun in einem Sakrament und Testament kein gutes Werk, woran man andere teilhaben lassen kann, so wird auch in der Messe keins sein. Denn auch sie ist nichts anderes als ein Testament und Sakrament. Daher ist es ein ausgemachter und gottloser Irrtum, die Messe für Sünden, für Genugtuungen, für Verstorbene oder sonst für eigene oder fremde Bedürfnisse zu opfern oder zuzueignen. Daß dies absolut wahr ist, verstehst du ganz leicht, wenn du standhaft daran festhältst, daß die Messe eine göttliche Verheißung ist, die niemandem nutzen, keinem zugeeignet, niemandem zugewiesen noch mitgeteilt werden kann als allein dem, der mit eigenem Glauben glaubt. Denn wer kann Gottes Verheißung, die eines jeden Glauben im besonderen fordert, für einen andern empfangen oder ihm zueignen? Kann ich denn einem anderen Gottes Verheißung geben, auch wenn er nicht glaubt? Oder kann ich für einen anderen glauben? Oder kann ich machen, daß ein anderer glaubt? Das müßte aber geschehen, wenn ich die Messe einem anderen zueignen und mitteilen kann, weil in der Messe nichts ist als diese zwei Dinge: Gottes Verheißung und des Menschen Glaube, der da empfängt, was Gott verheißt. Ist das wahr, so kann ich auch für andere das Evangelium hören und glauben, kann ich für den einen getauft und kann ich für einen anderen von Sünden erlöst werden, kann ich auch für einen anderen das Sakrament des Altars empfangen. Ich kann auch – um ihre Sakramente durchzugehen – für einen anderen eine Ehefrau nehmen, für einen anderen Priester, für einen anderen gefirmelt werden, für einen anderen die letzte Ölung bekommen.

      Kurz, warum hat denn Abraham nicht für alle Juden geglaubt? Warum wird von jedem einzelnen Juden der Glaube an dieselbe Verheißung gefordert, an die Abraham geglaubt hat? Es ist also unüberwindlich wahr: Wo Gottes Verheißung ist, da steht ein jeder für sich selbst und wird eines jeden eigener Glaube gefordert, es wird ein jeder für sich selber Rechenschaft geben und seine Last tragen, so wie in Markus 16, 16 gesagt ist: ›Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden.‹ Also kann ein jeder die Messe nur sich selbst durch seinen eigenen Glauben zunutzemachen und kann sie auf keine Weise jemand anders mitteilen. Ebenso kann der Priester keinem für einen anderen das Sakrament reichen, sondern er reicht es einem jeden besonders. Denn die Priester sind beim Weihen und Verwalten (des Sakraments) unsere Diener, durch die wir nicht ein gutes Werk darbringen oder aktiv anderen zuteil werden lassen, sondern durch sie empfangen wir die Verheißungen und das Zeichen und das wird uns passiv zuteil, was bisher bei den Laien geblieben ist. Denn man sagt nicht, daß sie damit etwas Gutes tun, sondern daß sie es empfangen. Aber die Priester sind auf ihre gottlosen Wege abgeirrt und haben sich ein gutes Werk daraus gemacht, daß sie aus dem Sakrament und Testament Gottes mitteilen und darbringen, wo es doch ein empfangenes Gut sein sollte.

      Du könntest aber einwenden: Was? Willst du denn aller Kirchen und Klöster Brauch und Ansicht umkehren, bei denen sie so viele Jahrhunderte in Geltung stand, sind auf die Messe doch die Jahresgedächtnisse, Fürbitten, die Zuwendungen, die Mitteilungen usw., d. h. die allerergiebigsten Renten und Einkünfte gegründet. Hierauf antworte ich: Das ist es eben, was mich angetrieben hat, über die Gefangenschaft der Kirche zu schreiben. Denn so ist das hochwürdige Testament Gottes durch die Ansichten und Lehren gottloser Leute, die uns unter Hintansetzung des Wortes Gottes ihres eigenen Herzens Gedanken vorgetragen und die Welt verführt haben, so ist also dieses Testament in die Knechtschaft ruchlosen Gewinns gezwungen worden. Was kümmert mich die große Zahl und die Macht der Irrenden? Die Wahrheit ist stärker als sie alle. Kannst du Christus verleugnen, der da lehrt, daß die Messe ein Testament und Sakrament sei, so will ich ihnen recht geben. Weiter, wenn du sagen kannst, daß der ein gutes Werk tut, der das im Testament Vermachte empfängt oder das Sakrament der Verheißung dazu gebraucht, so will ich meine Meinung gern verdammen. Weil du aber keins von beiden kannst, was zauderst du da noch, den großen Haufen, der ins Verderben läuft, zu verlassen, Gott die Ehre zu geben und seine Wahrheit zu bekennen, daß nämlich heute alle Priester eine verkehrte Auffassung haben, wenn sie die Messe für ein Werk halten, womit sie ihren eigenen Nöten oder denen anderer – Lebendiger oder Toter – zu Hilfe kommen können, Ich rede unerhörte und verblüffende Dinge. Betrachtest du aber, was die Messe ist, so wirst du erkennen, daß ich wahr geredet habe. Das hat alles unsere gar zu große Sicherheit bewirkt, durch die wir den gegen uns ausbrechenden Zorn Gottes nicht gemerkt haben.

      Diesem allen muß man, weil es so hartnäckig Wurzel geschlagen hat, standhaft und beständig die Worte und das Beispiel Christi entgegenhalten. Denn wenn wir nicht daran festhalten, daß die Messe eine Verheißung und Testament Christi ist, wie die Worte klar lauten, so verlieren wir das ganze Evangelium und allen Trost. Wir sollen nichts höher als diese Worte gelten lassen, ›wenn schon ein Engel vom Himmel etwas anderes lehren würde‹ (Gal. 1, 8). Und in diesen Worten steht nichts vom Werk oder vom Opfer. Weiter steht auch das Beispiel Christi auf unserer Seite. Denn Christus hat beim letzten Mahl, als er dieses Sakrament stiftete und dieses Testament begründete, es nicht Gott seinem Vater dargebracht oder als ein gutes Werk für andere verrichtet, sondern er saß bei Tisch und legte einem jeden das gleiche Testament vor und reichte ihnen das Zeichen dar. Die Messe ist nun desto christlicher, je näher und gleichförmiger sie der allerersten Messe ist, die Christus beim Abendmahl hielt. Aber die Messe Christi war ganz einfach, ohne alle Pracht mit Kleidern, Gebärden, Gesängen und anderen Zeremonien. Christus hätte sie also nicht vollständig eingesetzt, wenn sie als ein Opfer hätte dargebracht werden sollen.

      Nicht, daß jemand die ganze Kirche tadeln soll, welche die Messe mit vielen anderen Bräuchen geziert und erweitert hat; sondern das wollen wir, daß sich niemand durch solch äußerlichen Glanz der Zeremonien irreleiten und durch den vielfältigen Pomp den Zugang zu dieser ganz einfachen Messe verbauen läßt und in Wahrheit eine Art ›Transsubstantiation‹ treibt, wenn er die Messe in ihrer Einfachheit aus den Augen verliert und an den vielen äußerlichen Zutaten des Gepränges hängen bleibt. Denn was über das Wort und Beispiel Christi hinaus hinzukommt, ist eine äußerliche Zutat zur Messe, deren jede wir nicht höher achten sollen als jetzt die Monstranzen (wie sie sie nennen) und die Altartücher, in denen die Hostien aufbewahrt werden. Wie es darum im Widerspruch zueinander steht, ein Testament auszuteilen, eine Verheißung zu empfangen und ein Opfer zu opfern, so widerspricht es sich, daß die Messe ein Opfer sein soll, weil wir jene empfangen, dies aber geben. Nun kann aber etwas nicht zugleich empfangen und gegeben werden und auch nicht von demselben zugleich gegeben und empfangen werden, ebenso wenig, wie das Gebet und die erlangte Sache dasselbe sein können, oder beten und das Erbetene nehmen.

      Von daher kann jeder leicht verstehen, was gar oft bei Gregor d. Gr. gesagt wird: die Messe eines schlechten Priesters ist nicht geringer zu achten als die eines guten. Die Messe des heiligen Petrus ist nicht besser gewesen als die des Verräters Judas (wenn sie beide Messen gehalten hätten). Denn mit diesem Deckmantel wollen viele ihre Unfrömmigkeit bemänteln und haben daher den Unterschied zwischen dem opus operatum und dem opus operantis erfunden, damit sie auf diese Weise selbst sicher ein schlimmes Leben führen, und dennoch anderen Gutes zu tun in Anspruch