Leo Gold

Gottes kleiner Partner


Скачать книгу

tion id="u39d56e61-2d2c-56c8-a5c5-e03869df577e">

      Leo Gold

      Gottes kleiner Partner

      Roman

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Vorbemerkungen

       Einleitung

       1

       1a

       2

       2a

       3

       3a

       Schluss

       Impressum neobooks

      Vorbemerkungen

      Die Figuren und die Handlung sind erfunden.

      „Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen.“ Anaïs Nin

      Einleitung

      Nur noch eine Nacht trennte Julius vor dem Anfang eines neuen Lebensabschnitts. Schon als Kind mochte er diese Abende nicht. Er fragte seine Eltern, was auf ihn zukommen würde, was er können, was er machen müsse. Seine Eltern, die keine Hellseher waren, konnten ihm keine abschließende Antwort geben. Sie sagten einfach:

      „Du wirst das schaffen!“

      Als Julius älter wurde, in die Pubertät kam, später die Volljährigkeit erlangte, an diesen Abenden begleitete ihn immer die Sorge vor dem Unbekannten. So rätselte er beispielsweise, wie er sich angemessen kleiden solle.

      Bei seinem neuen Arbeitgeber wollte er nicht zu schick erscheinen. Das hätte für die Kollegen bedeuten können, er sei ein Streber. Zu sportlich wollte er aber auch nicht wirken. Bis vor kurzem hatte er sich darüber keine Gedanken machen müssen. Traf er im Architekturbüro oder auf der Baustelle Kunden, trug er einen Anzug und ein weißes Hemd. Ansonsten war er leger gekleidet.

      So betrachtete er sich an diesem Abend mit und ohne Krawatte. Was passte besser? Für eine brauchbare Antwort hätte er seine neuen Kollegen schon kennen müssen. Seine Frau Rosa konnte ihm ebenfalls keinen verlässlichen Rat geben. Also verschob er seine Entscheidung auf den kommenden Morgen.

      Nach dem Aufstehen ließ er den Schlips im Schrank hängen. Froh, diese erste Hürde genommen zu haben, goss er in der Küche heißes Wasser auf lösliches Kaffeepulver, schmierte ein Marmeladenbrot, halbierte eine Kiwi und schaltete das Radio an. Als er sich an den kleinen Tisch vorm Küchenfenster setzte, hörte er eine Eilmeldung: Osama bin Laden sei bei der Erstürmung einer Villa in Pakistan getötet worden. Der Leichnam werde noch am selben Tag auf See bestattet. Ein Video der Aktion sei gedreht worden. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der Vizepräsident, die Außenministerin wie enge Berater und Vertreter des US-amerikanischen Militärs hätten das Geschehen live aus dem Weißen Haus mitverfolgt.

      Julius war noch schläfrig und brauchte länger als die Nachrichten dauerten, um das Gehörte zu verstehen. Er hatte nicht mehr daran geglaubt, dass sie bin Laden fassen würden. Dass sie ihn gleich wieder einer anderen Instanz unterstellten, kam ihm vor, als fürchteten sie, mit ihm als Gefangenem überfordert zu sein. Seit beinahe zehn Jahren war ihre Suche missglückt. Und jetzt an Julius erstem Arbeitstag töteten sie bin Laden, der die freie Welt mit dem Attentat auf das World Trade Center in Schrecken versetzt hatte.

      „War die Welt nun freier? Oder handelte es sich um ein Hydra-Phänomen? Wurde ein Kopf abgeschlagen, wuchsen zwei neue nach.“

      Es war zu früh am Morgen, darüber nachzudenken. Julius musste zum Bahnhof gehen.

      Drei Wochen vor seinem ersten Arbeitstag hatte er den Wohnort gewechselt. Er zog vom Süden in den Norden Deutschlands. Endlich wollte er den Alltag wieder mit Rosa verbringen. Ein gutes Jahr lang musste er zwischen München und ihrer Heimatstadt pendeln, wo sie eine Grundschule leitete.

      Sein Umzug und beruflicher Neuanfang stieß in seinem Familien- und Freundeskreis auf ein geteiltes Echo. Die Eltern fanden es bisher schön, sagen zu können, ihr Sohn arbeite beim Architekturbüro Schulz & Adler. Auch schon vor seiner Anstellung als Architekt konnten seine Eltern zufrieden über seine aktuelle Beschäftigung erzählen.

      Seine künftige Anstellung bei einem kirchlichen Verband hingegen, die zunächst auf zwei Jahre befristet war, konnte sie neuerdings in eine Bredouille bringen. Die meisten Bekannten erkundigten sich nicht extra nach Julius Beruf. Sie gingen davon aus, dass er den gut dotierten Posten nicht gegen einen schlechter bezahlten und zeitlich begrenzten aufgeben würde.

      Es gab aber auch ‚Inquisitoren‘. Dies waren Eltern, die es schon lange vermieden, über den Beruf ihrer Kinder zu sprechen. Aus Scham und Neid hofften sie, dass auch die Eltern, die bislang mehr Glück mit ihren Kindern gehabt hatten, eines Tages ihre Situation ertragen müssten. Vor diesen ‚Inquisitoren‘ führten Julius Eltern die Gründe für seine Entscheidung an, die sie selbst nicht für vernünftig hielten, die sie ihm zu Liebe jedoch so geschickt wie möglich darstellten.

      Nach ungefähr fünf Jahren wollte Julius einfach nicht mehr für das Architekturbüro arbeiten. Alles war zu Routine geworden. Zusätzlich belastete ihn das Verhalten zweier Kollegen. Er meinte, sie nützten seine Nachsicht aus. Die Respektlosigkeiten machten ihn dünnhäutig. Immer öfter schweiften seine Gedanken in Tagträume ab und sammelten sich bei einem Bedürfnis, das er in der jüngeren Vergangenheit verdrängte:

      Nachdem sich Julius in eine Frau verliebt hatte, prüfte er geduldig das Für und Wider heraus. Das kostete Zeit. So viel, dass sich in der Regel die Selbstzweifel der davon betroffenen Frauen vergrößerten, bis sie früher oder später nicht mehr warten wollten. Die erste Ausnahme seiner Mitschülerinnen bildete Bea. Ihre Selbstsicherheit ertrug den Siebvorgang bis zum Schluss. Sie führte aber letztlich auch dazu, dass sie nach dem Abitur die dreijährige Beziehung beendete. Denn sie hatte für sich erkannt, was von manchen Feministinnen wie folgt formuliert wurde: „Frauen brauchen Männer wie Fische ein Fahrrad.“

      Aus Liebeskummer flüchtete sich Julius ins Studium. Er genoss es, sich dabei selbst zu vergessen. Diesem Zustand, den einige Liebschaften unterbrachen, blieb er auch während seines Promotionsstudiums treu. Erst anschließend reihte er sich wieder in den lustigen Reigen ein. Sechs Monate vergingen, bevor die lose Bekanntschaft zu Melissa eine feste Form annahm. Und nur anderthalb Jahre später versprachen sie vor Gott, füreinander da zu sein. Jetzt hoffte er, dass sie sich in Ruhe aneinander gewöhnen und mit der Zeit ein passables Ehepaar abgeben würden. Stattdessen löste sich ihre Verbindung auf tragische Weise auf: Melissa starb an Krebs.

      So eine tiefgreifende Erfahrung hatte Julius bis dato nicht bewältigen müssen. Es fehlte nicht viel und er hätte einen Psychologen konsultiert. Aber etwas, das im Verborgenen blieb, hielt ihn davor zurück. Er zog es vor, über Melissas Tod zu schreiben und sich das Schicksal selbst zu deuten. Es klappte. Und deshalb ließ sich das schmerzhafte