Michael Czaykowski

Wernyhora, der Seher in der Ukraine II


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wenn sich ein Feind zeigt, schießen, und durch Feuern ihn auf das Feld hinaus treiben. Hier erst wird sodann eingehauen und immer darauf gesehen, dass man den Feind vom Bug abschneidet. Wer sich wehrt, wird niedergemacht, den Wehrlosen das Leben geschenkt.“

      Im Nu hatten die Anführer ihre Befehle gegeben, im Nu hatten sich die Abteilungen geordnet und brachen gegen den Eichenwald auf. Diesmal ritt Wernyhora neben Nekrasa. Der Ataman sieht aus wie der König der Steppe, wie der Adler: Keckheit im Auge, Stolz auf der Stirne, er fragt niemand um Rat, er gibt Befehle. Wernyhora blickt mit entzücktem Auge auf seinen Pflegesohn; für ihn würde er seine Seele opfern; auf seinen Wink ist er bereit, sein Leben hinzugeben. Sie ziehen durch den Wald, die alten Eichen hadern mit dem Winde, dumpf murmelt es in den Blättern. Ihre Sprache ist unverständlich, aber anziehend fürs Ohr, bezaubernd für die Seele. Mit ihren Wipfeln decken sie die Erde gegen die Sonne, die hundertjährigen Riesen spotten der Strahlen und halten mit ihren dunklen Schultern ihren Schein auf. Schon nähern sich die Reiter dem Ausgang des Waldes, denn der Weg wird lichter, nirgends hat man einen Feind getroffen, denn kein Schuss ließ sich hören. Rechts zieht sich ein Sumpf gegen Soboliwka hin, links sieht man Khutory und wenig weiter entfernt einen kleinen Wald. Vor ihnen erheben sich die sieben Gräber, der mittlere Hügel ist der höchste, die auf den Seiten erheben sich stufenweise weniger hoch über die Erde.

      Nekrasa winkt mit der Hand und die Kosaken hielten an. Er galoppierte allein einem Hügel zu, erstieg ihn von der Seite, um nicht vom Felde her gesehen zu werden. Er blickt scharf nach allen Seiten, kehrte zurück, sendete den Befehl an den Kämmerer, er solle so schnell als möglich nachkommen, und hielt eine Weile vor den Hügeln stille. Er stand vor Glembockis Kosaken, der Falbe schnaubte und scharrte mit den Füßen, auch dem Ataman wurden die Nüstern weiter, die Augen schossen Blitze, er witterte die Schlacht.

      „Nur mir nach, Brüder, und wir siegen.“

      Und sie setzen sich in Bewegung zwischen die Hügel hinein. Der Boden erdröhnt, die Gebisse erklingen, die Waffen klirren, Staub wirbelt empor und es braust der Wind.

      Wernyhora erstieg den höchsten Hügel, hielt an und schaute umher. Das offene Feld senkt sich gegen den Bug hinab, der Fluss zieht wie ein Silberband in dem breiten Bette dahin, jenseits des Wassers erheben sich vorne Verschanzungen, hinter ihnen liegt Tschetwertyniwka, denkwürdig durch die Niederlage des Feldherrn Kalinowski in der »Schlacht bei Batoh«. Hier hat der Chmelnyzkyj Ljachenblut, Bruderblut vergossen. Ein wenig rechts von Tschetwertyniwka schimmert Hubnyk mit seinen weißen Häusern hervor, winken Gesträuche auf den Eilanden des Bug. Weiterhin malt sich ein Teil von Skybyntsi am Ufer des Flusses, das übrige verdeckt ein Birkenwald. Vor dem Wäldchen hat sich Pobirka im Kreise gelagert, von hier aus ist das Feld offen bis nach Soboliwka, links von Tschetwertyniwka fließt der Bug in seinem weiten, klaren Bette dahin und wendet sich gegen Nordwest. Jenseits des Flusses zeichnet sich Ladyschyn mit seiner hölzernen Kirche, seinem weißen Edelhofe ab; nördlich von Ladyschyn führt der Sob seine Gewässer dem Vater Bug zur Nahrung zu, und von dort aus sieht man bis zum Eichenwald von Khutory, bis zu dessen Gärten kein Wäldchen, kein Gesträuch, kein Moor, keine Schlucht. Blickt man über diesen Umkreis hinweg, so erschaut man noch eine Menge Dörfer, Anhöhen, Wälder und Gewässer. Von der höchsten dieser Anhöhen kann der Blick gar weit umherschweifen und noch weiterhin mögen sich die Gedanken ergehen.

      Dicht vor Hubnyk sieht man eine Menge Hajdamaken, rechts die blaubraunen Kosaken Gontas, links die dunkelblauen Saporoger Salisnjaks. Aber auch auf den Wällen jenseits des Flusses entfalten sich Menschenhaufen. Nekrasa sprengte hinter dem Hügel hervor, schwenkte die Hand und das erste Hundert der glembockischen Kosaken zerstreut sich nach links und rechts, und trabt im Zickzack und in Schlangenlinien vorwärts. An der Spitze tummelt sich Bilowus auf seinem Braunen. Zwei Hunderte entfalten sich in zwei Reihen und folgen in gemächlichem Schritte den Plänklern; an ihrer Spitze reitet Nekrasa. Der Himmel war rein, die Sonne schien hell, da stiegen plötzlich zwei Wölkchen auf, stießen aneinander und es begann in einzelnen großen Tropfen zu regnen, wie wenn der Himmel Tränen vergösse über den Jammer der Menschen.

      Gonta und Salisnjak sandten ebenfalls eine Schar Plänkler aus und rücken selbst mit der Reiterei vor. Hinter ihnen drein in ungeordneten Haufen das Bauernvolk, heulend und schreiend wie eine Herde Wölfe, wie eine Rotte Teufel. Die Flinten knallen, Nekrasas Plänkler ziehen sich, obwohl langsam, zurück und der Ataman selbst macht Halt. Die Hajdamaken traben gegen den Fuß der Hügel an, die Spieße, starrend wie ein Zaun, neigen sich zur Erde, und die Führer ziehen die Schwerter. Gonta eilt den Seinigen voran.

      Nekrasa blickt zur Rechten, er sieht, wie in einer langen Reihe Jelowickis rote Kosaken sich aus Khutory entfalten; er blickt zur Linken, die Landesreiterei galoppiert über das Feld; die Fähnlein der Towarysche sind schon bei Pobirka vorüber, und sind in gleicher Linie mit dem Birkenwald von Skybyntsi. Nekrasa sendet einen Kosaken nach hinten an den Kämmerer ab. Die Hajdamaken hielten an und das Bauernvolk begann gegen den Bug zu fliehen. Nekrasa zog den Säbel:

      „Die Spieße gesenkt, Gott die Ehre!“

      Und er sprengte im Galopp voran. Glembockis Kosaken jagten ihren Pferden fast die Seele aus dem Leibe. Sie durchbrechen die Reihen der potockischen Kosaken und werfen sie nieder. Der Porucznik mit der Landesreiterei fällt schon in die Flanken, die Towarysche stechen mutig zu, die Gemeinen feuern mit Gewehren, hauen mit den Palaschen ein. Salisnjaks Saporoger setzen den roten Kosaken einen hartnäckigen Widerstand entgegen, aber der Herr Jägermeister lässt sich nicht abschrecken, er ist der erste, der mitten unter die Feinde sprengt, und ihnen die Köpfe und die Mäuler tüchtig mit Kreuzhieben zeichnet. Zweimal sind sie, er und Salisnjak, wie Kampfhähne aneinander geraten, und zweimal hat sie das Gedränge der Kämpfenden wieder getrennt. Der Watazka sucht den Ljachen. Sein Auge hat die Edelsteine und das Gold bemerkt. Der Jägermeister suchte den Watazka, bei ihm findet er den Mut, der seines Mutes würdig ist; jetzt kommt der Kämmerer mit seinen Leuten zur Unterstützung herbei, die Saporoger wanken. Salisnjak muntert mit Hand und Stimme zum Widerstand auf; wie toll fliegt er gegen den Jägermeister herbei, sein Säbel schwirrt durch die Luft und trifft dem Goldfuchs in die Lefze. Das Pferd bäumt sich und wendet sich auf die Seite. Der Jägermeister führt mit Blitzesschnelle einen Streich von der Rechten zur Linken und zeichnet den Watazka mit der scharfen Schwertspitze gerade über die Schnauze. Salisnjak bückt sich, der Kämmerer sprengte herzu und führte einen so kräftigen Hieb in das Genick, dass der Watazka vom Pferd stürzte und die Hajdamaken zerstreuten sich.

      Die Landesreiterei und die adligen Kosaken verfolgen sie um die Wette, sie hauen und stechen auf den Feind, zertreten mit den Rossehufen Verwundete und Tote. Die Hajdamaken fliegen von den Pferden wie Spreu von dem reinen Korn. Sie fallen zu Boden wie Distelköpfe unter der Schärfe der Sense. Nekrasa jagt Gonta nach, er schafft mit dem Säbel sich Bahn durch die Menge, sein Falbe macht ungeheure Sätze, er ist der Erste, der den Bug erreicht, aber der verräterische Gonta hat bei dem kräftigen Andrang der glembockischen Kosaken die Hoffnung auf den Sieg aufgegeben und sich eilig aus dem Staube gemacht.

      Bis zur Abenddämmerung dauerte das Gemetzel und die Verfolgung. Als die Dämmerung einbrach, bliesen die Trompeter die Leute zusammen, und die des Kampfes satten Krieger sammelten sich in Hubnyk. Zu hunderten wurden die Gefangenen zusammengetrieben; den Siegern kann man im Auge und im Gesichte die Freude ablesen. Die Besiegten lassen die Köpfe hängen, sei es aus Reue über die begangenen Frevel oder aus Angst vor der grausamen Strafe.

      Nekrasa hat Bilowus befohlen, mit hundert Reitern über den Bug zu setzen und das in jener Richtung zerstreute Hajdamakenvolk zusammenzutreiben. Die Edelleute und die Befehlshaber der Landesreiterei umringen den Ataman, sie danken ihm für seine Führung, sie umarmen ihn, denn das ist altpolnische, das ist adelige Sitte. Nekrasa, obwohl traurig, dass er das Schwert gegen Brüder ziehen musste, fühlte doch auch hohe Wonne darüber, dass er für die Mutter Polen kämpfen durfte.

      „Mord und Tod, wie wir jetzt hier beisammen sind, wollen wir dem Herrn Porucznik die Verfolgung dieses Galgenstricks Gonta anvertrauen, und den Herrn Ataman bitten, dass er uns nach Bar führt, um den Unsrigen Entsatz zu bringen.“

      „Einverstanden, einverstanden, wir bitten den Herrn Nekrasa darum.“

      „Gut, Ihr Herren Brüder, wenn dies euer Wunsch ist, so wollen wir mit der Morgendämmerung