Benjamin Klunzinger Karl

Albert de Menier - Exposition Universelle Die Gotteskinder von Paris


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erwähnten, dass ihr Vater auf der Weltausstellung ausstellt, darf ich Fragen was seine Firma macht?“ damit versucht der Pastor das Thema zu wechseln und wendet sich der hübschen jungen Frau zu. „Nun, er macht in Garne und Stoffe, für die Bekleidungsindustrie. Vor einigen Jahren hat er sich mit Seidenrauben befasst, um Seide herzustellen, allerdings hatte er da einiges an Lehrgeld bezahlt. Das neueste Produkt ist Stoff aus Spinnenfäden….“

      „Spinnenfäden? Und was kommt dann als nächstes? Wohl Zwirn aus Einhornhaar!“ fällt Albert Isabell spöttelnd ins Wort und macht sich darüber lustig – doch schon bereut er es, da ihn Fräulein Schubert ganz böse anschaut. Diesen Scherz hätte er sich sparen sollen und er versucht wieder einzulenken.

      „Also Spinnenfäden? Sind die nicht zu fragil und dünn?“ „Wenn Sie wirklich interessiert sind, kann ich gerne darüber erzählen“, erwidert sie mürrisch. „Man kann natürlich nicht jede Spinne die einem über den Weg läuft dafür hernehmen. Wir verwenden dafür eine spezielle Spinnenart aus Madagaskar, allerdings nicht nur eine, sondern mehrere Spinnen auf einmal. Man muss die Spinnen allerdings voneinander trennen, da sie sonst übereinander herfallen würden.“ „Und wie bekommt man den Faden von der Spinne?“ fragt Albert nun neugierig nach. „Die Spinne hat eine Drüse am Hinterleib, diese muss man berühren, und der Faden bleibt hängen. Das macht man mit allen Tierchen und spinnt die Fäden dann zusammen.“ „Benötigt man dafür nicht unzählige von diesen Tierchen?“ „Natürlich reichen da nicht nur 5-6 Spinnen, man benötigt schon mehrere hundert Spinnen. Angst darf man da nicht haben. Die Spinnen sind auch besser wie Seidenraupen geeignet, da die Raupe nur einmal einen Kokon spinnt. Die Spinne dagegen kann sehr oft verwendet werden. Ist ihr Faden zu Ende, wird sie immer wieder aufgepäppelt und liefert einen neuen Faden. Da fällt mir ein, als mein Vater damit begann, Arbeiter für die Garnherstellung zu suchen, haben die meisten, das Firmengelände so schnell wie möglich wieder verlassen, als sie ein paar hundert Spinnen auf einmal sahen. Da war auch so manch gestandenes Mannsbild dabei“, erzählt sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Wie fühlt sich so ein Zwirn eigentlich an?“ wollen die Mitreisenden wissen. „Der Stoff ist sehr geschmeidig und fein, vor allem glänzt er phantastisch in der Sonne.“ Dabei lenkt sie die Aufmerksamkeit auf ihren Schal, der wirklich außergewöhnlich im Licht der Sonne funkelt. „Der fühlt sich ja beeindruckend an, den kann sich mit Sicherheit nicht jeder leisten.“ „Deswegen ist die Ausstellung für uns so wichtig. Es hätte keinen besseren Ort wie Paris geben können. Vielleicht schaffen wir es, einen der großen Modeschöpfer, wie zum Beispiel Monsieur Felix für unsere Stoffe zu interessieren.“ „Monsieur Felix?“ so etwas kann schließlich nur ein Mann fragen.

      „Sie kennen nicht Monsieur Felix? Er ist einer der kreativsten Modeschöpfer, den die Welt je gesehen hat. Ich muss mir auf jeden Fall seine neueste Kollektion anschauen. Auf der Ausstellung hat er im Kostümpalast eine Retrospektive der Kleidung erstellt, er soll mehrere Jahre recherchiert und dann die Moden der letzten Jahrhunderte dargestellt haben. Außerdem gibt es dort im Salon Felix einmal in der Woche eine Modenschau - Les dernières créations de son atelier. Da werde ich mir so manches Kleid aussuchen. In Berlin wird mir dann keine mehr den Rang ablaufen, selbst diese Konstanze von Trapnitz nicht.“ Albert de Menier merkt, dass sich im Leben dieser hübschen Frau doch so einiges um Mode dreht und auch um die Rivalität zu dieser anderen Frau, dieser „von Trapnitz“, oder wie sie hieß. Eine Frau die etwas auf sich hält, hat anscheinend auch eine Rivalin.

      „Wie lange haben Sie vor in Paris zu bleiben?“ fragt der Pastor das junge Fräulein. „Nun, eigentlich hatte ich vor vier Wochen zu bleiben, aber wer weiß, vielleicht gefällt mir die Stadt so gut, dass ich noch länger bleiben werde.“ „Und da hat ihr Verlobter nichts dagegen?“ stichelt Pastor Koch weiter. Oh wie dankt Albert dem Pastor für diese Fragen. „Sie sind aber ganz schön neugierig, aber wäre ich verlobt, würde ich mit Sicherheit kaum alleine mit Sophie nach Paris fahren. Nicht dass ich keine Verehrer hätte, auf den Bällen kann ich mich kaum erwehren und meine Ballkarte ist immer rasch voll. Mein Vater schleppt auch immer wieder Geschäftspartner an, die wohl eine gute Partie wären. Ich möchte aber erst mein Leben genießen und dazu gehört unter anderem diese Reise nach Paris.“ Das klingt wie Musik in den Ohren des jungen Albert - Fräulein Schubert ist noch nicht verlobt, ob er allerdings eine Chance bei ihr hat, mag man trotzdem bezweifeln. Ihre Leben sind zu unterschiedlich, da sind Welten dazwischen. Was er in einem Jahr verdient, würde ihr kaum für eine Woche reichen. Die Leute würden auch darüber reden, dass er nur wegen des Geldes an ihr interessiert wäre. Ihr Vater würde ihn mit Sicherheit auch nicht akzeptieren und im hohen Bogen hinauswerfen, aber wenn er nur an dieses bezaubernde Lächeln von ihr denkt - sie hat in der kurzen Zeit sein Herz erobert.

      „Was machen Sie eigentlich in Paris?“ wendet sich nun Pastor Koch an Albert. „Ich bin beruflich unterwegs, von Beruf bin ich Kriminalkommissar bei der Berliner Polizei und abkommandiert, um auf der Ausstellung nach dem Rechten zu sehen. Aber hauptsächlich bin ich für die Belange der Deutschen Aussteller und Besucher verantwortlich und werde die Kontaktperson zur französischen Polizei sein. Ich werde auch nach der Ausstellung dort bleiben, bei der Demontage wird ebenfalls die Polizei benötigt. Eigentlich schade, dass die tollen Gebäude und Attraktionen ab dem 12. November wieder abgerissen werden, zumindest bis auf ein paar Ausnahmen. Das meiste ist auch nicht für die Ewigkeit gebaut worden, nur Gips und Sperrholz. Sogar nach der Ausstellung von 1889 wollte man den Eiffelturm anschließend wieder abreisen und jetzt kann man sich Paris nicht mehr ohne ihn vorstellen. Kaum zu glauben, aber es gab sogar die Idee den Eiffelturm für die diesjährige Weltausstellung bis zur ersten Plattform abzutragen und als Gestell für einen riesigen Globus umzufunktionieren, jetzt haben sie zum Glück den Globus auf ein Extragestell errichtet.“ „Oh mein Gott, das wäre ja furchtbar gewesen, ich wollte schon immer mal da hoch, man soll bei schönem Wetter bis zu 80 km weit blicken können“, mischt sich Fräulein Schubert in die Unterhaltung mit ein. „Es wurde nun glücklicherweise entschieden, den Turm weitgehend so zu lassen wie zuvor. Man hat ihm nur eine neue Aufzugsanlage verpasst und was ich gehört habe, soll er auch neu gestrichen worden sein. Jetzt ist er Gelborange, welches in 5 Farbtönen abgestuft wurde. Außerdem erhellen während der Nacht 5000 Glühlampen die Kontur des Turms.“ „Da haben Sie sich ja ganz gut informiert Herr de Menier, wenn das mit ihrem Polizeidienst nicht klappt, können Sie ja noch Fremdenführer werden“, witzelt Fräulein Schubert. „Nun, eigentlich gehört es zu meinem Beruf, über möglichst viel Bescheid zu wissen. Ich muss mich ja in Paris zurechtfinden und nicht nur auf dem Ausstellungsgelände. Ich habe schon sämtliche Fremdenführer und Stadtpläne durchgeschaut. Beinahe hätte sich die Ausstellung noch verschoben, da die Franzosen hinter dem Zeitplan zurückliegen. Das hätte in Preußen nicht passieren können, da wären wir wohl schon zwei Wochen früher fertig gewesen. Die Ausstellung eröffnet aber nun doch wie geplant. Da wird es eben noch so einige Baustellen geben. Ich befürchte das erschwert auch meine Arbeit, da so mancher Dieb als Bauarbeiter getarnt auf das Gelände gelangen könnte.“ „Sie scheinen ihren Beruf zu lieben. Hatten Sie schon immer vor Polizist zu werden?“ fragt Fräulein Schubert überraschend interessiert. „Es blieb mir nicht viel übrig, da mein Vater im großen Krieg gegen Frankreich gefallen war, hatte meine Mutter etwas dagegen, dass ich beim Militär eine Laufbahn einschlage. Gleich nach meiner Grundausbildung habe ich mich dann für den Polizeidienst gemeldet. Somit habe ich einen ehrbaren Beruf und konnte mich gleichzeitig um meine Mutter kümmern. Einige meiner Kameraden aus der Grundausbildung hat es in die ganze Welt verschlagen, nicht nur in die Kolonien. Als am Anfang des Jahres die Engländer begannen deutsche Schiffe in Südafrika zu kapern, da sie glaubten sie hätten Munition und Waffen für ihre Feinde geladen, haben so einige ihren Dienst quittiert und kämpfen nun freiwillig auf der Seite der Buren in Transvaal gegen die Briten. Hoffentlich werden wir nicht in einen Krieg mit Großbritannien gezogen. Ich denke zwar nicht, dass dies passiert. Unser Kaiser wird sich aus diesem Krieg wahrscheinlich heraushalten, wieso sollte er sich auch mit seiner Großmutter, der englischen Königin, anlegen. Also bleiben wir wohl neutral. Ich bin mal gespannt, wie sich die Engländer und die Buren aus Transvaal auf der Ausstellung verhalten werden. Ich denke da wird es so einige Spannungen zwischen den beiden Parteien geben. Die Engländer verlieren durch diesen Krieg momentan an Ansehen, da jeder denkt, sie haben den Krieg nur begonnen, um an die Bodenschätze dort zu kommen. Mittlerweile sympathisieren insgeheim auch einige mit den Buren, man denke nur