Ana Dee

Bis dein Atem gefriert


Скачать книгу

Birger Jarl, wo sie sich ein Zimmer gebucht hatte. Das Hotel war ein moderner kastenförmiger Bau ohne viel Schnickschnack, und genauso schlicht waren auch die Zimmer eingerichtet. Tisch, Sessel, Fernseher, karierte Tagesdecke.

      Bis zum frühen Abend blieb Frija in ihrem Hotelzimmer, um sich einen Überblick über die neuen Kundenaufträge zu verschaffen. Sie notierte erste Gedanken und freute sich schon darauf, ihrer Kreativität wieder freien Lauf zu lassen. Aber das Schönste daran war, wieder von zu Hause aus arbeiten zu können. Trautes Heim, Glück allein, dachte sie zufrieden.

      Erst als ihr Magen wegen des ausgebliebenen Abendessens rebellierte, legte sie die Unterlagen beiseite und öffnete den Koffer. Kniehohe Stiefel, ein klassischer Hosenanzug und ein eleganter Mantel landeten auf dem Bett. Frija hatte über all die Jahre ihre mädchenhafte Figur behalten, was ihr manchmal den einen oder anderen bewundernden Blick einbrachte.

      Sie sprang kurz unter die Dusche, föhnte ihr langes Haar, das anschließend in leichten Wellen ihre Schultern umschmeichelte. Dank der Schminktipps ihrer Tochter, die in dieser Richtung einiges mehr draufhatte, verlieh sie mit ein wenig Make-up ihrem Gesicht ein frischeres, jugendlicheres Aussehen.

      Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel. Nun ja, die Männer würden nicht reihenweise umfallen, aber sie fühlte sich ausgesprochen wohl in ihrer Haut. Bevor sie loszog, rief sie noch einmal Sara an, um ihr eine gute Nacht zu wünschen.

      „Hallo, mein Mäuschen, wie geht es dir?“

      „Hi Mam, alles okay“, antwortete Sara. „Und was wirst du heute Abend noch so anstellen?“

      „Ich habe mich bereits in Schale geworfen, um in meinem Lieblingsrestaurant einen Happen zu essen.“

      „Na dann, guten Appetit. Und bleib bitte anständig“, kicherte Sara.

      „Das werde ich“, erwiderte Frija lachend.

      „Bis morgen, Mam.“

      „Schlaf schön, Liebes.“

      Auf dem Weg zum Fahrstuhl schwebte sie fast lautlos über den flauschigen Teppich. Die Lobby war wie leer gefegt, nur ein älterer Herr saß in einem Sessel und studierte die Tageszeitung. Frija trat durch die Tür nach draußen. Die Luft war kühl, genau das Richtige, um die aufkommende Müdigkeit zu vertreiben.

      Die kurze Strecke bis zum Restaurant legte sie innerhalb weniger Minuten zurück. Es lag zwar in einer Nebenstraße, war aber wegen seiner ausgezeichneten Küche sehr angesagt. Obwohl das Restaurant gut besucht war, ergatterte Frija einen Fensterplatz. Sie gab ihre Bestellung auf – ein Glas Weißwein und Schweinemedaillons mit Kartoffelecken. Das hatte sie sich nach diesem erfolgreichen Arbeitstag redlich verdient.

      An den Tischen saßen hauptsächlich Paare und Frija fühlte sich ein wenig einsam. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Großstadt eine gewisse Hektik und Distanz ausstrahlte, die Frija in ihrem heimeligen Nest sonst nie zu spüren bekam.

      „Guten Abend, ist dieser Platz noch frei?“

      Überrascht schaute Frija auf und blickte in ein markantes Männergesicht mit wachen Augen. Das grau melierte Haar war akkurat und modern geschnitten, der Anzug elegant.

      „Bitteschön“, murmelte Frija und pflückte hastig ihre Tasche vom Stuhl.

      „Vielen Dank.“

      Der Mann setzte sich und ihr stieg der Duft eines ausgesprochen teuren Aftershaves in die Nase.

      „Ich störe Sie doch nicht?“ Er lächelte sanft.

      „Nein, keineswegs“, antwortete sie einsilbig.

      Der Fremde schien mindestens zehn Jahre älter als sie zu sein, sah jedoch ausgesprochen attraktiv aus. Aber das war es nicht, was sie so an ihm faszinierte. Ihn umgab eine außergewöhnliche Aura, die sie magisch in ihren Bann zog.

      „Wie schmeckt der Wein?“, fragte er.

      „Blumig“, antwortete sie.

      „Vielen Dank für die Empfehlung.“ Er hob die Hand und winkte die Kellnerin zu sich heran. „Bringen Sie mir auch ein Glas.“ Er nickte lächelnd und wandte sich wieder Frija zu. „Immer wenn ich geschäftlich in Stockholm unterwegs bin, kehre ich in dieses Restaurant ein. Es hat einen sehr guten Ruf.“

      „Stimmt“, erwiderte sie. „Genau aus diesem Grund sitze ich hier und warte auf mein Abendessen.“

      Wahrscheinlich werde ich ihn mit meiner einsilbigen Art noch vergraulen, dachte sie. Aber sie fühlte sich in seiner Gegenwart befangen, ohne zu wissen, woran das liegen könnte. Sonst war sie nie um eine witzige und humorvolle Antwort verlegen.

      Die Kellnerin servierte ihm den Wein und ging mit wiegenden Hüften zur Theke zurück. Bevor er an seinem Glas nippte, warf er einen für Frijas Geschmack anzüglichen Blick auf den Hintern der jungen Frau.

      „Es scheint so, als ob wir den gleichen Geschmack hätten. Der Wein ist eine sehr gute Wahl“, sagte er.

      „Wohl eher nicht“, antwortete sie.

      Oh wie peinlich, die Worte waren ihr unbedacht herausgerutscht. Sie war gedanklich noch beim Hinterteil der jungen Servicekraft gewesen.

      „Wie bitte?“ Der Mann zog die Stirn kraus.

      „Verzeihung, ich hatte Sie missverstanden.“ Sie lächelte entschuldigend.

      „Schon gut.“ Seine Stirn glättete sich. „Leben Sie in Stockholm?“, fragte er und warf einen neugierigen Blick auf ihre Hände.

      „Nein. Ich bin genau wie Sie hier beruflich unterwegs.“

      „Oh, als Geschäftsfrau?“, hakte er nach.

      „Nicht so ganz, ich bin in der Werbebranche tätig. Und womit verdienen Sie Ihre Brötchen, wenn ich fragen darf?“

      „Ich arbeite als Consultant und besitze eine eigene Firma.“

      „Nicht schlecht.“ Sie prostete ihm zu.

      Die junge Kellnerin kehrte an den Tisch zurück und servierte die Schweinemedaillons. „Guten Appetit.“

      „Vielen Dank.“ Frija griff zum Besteck.

      „Lassen Sie es sich schmecken“, sagte ihr Gegenüber, der diesmal auf einen Blick in Richtung Servicekraft verzichtete.

      Frija teilte das Fleisch und probierte den ersten Bissen.

      „Kommen Sie aus der Gegend?“

      Sie schaute irritiert von ihrem Teller auf.

      „Entschuldigen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.“ Er reichte ihr umständlich die Hand. „Ich bin Leif Bergmann.“

      Frija reagierte leicht verwirrt, sie wollte ihm keinesfalls ihren Namen verraten. Doch er hielt ihre Hand fest in seiner und wartete auf eine Antwort.

      „Ich bin Frija. Angenehm, Sie kennenzulernen.“

      Sie zog ihre Hand rasch zurück und merkte, dass er sich enttäuscht zurücklehnte.

      „Frija, ein sehr schöner Name“, sagte er. „Ich wohne übrigens in Södergarn, in der Nähe des Sees. Das Segeln gehört zu meinen großen Leidenschaften.“

      Sie betrachtete seine gepflegten Hände. Auch er trug keinen Ehering.

      „Ich bin am Erken zu Hause“, antwortete sie, wenn auch mit einem gewissen Widerwillen.

      „Tatsächlich? Dann haben wir ja schon die zweite Gemeinsamkeit.“ Seine Augen blitzten. „Möchten Sie noch ein Glas Wein?“

      „Ja, warum nicht“, erwiderte sie.

      Er orderte gleich eine ganze Flasche, während sie ihren Teller leerte. Das Essen war mittlerweile kalt geworden.

      „In welchem Hotel sind Sie untergekommen?“, fragte Frija, um das Gespräch wieder in eine andere Richtung zu lenken. Sie hatte schon viel zu viel Privates über sich preisgegeben.

      „Ich