Chris Doelderer

Strasse nach Andalusien


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kurzem Zögern schien Manolo es sich anders überlegt zu haben.

      Zögernd berichtete Manolo, dass der Padre ihn für weitere Aufgaben behalten wollte. Er sollte aber niemandem, auch mir nicht davon erzählen. Falls er sich bewähren würde, bekäme er in der Baja California die Chance einer Festanstellung. Orson hätte sein handwerkliches Geschick gelobt und befunden, dass er einem Typen entspräche, der sich nicht unterkriegen lassen würde. Abschließend mutmaßte er, dass er sich das aber erst überlegen würde, zuerst müsste er wissen, was der Padre von ihm erwarten würde. Ich beglückwünschte ihn und er meinte, dass unser Arbeitgeber wahrscheinlich auch noch auf mich zukommen würde. Ich winkte uninteressiert ab.

      „Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt in Betracht ziehen würde. Ich meine, in die Baja California zu siedeln und mein Spanien für längere Zeit oder gar immer zu verlassen, da müsste er schon ordentlich was bieten! Außerdem den Alten den ganzen Tag im Rollstuhl zu schieben. … Das ist nicht mein Lebensziel!“

      Es war schon eigenartig, warum Orson gerade ihn und nicht mich in seine Kabine geholt hatte.

      Ich beendete die Grübeleien, indem ich meinen Partner aufforderte, mit mir an die Bar zu gehen. Ein paar Drinks sollte meine Stimmung wieder richten. An der Bar herrschte reger Betrieb, vor allem waren es die Engländer, die ausgelassen sangen und soffen, wie es eben nur Briten können. Mir wurde die Stimmung sympathisch und ich genoss meinen Rioja in ordentlichen Mengen. Manolo blieb beim Bier deutscher Sorte. Als er sich eine Zigarette anzündete, bot er mir auch eine an, die ich dankend ablehnte.

      „Was du rauchst nicht, ist mir noch gar nicht aufgefallen!“, war sein abfälliger Kommentar.

      „Ich habe aufgehört, nachdem ich mein morgendliches Hustenritual nicht mehr ertragen konnte. Ist besser, du versuchst es auch, glaub mir, es ist gesünder!“

      „Blödsinn Jesus, von irgendetwas muss man ja den Löffel abgeben! Natürlich hast du Recht, diese Schleimauswürfe und die gelb verfärbten Finger sind nichts Angenehmes. Haha“, flachste er.

      Ich schaute auf seine Hände, sein steifer Daumen stach mir ins Auge. Da war es wieder … das Gefühl, das ich ihn von früher kannte, oder war es doch nur ein Zufall?

      „Manolo, sag wie ist es zu diesem Unfall mit dem Daumen gekommen?“

      „Habe ich dir bereits erzählt! Bei den Ordensbrüdern von „La Salle“ ist das passiert, ist schon ewig her!“

      „Wann ungefähr war das?“, wollte ich wissen.

      „Irgendwann in meiner Schulzeit.“

      „Wie alt bist du? Nein, lass mich schätzen!“

      Bevor ich meine Schätzung abgeben konnte, kam ein sturzbetrunkener Engländer an die Bar und stellte sich zwischen uns. Er fing an, den Barmann zu beschimpfen, der ihm seinerseits unmissverständlich klar machte, dass es problemloser für ihn wäre, sich in seine Kabine zu begeben. Als Geste des guten Willens würde er ihm dafür die geforderte Flasche Wodka verkaufen.

      Der Brite schien über das Angebot nachzudenken und willigte gleich darauf ein. Beim Verlassen der Bar bedachte er Manolo und mich mit verschwommenem Blick.

      Er hob die Flasche und sagte mit brüchiger Stimme: „God save the Queen“, dann marschierte er wild gestikulierend in Richtung der Kabinen ab.

      Als Manolo sich eine Zigarette anstecken wollte, bemerkte er, dass seine Packung verschwunden war. Er blickte suchend zum Boden und griff in seine Hosentasche.

      „Der Kerl hat meine Zigaretten gestohlen, das darf doch nicht wahr sein!“

      Ich bestätigte seinen Verdacht und musste dabei leicht schmunzeln.

      “Von wegen God save the Queen“, fluchte Manolo.

      Gegen 22 Uhr gingen wir gut versorgt in unsere Kabine. Ohne große Worte zu verlieren, legten wir uns rasch ins Bett. Gegen zwei Uhr 30 wurde ich von einem seltsamen Laut, den ich zunächst nicht zuordnen konnte, wach. Meine Vermutung war, dass es von dem maroden Kutter selbst kam, aber dann fiel mir wieder das quietschende Geräusch in Orsons Zimmer 112 ein. Es war dasselbe Gequietsche, das von den Rädern seines Rollstuhles aus ging.

      Nur, was wollte er so spät in der Nacht, schlief er etwa schlecht? Er wird die Toilette aufsuchen , erklärte ich mir und maß ich dem Ganzen keine weitere Bedeutung bei. Ferner wollte ich Manolos Schnarchen nicht unterbrechen und von nebenan war nichts mehr zu hören.

      Am nächsten Morgen stürmte mein Partner wild aufgeregt in unsere Kabine.

      „Jesus, Jesus der Padre ist weg! Ich sollte ihn um acht wecken! Ich war schon überall, keiner hat ihn gesehen!“

      „Jetzt beruhige dich erst, das wird sich sicher gleich aufklären“, wollte ich ihn beschwichtigen.

      Mir fiel das Ereignis der letzten Nacht wieder ein. Jetzt war auch ich hellwach und unsicher, was da auf uns zukommen würde.

      „Wo sollte er denn hin in seinem Rollstuhl, weit kommt er damit jedenfalls nicht, oder?“, Manolo zuckte nur ratlos mit den Schultern.

      Ich berichtete von den Geräuschen der letzten Nacht. Daraufhin beschlossen wir in Orsons Kabine zu gehen.

      Manolo kratzte sich am Kopf.

      Die Kabine sah unbenützt aus und sein Koffer war weg! Viele Möglichkeiten gab es nicht mehr, denn Manolo hatte im Speisesaal und auch in der Bar, die allerdings geschlossen war, nachgesehen. Da der Kahn nicht sehr groß war, sahen wir die Chance ihn zu finden verschwindend gering. Wir beschlossen zum Kapitän zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten. Gerade als wir Orsons Kabine verlassen wollten, kam dieser den Gang entlang.

      „Da sind Sie ja meine Herren, ich wollte gerade zu Ihnen. Ein Mitarbeiter hat mir erzählt, dass Sie den Mann im Rollstuhl, der mit Ihnen reist, vermissen, stimmt das?“

      „Ja das stimmt!“

      „Wer sind Sie beide?“

      „Ich bin Manolo da Silva und das ist mein Partner Jesus Romero!“

      „Wie ist der Name des Mannes, der vermisst wird?“

      „Keine Ahnung, wir sollten ihn nur Padre nennen“, antwortete ich dem Kapitän.

      Ich sah verdutzt zu Manolo, der sich ebenso verwundert gab, dass der Schiffsführer scheinbar keine Passagierliste hatte.

      „Haben Sie keine Unterlagen über die Mitreisenden?“, fragte Manolo fordernd in das grimmige, vernarbte Gesicht des Kapitäns.

      „Hey, nicht frech werden!“, schnauzte dieser erbost zurück.

      “Das hier ist nicht die Queen Elisabeth!“

      Der Kapitän befragte uns, in welcher Beziehung wir zu dem Padre stehen würden und was der Grund der Reise sei. Abschließend erklärte er, dass er das Schiff von seinen Leuten nochmals durchsuchen ließe, falls der Vermisste nicht gefunden würde, müsse er einen Funkspruch an die Polizei in Southampton

      absetzen.

      „Wie lange dauert die Überfahrt bis Southampton noch?“, wollte Manolo wissen.

      „Ungefähr dreieinhalb Stunden! Bitte haltet euch bereit Señores!“

      Als der Kapitän verschwand, wurde uns bewusst, dass wir in der Scheiße steckten, aber andererseits hatten wir uns nichts zu Schulden kommen lassen, beruhigten wir uns gegenseitig. Mit einem Gefühl der Ohnmacht begaben wir uns selbstständig nochmals auf Spurensuche, da die vom Chef des Schiffes angekündigte Suchmannschaft keine großen Ambitionen aufzubringen schien. Manolo und ich fragten uns immer wieder, wer an Bord Interesse haben könnte, Orson verschwinden zu lassen und vor allen Dingen, wie war das passiert?

      „Ich sehe das so Jesus, ich meine, wenn er nicht mehr auf dem Schiff ist, dann ist er von Bord gegangen, oder gegangen worden! Ich glaube, er ist nicht freiwillig weg, das ist für mich klar, was sollte das für einen Sinn machen, ohne uns, seine Betreuer? Dafür sind wir schließlich angeheuert worden!“

      „Du