Benjamin Klunzinger Karl

Albert de Menier - Exposition Universelle Die Gotteskinder von Paris


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einkaufen gehen.“ „Ach Sophie, du kennst mich doch, ich kann mich oft nicht entscheiden und dann habe ich nichts zum Anziehen, es muss doch alles zusammenpassen. Kaufe ich mir neue Schuhe, passen sie wahrscheinlich nicht zu meinen Kleidern, also brauche ich ein neues Kleid. Natürlich finde ich nicht gleich das passende Kleid zu den neuen Schuhen, aber dafür ein anderes Kleid was mir sehr gut gefällt, wozu ich dann wieder andere Schuhe brauche. Ich denke du verstehst meine Misere. Naja, dann habe ich noch das gleiche Problem mit Hut, Schirm, Fächer und nicht zu vergessen dem Schmuck, ich brauche dann neuen Schmuck. Also bis ich die passenden neuen Kombinationen gefunden habe, muss ich eben das altbewährte anziehen.“ „Hast du auch etwas anderes in Paris vor, als einkaufen zu gehen? Wir werden doch den Louvre und andere Museen anschauen. Ich will unbedingt mal auf den Montmartre zu den ganzen Malern und Künstlern. Auf jeden Fall darf auch der Eiffelturm nicht fehlen.“ „Natürlich Sophie, der Louvre und der Eiffelturm sind doch Pflicht, ebenso wie die großen Kaufhäuser...“

      „Verzeihen Sie meine Damen, wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Graf Georg der Erste zu Limburg. Da hier im Speisewagen alles besetzt ist, wollte ich Sie fragen, ob die reizenden Damen etwas dagegen hätten, wenn ich mich zu Ihnen an den Tisch setze?“ Sophie wollte schon ein bisschen zur Seite rücken, als Isabell schnell antwortet „Oh das tut mir leid, aber wir benötigen diesen Platz noch für meinen Verlobten, der jederzeit kommen muss.“ Mit diesen Worten hat Isabell den gut gekleideten Herren mit Monokel und Zylinder abgewiesen, der sich kurz für die Unterbrechung entschuldigt und schließlich drei Tische weiter geht und dort einen Platz bei zwei Herren findet.

      „Aber Isabell, wieso hast du denn den Grafen angeschwindelt? Oder kommt da noch ein Verlobter, von dem ich nichts weiß? Erwartest du etwa doch noch Herrn de Menier?“ spöttelt Sophie. „Hast du das nicht gemerkt? Wenn das ein Graf ist, bin ich die Kaiserin von China. Dieser Mann hatte zwar einen schicken Anzug an, der ihm aber nicht im Geringsten gepasst hat. Der war nicht nur viel zu groß, es ist mindesten 5 Jahre her, dass der Anzug mal Modern war. Mit Kleidung kenne ich mich aus, auch mit Herrenkleidung. Außerdem waren seine Hände voller Schwielen von harter Arbeit und ich glaube nicht, dass es einen Grafen von und zu Limburg gibt.“ „Vielleicht ist er von dem weitverbreiteten verarmten Adel?“ erwidert Sophie. „Nein, nein, wäre er vom verarmten Adel, würde er nicht erster Klasse nach Paris reisen, außerdem kostet sein Anzug trotzdem noch genügend Geld, auch wenn er mindestens schon 5 Jahre alt ist. Also glaub mir, mit dem stimmt etwas nicht.“ „Schade, mit dem wäre dein Vater sicherlich einverstanden - einen Grafen!“

      Während des Essens haben die beiden die Möglichkeit den „Grafen“ zu beobachten und Isabell fühlt sich immer mehr bestätigt, dass sie Recht hatte. Nachdem der Graf die beiden Herren drei Tische weiter, ohne etwas zu bestellen, wieder verlassen hat, fangen diese sehr nervös an, nach ihren Geldbörsen zu suchen. Als sie diese nicht finden verständigten sie den Schaffner, der sich auf die Suche nach dem Grafen macht. Allerdings war der Graf nicht mehr zu finden - wie vom Erdboden verschluckt.

      „Gut, dass du gemerkt hast, dass bei dem etwas nicht stimmt. Ich glaube mir wäre die Lust auf Paris vergangen, wenn wir ausgeraubt worden wären. Allerdings ist mir doch ein bisschen mulmig, wenn man so etwas direkt mitbekommt. Ob die beiden ihr Geld wiederbekommen?“ „Ich glaube die haben soeben ihr Lehrgeld bezahlt, man kann nur hoffen, dass sie es wie Pastor Koch handhaben und nicht alles Geld in ihren Börsen hatten. Auch wenn der Schaffner den Grafen gefunden hätte, wäre es fraglich, ob er sich getraut hätte, diesen zu beschuldigen oder sogar zu durchsuchen. Entweder hat er sich schon längst anders verkleidet, und wenn nicht, hat er das Diebesgut mittlerweile weiter gereicht. Es könnte sogar sein, dass der Dieb den Zug beim letzten Halt verlassen hat“, antwortet Isabell und ruft zugleich den Kellner zum Bezahlen zu sich. Noch auf dem Weg zum Abteil kann es Sophie nicht fassen und hört nicht mehr auf, über den Vorfall zu reden.

      Als Albert wieder aufwacht scheint draußen noch die Sonne, Fräulein Schubert und Sophie sind verschwunden, allerdings ist das Handgepäck der beiden noch da. Er fragt den Pastor, der in ein Buch vertieft ist: „Wo sind denn die Damen abgeblieben?“ „Die beiden sind vor einer halben Stunde in den Speisewagen verschwunden und haben mich gebeten auf ihre Sachen aufzupassen.“ „Warum sind Sie nicht mitgegangen? Haben Sie denn keinen Hunger?“ fragt Albert den Pastor „Ach, ich reise nie ohne mein Proviantpaket, das habe ich auf meinen langen Reisen gelernt.“ Als der Pastor dies sagt, hebt er seine große Tasche aus der Ablage und öffnet diese. Da staunt Albert nicht schlecht, denn was sich in dieser Tasche befindet, reicht wohl für mehrere Wochen. Höflich wie der Pastor ist, bietet er ihm ein Stück Brot und getrocknete ungarische Salami an. „Es geht doch nichts über ein Stück Salami mit Schwarzbrot. In Paris werden wir so leckeres Brot nicht mehr so schnell bekommen“, grinst der Pastor während er genüsslich in das Brot beißt. „Da müssen Sie aber bis Paris alles aufessen, sonst bekommen Sie noch am Zoll Ärger. Die haben es nicht gern, wenn man Lebensmittel ins Land einführt, vor allem Fleisch und Wurstwaren“ „Ach was, ich habe bisher noch bei keinem Zollbeamten meine Tasche öffnen müssen.“ „Aber Herr Pastor, Sie können mir doch nicht sagen, dass Sie etwas über die Grenze schmuggeln wollen, ich bin doch Polizist.“ „Das dürfen Sie nicht so eng sehen, Sie sind schließlich kein Belgier oder Franzose, da kann Ihnen das doch egal sein. Außerdem, wenn ich in meine Bibel schaue, kann ich keine Passage finden, die besagt, dass man kein Essen mit nach Frankreich nehmen darf und für mich gelten in erster Linie die Gesetze Gottes. Ich denke es wäre eine größere Sünde, wenn ich das alles hier wegschmeißen müsste.“ „Zugegeben, das wäre Verschwendung, aber Sie bringen mich in eine missliche Lage, da ich jetzt davon weiß.“ „Also wenn Sie deswegen ein schlechtes Gewissen haben, können Sie ihr Gewissen bei mir durch eine Beichte erleichtern und ich gebe Ihnen die Absolution. Ansonsten müssten wir alles aufessen und auch noch meinen schlesischen Quittenlikör leeren, ich hoffe doch, dass Sie mir dabei helfen?“ Was soll man da noch antworten, da bleibt Albert nichts anderes übrig, als ein oder zwei Gläschen mitzutrinken, und er nimmt dankend an.

      Albert startet eine Unterhaltung mit dem Pastor, am besten über sein Lieblingsthema – nein, nicht das Essen - sondern über die Kolonien: „Glauben Sie, dass es den Eingeborenen in den Kolonien besser geht, seitdem wir sie kolonialisiert haben?“ „Natürlich, ohne uns hätten sie nicht zu Gott gefunden und die medizinische Versorgung, die sie durch uns genießen. Da sollten die Eingeborenen dankbar sein.“ „Wenn es ihnen so viel besser geht, warum gibt es dann immer wieder Aufstände, wie z.B. in Indien oder sogar in China, da soll es mittlerweile auch Probleme mit dieser Boxersekte geben.“

      „Das sind doch alles Ignoranten, die sehen nicht den Fortschritt und die Vorteile, die sie haben. Sehen Sie, ich war auch eine Zeitlang in China und da habe ich Kontakt zu diesen Boxern gehabt. Früher haben diese Menschen ihr Geld unteranderem damit verdient, Reisende gegen eine Entlohnung zu begleiten, um diese zu beschützen. Allerdings versiegte ihre Einnahmequelle, seitdem es die Eisenbahn dort gibt, und das Reisen dadurch vereinfacht wurde. Jetzt geben sie uns die Schuld, dass sie kein Geld mehr verdienen und versuchen die Ausländer aus ihrem Land zu drängen. Das sind aber zum Glück nur wenige und die chinesische Kaiserregentin sieht auch die Vorteile durch den Fortschritt. Ich denke, das legt sich wieder.“

      „Also gewinnt bei der Kolonialisierung jeder? Die Eingeborenen durch unsere Technik und wir durch die Rohstoffe? Ich bin echt gespannt, wie sich die Kolonien auf der Ausstellung präsentieren, ich glaube kaum, dass ich je in eine Kolonie reisen werde.“ „Wieso eigentlich nicht, es werden immer gute Leute gesucht, sei es durch die Missionen oder durch einen der zahlreichen Schlotbarone.“ „Schlotbarone?“ fragt Albert zurück. „Schlotbarone sind die Fabrikbesitzer, deren Fabriken mit Kaminen für Energiegewinnung oder Rohstoffverhüttung bestückt sind? Also verdienen sie ihr Geld durch ihre Schlote. Aber ich würde es natürlich begrüßen, wenn Sie im Dienste der Missionen in die Kolonien reisen - zum Wohl der Menschheit“, entgegnet der Pastor.

      „Es gibt zu viele Glücksritter, die einfach ohne nachzudenken in die Kolonien reisen, um reich zu werden. Man hört immer nur von denen, die es geschafft haben, aber auf einen der Glücklichen, die reich wurden, kommen mindestens 1.000, die es nicht geschafft haben, und wenn sie mit ihrem Leben davon kommen, kann man sie noch als glücklich bezeichnen. Jemand der wegen des Geldes in die Kolonien reist, ist auch blind, für all die herrlichen Plätze,