Chris Doelderer

Strasse nach Andalusien


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die Regierung, als gäbe es kein Morgen mehr. Aus seinen Tiraden ging hervor, dass ihm etliche Zulagen gestrichen worden waren.

      Ich wollte wissen, in welcher Branche er tätig ist.

      „Ich bin Pensionist und arbeite nebenbei als Hundefänger“, war seine knappe aufgekratzte Antwort.

      „Ja und was passiert mit den Tölen?“, hakte ich nach.

      „Ab und zu nimmt ein Tierheim einen der armen Köter, aber die sind meist überfüllt! Wenn sich gar nichts anderes auftut, dann muss man sie leider beseitigen, es ist eine Schande! Schuld sind nur diese verantwortungslosen Leute, zuerst muss ein Hund her und wenn sie keine Lust mehr darauf haben, werden die armen Tiere ausgesetzt.“

      Seine Stimme wurde immer zorniger.

      „Ich fahre mit denen, die nicht krank sind umher und versuche, sie irgendwo unterzubringen.“

      Je energischer seine Schilderungen wurden, desto mehr sah ich in ihm einen kläffenden Köter. Er legte aufgeregt nach.

      „Was waren die froh darüber, dass ich mich darum gekümmert habe, als immer mehr Touristen in die Gegend kamen und ihre Köter hier aussetzten. Ich konnte zu meiner kläglichen Rente einige Peseten dazuverdienen, aber auf einmal hieß es, dass kein Geld mehr zur Verfügung stehen würde, alles politisch … diese Lumpen! Eine Schande ist das! Verstehst du das überhaupt?“

      Ich seufzte und spendierte ihm ein Bier, das er in einem Zug leerte, bevor er die Mission dank und grußlos wieder verließ.

      Als der Abend über das Fischerdorf Santa Rosita hereinbrach, ging ich zurück zur Casa Debrisette.

      Die Abreise

      „Padre, wir sind soweit!“

      „Muy bien, muy bien“, kam es erfreut von Orson. Entweder hatte das mit unserer Pünktlichkeit oder seiner Vorfreude auf die Reise zu tun.

      Mit einer Lupe las er irgendwelche Notizen, anschließend wandte er seinen Rollstuhl in unsere Richtung und musterte unsere neue Bekleidung.

      „So muss das sein, Señors! Ramon Diaz wird uns demnächst hier abholen und zum Schiff bringen. Señor da Silva, bitte bringen Sie mir die Sonnenbrille von der Anrichte dort drüben und dann sollten wir uns auf den Weg machen. Ich hoffe, ihr seid gut gestärkt, denn jetzt geht es darum, um mich heil die Treppen runterzubringen!“

      „Kein Problem Señor“, sagte ich, nicht ahnend, wie schwer der Transport wurde.

      „Den Koffer und euer Gepäck holt ihr anschließend!“, dabei sah er mich an und deutete in Richtung Treppe.

      Da ich Orson bei einigen Gelegenheiten schon geschoben hatte, fiel mir sofort auf, dass dieser Rollstuhl nicht derselbe war wie der, den ich kannte.

      Er war schwerer, massiver, die Holme doppelt ausgelegt und dicker.

      Wird der Reiserollstuhl sein , war meine logische gedankliche Erklärung.

      „Da Silva, bring mir endlich meine Brille!“

      Manolo gab sie ihm und gemeinsam trugen wir Orson die Treppe hinunter. Unten angekommen, keuchte ich so erbärmlich, dass mein Kollege sich Sorgen machte. Orson blieb ungerührt.

      Als mir schwarz vor Augen wurde und ich mich hinsetzen musste, kam es lapidar: „Na geht’s noch, oder muss ich mir jemand Neuen suchen?“

      Ich winkte schnaufend ab. Manolo zeigte grinsend auf seinen Bizeps, ich erwiderte das mit einer unflätigen Handbewegung. Er ließ seinen Arm sinken und half mir auf. Manolo sprintete die Treppen hoch und holte Orsons Koffer und unsere Taschen. Zeitgleich bog ein weißer Lieferwagen in den Hof ein und bremste vor uns ab.

      Ein Mann stieg aus „Buenas tardes Señors“, begrüßte er uns mit freudigen Augen.

      „Los Leute, rein mit uns“, befahl unser Arbeitgeber und rollte zur Seitentüre, die ich sofort öffnete. Manolo und der Fahrer hievten ihn hinein. Ich bedankte mich bei Ramon Diaz, der sich grinsend an Orson wandte: „Padre, Sie haben zugelegt, liegt sicher an dem guten Essen?“, dabei wischte er sich den Schweiß von der Stirn.

      „Señor Diaz, los jetzt!“, war die karge Antwort.

      Die Fahrt verlief zunächst sehr ruhig. Manolo döste den Kopf auf seiner neuen Reisetasche vor sich hin, den Seesack hatte er in der Casa Debrisette gelassen. Ich tat, als ob ich eingenickt wäre. Mir war, als würde Orson mich die ganze Fahrt über anstarren, konnte es aber aufgrund seiner dunklen Sonnenbrille, nicht erkennen.

      Kurz vor dem Ziel schnalzte Ramon mit der Zunge und verkündete, dass wir fast da wären.

      Beim Aussteigen half er tatkräftig mit, in der Hoffnung ordentlich für die „reibungslose Fahrt“ wie er es nannte, belohnt zu werden. Orson gab ihm etliche Scheine. An Ramons Verbeugung konnte man deuten, dass das Extrageld zu seiner vollen Zufriedenheit ausgefallen war.

      Die „Flores“, unser Schiff wurde gerade vertäut, als wir uns zur Landungsbrücke aufmachten.

      Ein ordentliches und hoffentlich sicheres Schiff , waren meine ersten Gedanken.

      Manolo checkte den Kahn mit zusammengekniffenen Augen, das war seine Art, etwas in Augenschein zu nehmen. Auch für ihn schien alles in Ordnung zu sein, andererseits hatten wir ohnehin keine andere Wahl.

      Ein Mitarbeiter kam auf uns zu, um die Tickets zu kontrollieren und einzusammeln. Orson zückte die Abrisse aus der Innentasche seines Sakkos.

      Der Mann wollte wissen, ob die Reisepässe in Ordnung seien, dabei sah er uns fragend an. Bevor ich wegen meines bevorstehenden Ablaufdatums in Verlegenheit kommen konnte, fauchte unser Chef: „Was glauben Sie, um was es sich hier eigentlich handelt, den allseits beliebten dumme Buben Ausflug?“

      „Nein Señor“, unterbrach der Mann ihn: „Ich wollte Sie auf die strengeren britischen Gesetzte bezüglich der Einreisebestimmungen hinweisen. Außerdem sind wir angehalten, das hier vorab zu kontrollieren, aber so wie es aussieht, geht das in Ordnung“, dabei gaffte er uns alle mit prüfendem Blick an.

      Abschließend informierte er uns: „Señors, es wird 30 Minuten dauern, bis die Landungsbrücke freigegeben wird, bitte um etwas Geduld und gute Reise, adios!“

      Um uns standen einige Leute, die ebenfalls auf die Abfahrt der Flores zu warten schienen. Der Sprache und ihres Auftretens nach, alles britische Hilfsarbeiter, die die Heimreise antraten. Manolo flüsterte mir ins Ohr, das er nicht eindeutig sagen könne, wer in bedauernswerterem Zustand sei, der in die Jahre gekommene Kahn, oder die angesoffenen Engländer.

      Während ich mich mit Orson unterhielt, achtete Manolo mit einer Zigarette im Mundwinkel auf das Gepäck.

      Nach verstrichenen 45 Minuten rauschte es endlich aus einem Megafon:

      „Passagiere, Passengers der Flores, wir ersuchen Sie, sich zur Abfahrt fertigzumachen!“

      Manolo und ich schoben Orson mit vereinten Kräften die leichte Steigung der Landungsbrücke hinauf. Ein Hilfsjunge brachte in der Hoffnung auf Trinkgeld freundlicherweise das Gepäck hinterher. Wir hatten unsere Kabine gleich angrenzend an Orsons. Dieser wollte sich sofort zurückziehen und verweigerte jegliche Unterstützung.

      „Señor Romero, bestellen Sie mir etwas zu Essen, aber bloß nichts mit Fisch und eine Flasche Weißwein dazu. Wir sehen uns morgen um acht Uhr, Señor Romero.“

      Als ich schon fast aus der Kabine war, rief er: „Was halten Sie eigentlich von Señor da Silva?“

      „Was soll ich sagen Padre, ich kenne ihn erst seit ein paar Tagen. Vielleicht etwas kauzig, aber nicht ungut … ist nur meine Meinung, Señor.“

      „Vielen Dank, schicken Sie ihn zu mir!“

      „Ay ay Señor!“

      Als Manolo nach einer halben Stunde wieder in unserer Kabine eintraf, wollte ich wissen, was Orson von ihm gewollt hatte.

      „Schieß los Manolo, lass