Ronald Trump

Sexual Magie auf über 200 Seiten


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immerhin ehrlicher, wenn sie sich eingestandenermaßen nicht dafür

      zu schade ist, auch materielle Ziele anzustreben und dies offen zuzugeben.

      Allerdings sind auch im Abendland die Grenzen zwischen Sexualmagie und Sexualmystik oft recht unscharf und fließend. Man sollte also auch nicht ins andere Extrem fallen und den mystischen, transzendenten Aspekt der Sexualmagie pauschal leugnen oder gar abwerten. Gerade dies macht ja die eigentliche Größe der Sexualmagie aus: dass sie nämlich ein System darstellt ,

      das beides zu vereinigen versteht, das Materielle und das Transzendente. Es ist ein beliebter, gängiger Dualismus, Geist und Materie als Gegenpole, ja geradezu als Feinde zu betrachten. Dieser Dualismus hat manches Gleis gelegt, auf dem

      wir noch heute unseren Sackbahnhöfen entgegenfahren. Die Mystik strebt

      jedoch nicht danach, den Geist auf Kosten der Materie einseitig zu überhöhen. Dergleichen ist bloße Körperfeindlichkeit, und wohin sie führt, das haben uns Inquisition und Ketzerverfolgung ebenso vor Augen geführt wie die fanatischen Politideologien und Religionen, die den Menschen auf dem Altar einer übergeordneten" Idee kaltblütig schlachten. Nein, Mystik,

      und die Sexualmystik im Besonderen, strebt nach Überwindung der Gegensätze, will den Menschen ins Reich des Transzendenten, des Göttlichen jenseits von

      Gut und Böse führen.

      DIE VORAUSSETZUNGEN DER SEXUALMAGIE

      Gerne wurde in alten sexualmagischen Schriften die Sexualmagie als Disziplin dargestellt, die nur den sogenannten "Höchsten Eingeweihten" vorbehalten sei,

      als eine Lehre voll unsäglicher Gefahren für Leib und Seele. Dementsprechend wenig wurde in selbigen Werken dann auch auf die eigentliche Praxis eingegangen, statt dessen herrschten die Warnungen und moralischen Vorgaben vor - der erhobene Zeigefinger war meistens das herausragendste Merkmal

      dieser, meist älteren, Autoren. Das gilt allerdings auch für die magische

      Literatur ganz allgemein, nicht nur für die Sexualmagie allein. Wenn wir die sexologische Literatur dieser Zeit (bis weit in die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts hinein) betrachten, stellen wir fest, daß für die Sexualität das

      gleiche gilt:

      Auch sie wurde weitgehend totgeschwiegen, bagatellisiert, mit idealistischen Moralnormen überhöht und somit "unantastbar" gemacht usw. Wie sehen also, daß das Verhältnis der Sexualmagier zu ihrer Disziplin historisch voll in ihre eigene Zeit - und Gesellschaftsstruktur eingebettet war. Wurde die Sexualität durch Kirche, Staat und Gesellschaft unterdrückt, so galt für die Sexualmagie dasselbe. Und so ist diese leidige Geheimnistuerei zum Teil sogar verständlich; immerhin riskierte ein Autor noch in den fünfziger Jahren, als "obszöner Jugend und Sittenverderber" gebrandmarkt zu werden, so dass man ihm eine gewisse Zurückhaltung wirklich nicht verübeln kann.

      Ein weiteres Merkmal vor allem älterer Werke zur Sexualmagie ist die ausschließlich männliche Ausrichtung der darin geschilderten Praktiken. In

      diesem Punkt bildet übrigens selbst Crowley keine Ausnahme. Auch dies lässt sich unschwer historisch erklären. Immerhin wurde die Sexualität der Frau in

      der abendländischen Kultur nach jahrtausendelanger Unterdrückung erst sehr

      spät (wie - der - )entdeckt, und so nimmt es nicht wunder, wenn die sexualmagischen Schriften bis in unsere Zeit hinein die Frau tatsächlich

      allenfalls als Erfüllungsgehilfin und (magisches) Lustobjekt kennen. Noch

      Ende der fünfziger Jahre formulierten Autoren der älteren Generation selbst bei etwas so vergleichsweise Harmlosem wie der Pendellehre Ratschläge wie "der Magier beschaffe sich ein weibliches Medium und mache es sich hörig" - worunter natürlich "sexuelle Hörigkeit und Ausbeutung" verstanden wurden,

      eine präzise Spiegelung des Zustands der zeitgenössischen Gesellschaft. Wir wollen uns hier nicht selbst beweihräuchern oder

      gar behaupten, heute sei "endlich alles viel besser", denn keine Epoche erkennt ihre eigenen Fehler mit derselben Präzision wie die Fehler ihrer Vorgänger.

      Halten wir einfach ganz neutral fest, dass sich die allgemeine Einstellung zur

      Sexualität des Menschen, zur Rolle der Frau, zur Beziehung zwischen den Geschlechtern usw. seitdem zum Teil recht drastisch geändert hat. Überhaupt können wir heute über vieles (wenngleich längst nicht alles!) offener,

      unverblümter sprechen als noch vor zwanzig Jahren, man denke nur etwa an die männliche wie weibliche Homosexualität, an die so genannte Pornographie usw. Darüber hinaus ist ganz allgemein das Wissen um die Geheimdisziplinen und

      die "schwarzen Künste" zugänglicher geworden: Zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte konnte sich der Laie derart umfassend durch Bücher, Kurse,

      Seminare usw. darüber informieren, wenn er nur wollte. Selbst die Zeit

      unmittelbar nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg, als der

      Okkultismus mal wieder als Welle hohe Wogen schlug, gab dem einschlägig Interessierten so viel, vor allem praktisches, Material an die Hand, wie es heute

      der Fall ist. Insofern sind die Zeiten für ein Werk wie das vorliegende sehr

      günstig, zumal viele allgemeine Vorurteile der Vergangenheit ("Alle Magie ist Teufelswerk", Sexualität ist böse" usw.) zumindest etwas an Schärfe verloren"

      haben.

      Von allen Geheimwissenschaften galt die Sexualmagie jahrhunderte lang als die gefährlichste. Wir wissen heute, wie sehr diese Einstellung die

      Körperfeindlichkeit des damals alles beherrschenden Christentums

      widerspiegelte, doch damit ist das Problem leider noch lange nicht vom Tisch:

      Denn es lässt sich nicht leugnen, dass die Sexualmagie tatsächlich auch ihre gefährlichen Aspekte hat. Diese liegen allerdings - wie auch bei der Magie ganz allgemein - häufig auf völlig anderen Ebenen, als es oft angenommen wurde. Es

      soll hier mit einem Vergleich beschrieben werden, auf den wir uns immer

      wieder beziehen wollen: Die Sexualmagie ist (wie die gesamte Magie auch)

      nicht gefährlicher und nicht ungefährlicher als etwa das Autofahren. Sie verlangt nach Schulung und Praxis, sie kennt ihre Regeln und Gesetze, und wer sie

      betreiben will, muss in entsprechender Verfassung sein und aufmerksam

      bleiben. Man sollte die Gefahren der Sexualmagie also gewiss nicht

      bagatellisieren, sie aber auch nicht überbetonen, denn damit wäre niemandem gedient - und dem Menschen selbst am allerwenigsten. Im übrigen ist es eine

      zwar bedauerliche, aber nicht wegzuleugnende Tatsache, dass jene Menschen,

      die am lautstärksten vor den Gefahren der Sexualmagie zu warnen pflegen, in

      der Regel Sexualität am Verklemmtesten sind und über keinerlei praktische Erfahrungen mit der Sexualmagie verfügen.

      Wenn man die Fahrschule besucht, um Autofahren zu lernen, wird man in der

      Regel nicht erst stundenlang mit Schilderungen von Unfällen und Gefahren im Straßenverkehr verschreckt - eine vernünftige Führerscheinausbildung wird im Laufe der Praxis auf reale Gefahren und Risiken hinweisen, nicht aber vorab den Anfänger sinnlos verunsichern. Auf ähnliche Weise wollen wir hier auf die tatsächlichen Gefahren der Sexualmagie auch nicht verfrüht eingehen, sondern

      sie im Laufe der hier geschilderten und empfohlenen Praxis erwähnen, um sie

      am Ende des Buchs noch einmal kurz zusammenzufassen und zu kommentieren. Stattdessen werden wir uns hier zunächst einmal mit den Voraussetzungen für

      die Sexualmagie beschäftigen, wie wir sie verstehen.

      Grundsätzlich