Stefanie Purle

Scarlett Taylor - Wendy


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aller Helfer aufschreibt, sowie Karten verteilt.

      Der Feuerwehrmann, der ihr am nächsten steht, drückt einen Knopf auf seinem Megafon und testet das Gerät. Ein schrilles Pfeifen ertönt und einige halten sich die Ohren zu, doch dann hat er den Dreh raus und beginnt zu sprechen.

      Wie sich herausstellt, ist er der Onkel des vermissten Jungen. Er dankt uns für unser Kommen und leitet uns an, uns bei seiner Mutter, der Oma von Marcus Daim, in eine Liste eintragen zu lassen. Von ihr werden wir auch eine Karte mit eingeteilten Bereichen bekommen, auf dem auch ein Foto des Jungen aufgedruckt ist. Danach werden uns seine Kollegen in Gruppen einteilen.

      „Jetzt bitte alle in einer Reihe aufstellen. Keine Sorge, jeder kommt dran, wir haben genügend Karten dabei. Wenn die Reihe voll ist, einfach daneben weiter aufstellen.“

      Chris nimmt meine Hand und wir gehen hinter Jason und Kitty her, gefolgt vom Rest unseres Teams. Die Sonne steht schräg am Himmel und strahlt noch immer mit ganzer Kraft auf uns herab, doch zum Glück befinden wir uns im Schatten des Feuerwehrhauses.

      Es geht schnell voran und nach wenigen Minuten haben wir unsere Karten und werden von zwei Feuerwehrmännern empfangen. Sie teilen uns mit, dass wir für Bereich drei eingeteilt wurden und uns Wasser und Brötchen nehmen sollen. Danach geht es in die große Halle, wo die Einsatzwagen stehen. Ein Feuerwehrmann mit einer orangenen Weste, auf der mit reflektierendem Klebeband die Zahl drei geschrieben steht, empfängt uns.

      Ich schaue mich um und stelle fest, dass unser ganzes Team zusammen mit ein paar Unbekannten in einen Bereich eingeteilt wurde.

      „Wer noch nichts gegessen hat, hat jetzt die Zeit dafür. Die anderen können ihren Proviant auch mitnehmen. Wer keine Tragemöglichkeit hat, kann sich von dem Stapel dort hinten eine Tüte nehmen“, erklärt der Feuerwehrmann und zeigt auf einen Tisch seitlich in der Halle. „Wir fahren in fünf Minuten mit dem Bus zum Einsatzgebiet. Den genauen Verlauf der Suche erkläre ich vor Ort. Ich hoffe, ihr habt alle gutes Schuhwerk an, es geht über Äcker und Feldwege. Also Leute, in fünf Minuten geht es los!“, sagt er und entschuldigt sich, weil er von einem Kollegen gerufen wird.

      Kitty stöhnt und verdreht die Augen. Ich sehe an ihr hinab und bemerke, dass ihre zierlichen Füße in weißen Sandalen stecken.

      „Das sind deine Schuhe für die Suche? Ehrlich?“, fragt Jason und schüttelt verständnislos mit dem Kopf.

      Er selbst ist gekleidet, als wäre er zum Wandern Bergsteigen verabredet: Knöchelhohe, lederne Wanderstiefel, eine kurze Hose mit reichlich Taschen an den Seiten, dazu ein hellgrünes Shirt und darüber eine dünne Weste, mit ebenso vielen Taschen und einigen Karabinerhaken, die an Ösen baumeln.

      „Nein“, zischt Kitty und holt ihren weißen Lederrucksack vom Rücken. „Ich habe natürlich Ersatz dabei. Ich hatte nur gehofft, dass wir in zivilisiertem Gebiet suchen würden, nicht mitten in der Pampa!“

      Wir sehen ihr zu, wie sie ein paar weiße Sneakers aus dem Rucksack zieht und sie gegen ihre Sandalen tauscht.

      Naomi studiert währenddessen die Karte. „Habt ihr euch die Karte schon angesehen?“, fragt sie und sieht von mir zu Chris.

      „Nein“, antworte ich und zucke mit den Schultern. „Warum?“

      Chris betrachtet die Karte und zieht die Augenbrauen hoch. „Unser Haus und der See liegen in Bereich Vier“, klärt er mich auf.

      „Genau, das meinte ich“, sagt Naomi und nun schauen alle, bis auf Kitty, auf ihre Karten.

       Suchgebiete nach den letzten möglichen Aufenthaltsorten des Vermissten.

       Bereich 1: Innenstadt, nahe Jugendcafe und Park

       Bereich 2: Siedlung Elternhaus

       Bereich 3: Feldweg Richtung Wald

       Bereich 4: Wald und Waldsee

       Bereich 5: Alter Bahnhof bis Siedlung Elternhaus

      Die markierten Bereiche sind schraffiert und decken zusammen ein beinahe kreisrundes Gebiet ab, in dessen Mitte mit einem X das Elternhaus von Marcus Daim gekennzeichnet ist. Der See und Chris´ Anwesen liegen am äußeren Rand dieses Kreises.

      „Ist doch ganz logisch“, meldet sich Jo schmatzend zu Wort. „Wir sollen einfach das Gebiet in einem gewissen Umkreis vom Elternhaus absuchen.“ Er schluckt laut und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. „Und euer Haus fällt zufällig auch mit rein.“

      Berny und Jason stimmen ihm nickend zu.

      „Gruppe 3, seid ihr soweit?“, ruft unser Feuerwehrmann und winkt uns zu sich.

      Wir gehen auf ihn zu und steigen in den Bus, in dem bereits ein Polizist neben dem Busfahrer Platz genommen hat. Die Fahrt dauert nur wenige Minuten und ich bin froh, als ich wieder aus dem stickigen Bus steigen und frische Luft schnappen kann. Nachdem alle ausgestiegen sind, stellt sich der Feuerwehrmann mit der 3 auf der Weste vor uns hin. Er steht breitbeinig und ein wenig gebieterisch dar. Ich wette, dass er früher mal ein hohes Tier bei der Bundeswehr war, so wie er sich gibt. Der Polizist stellt sich daneben, stemmt die Hände in die Hüfte und blickt einen nach dem anderen an.

      „Also Leute, Bereich Nummer 3 beginnt hier und erstreckt sich über das ganze Feld, den Feldweg auf dieser Seite, und den Acker dort hinten, bis hinüber zum Waldrand. Im Wald ist Suchbereich Nummer 4, da braucht ihr nicht hin.“

      Wir alle schauen an dem Feuerwehrmann vorbei und überblicken das riesige Gebiet, welches in der Hitze der Abendsonne zu flackern scheint. Kitty hält sich die Hand über die Augen und seufzt.

      „Wir beginnen am äußeren Rand des Feldes und nehmen den Feldweg auf der ersten Tour mit. Wir gehen nebeneinander her mit jeweils einem Meter Abstand. So gehen wir vor dem Waldrand eine Spur weiter auch wieder zurück. Das wiederholen wir, bis wir den ganzen Bereich abgesucht haben. Unser guter Herr Wachtmeister hier“, sagt der Feuerwehrmann und deutet auf den Polizisten neben ihn, „wird das Ganze aus der Distanz beobachten, um sicherzugehen, dass wir in korrektem Abstand laufen, ohne etwas zu übersehen.“

      „Es geht nicht nur darum, den Vermissten selbst zu finden“, erklärt nun der Polizist. „Alles was ihr findet, kann von Bedeutung sein. Sei es ein Schlüssel, Handy, ein Zettel, oder auch nur ein Kaugummipapier. Jeder kleinste Hinweis kann letztendlich dazu führen, dass wir Marcus Daim wiederfinden.“ Er macht eine Pause und sieht uns nacheinander an. Dann fährt er fort. „Solltet ihr etwas finden, dann hebt es nicht einfach auf, sondern ruft Stopp!“ Seine Hand schnellt in die Höhe und er macht schon wieder eine dramatische Pause. „Dann komme ich und tüte den Beweis ein.“

      Der Feuerwehrmann klatscht in die Hände. „Also dann los!“, sagt er enthusiastisch und beginnt Richtung Feldrand zu joggen.

      „Na, das kann ja was werden“, ächzt Kitty jetzt schon und schlurft hinter uns her.

      Nach etlichen Stunden ist unsere Suche beendet. Meine Füße brennen und der Knöchel, an dem ich heute Morgen noch ins tiefe Wasser gezogen wurde, ist angeschwollen. Und so wie es aussieht, war unsere Suche komplett für umsonst. Wir haben weder Marcus Daim gefunden, noch irgendeine Spur von ihm. Das Einzige, was wir auf dem Feld fanden, war eine Münze, der Verschluss einer Coladose (den Jason erst für einen Schlüssel hielt) und diverse Plastiksplitter, die, wie sich später herausstellte, zu einem zerbrochenen Eimer gehörten, dessen Überrest weiter hinten am Feldrand lag.

      „Du hättest besser zuhause auf dem Sofa bleiben sollen. Ich hab es dir doch gleich gesagt“, mahnt Chris, während er kühlende Salbe auf meinem heißen Knöchel verteilt.

      Ich liege auf dem Sofa, meine Unterschenkel auf seinem Schoß gebettet, während mir langsam aber sicher die Augen zufallen. „Mhm“, murmle ich schwach.

      „Man kann nicht einfach vormittags fast ertrinken und dann abends schon wieder bei einem Suchtrupp mithelfen.“

      Seine Hände massieren meine heißen Füße und ich bin zu nichts fähig, als wieder