Dantse Dantse

Das Visum ins Paradies Europa – Sammelband


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Ich sage ihr über dich: danke, Amina. Nicht umsonst ist dein Sohn für uns gestorben. Ich liebe dich, weil ich weiß, dass du mich liebst und du zeigst mir diese Liebe jeden Tag. Mit dir an meiner Seite kann ich nur siegen. Es reicht für heute, Gott. Ich soll dich nicht zu viel loben und schmeicheln. Gute Nacht und lenke meinen Tag morgen. Ich wollte sagen, schlaf gut. Ah, darfst du überhaupt schlafen? Gott, ich wollte nur, dass du ein bisschen mit mir lachst. Ich danke dir.“

      Er stand wieder auf.

      Johnny ging nie zur Kirche. Er war auch nicht besonders religiös, wie seine Eltern. Aber er hatte in der Bibel das gefunden, was er brauchte, um sein Leben so zu leben, wie er es vorhatte. Gott ist für alle da, sagte er immer.

      Er nahm den Umschlag wieder in seine Hand und machte sein Handy an. Als er den ganzen Inhalt des Umschlages erforschen wollte, machte sein Handy mehrmals Piep-piep. Er schaute nach. Es waren alles automatische, vom Dienstanbieter gesendete SMS. Nicole hatte die ganze Zeit versucht ihn anzurufen. Er löschte eine SMS nach der anderen und plötzlich kamen doch drei persönliche Nachrichten. Eine davon war von Nicole: “He mein Löwe, ich mache mir große Sorgen um dich. Du bist nicht zu unserer Verabredung gekommen, du hast mich nicht angerufen und dein Handy ist die ganze Zeit aus. Bitte melde dich. Ich bin so traurig und lebe in Angst. Ich bete zu Gott, dass dir nichts passiert ist. Bis dann. Je t’aime, je t’aime, je t’aime. Bisou, je t’embrasse.“

      Diese Nachricht machte ihn nun doch ein bisschen traurig. Er bekam ein schlechtes Gewissen, aber er wusste schon, was er ihr sagen würde, wenn sie ihn erreichte.

      In dem Umschlag war neben dem Geld auch ein Bild von Amina und ein kleiner Brief und eine Visitenkarte. Die Karte war vom Geschäftsführer eines Hotels. Amina hatte sicher dort angerufen und einen Job für Johnny erbeten. Sein Herz schlug mehrmals heftig als er den Namen des Hotels las. Es war das Hotel, in dem seine Freunde untergekommen waren. Was für ein Ding?, sagte er sich. Warum ausgerechnet in diesem Hotel? Er konnte doch nicht da arbeiten, wo Leute ihn kannten und für einen reichen Geschäftsmann hielten. „Danke Amina, aber dort werde ich sicher nicht arbeiten. Zumindest die nächsten zwei Wochen nicht.“ Er steckte die Karte in sein Portemonnaie und las den Brief von Amina. Es waren nur vier Zeilen, aber sehr berührende Zeilen. Den Brief steckte er auch in sein Portemonnaie und zählte das Geld. Es waren mehr als 1600 €. Er konnte seinen Augen nicht trauen.

      Er konnte doch morgen seine Freunde zum Essen einladen und ein Champagner würde geöffnet werden. „Was dir Gott umsonst gibt, solltest du nicht nur für dich allein behalten. Du musst einen Teil davon auch anderen Menschen umsonst geben, damit das natürliche Gesetz seinen Weg geht“, sagte sein Großvater immer, erinnerte er sich. Er würde an Bettler und Bedürftige ca. 100 € geben, mit seinen Freunden ca. 100 € ausgeben, 250€ würde er an Rita schicken, damit die Strom- und Wasserrechnungen rechtzeitig beglichen werden konnten, für 50 € würde er getrocknete Fische kaufen und an Wadjo schicken, und ihn bitten, ein Paket an Amina zu übergeben. Seine Schulden von 20 € bei Wadjo würde er auch begleichen. Und der Rest war für ihn.

      Es war schon 23:55 Uhr als er alle Lichter ausmachte. Es war so heiß und das Zimmer hatte keine Klimaanlage. Morgen würde er sich etwas Besseres suchen. Er könnte nun bis zu 50 € pro Monat für ein Zimmer bezahlen und drei Monate im Voraus zahlen. Für 50 € wäre das Einzelzimmer ziemlich luxuriös. Und wenn die Sache schnell ginge, konnte er auch weiter in einem Hotel bleiben, da man dort den vollen Service bekam, überlegte er.

      Er deckte sich mit dem sehr leichten Betttuch zu, aber nach nur 15 Minuten rollte er es zur Seite. Nichts zu machen, es war einfach sehr heiß. Da er nicht einschlief, fing er an, an die Deutschen zu denken. „Sie sind eigentlich sehr nett“, sagte er sich. Aber Günther und Mauritz kamen ihm ein bisschen mysteriös vor. Stefan war ganz ok, Anna und Carla auch.

      Anna schien viel offener zu sein, aber sein Gefühl sagte ihm, dass sie keine Frau für eine schnelle Affäre war. Carla auch nicht, aber sie war eine Frau mit schlafender Fantasie. Er hatte Lust auf sie, aber er wusste nicht, ob Mauritz ihr Freund war oder nicht. Das wäre ihm sowieso egal. In Kamerun ist das nicht so wichtig. Was zählt ist dein Mut, deine Worte und wie stark der andere Mann seine Frau oder Freundin im Griff hat.

      Carla wäre auch seine erste weiße Frau. Das machte ihn auch sehr an. Wie sind weiße Frauen nackt? Wie bumsen sie? Wie ist ihre Vagina? Usw. Er hatte sich bis zu dem Tag gestern nie Gedanken darüber gemacht, welche Hautfarbe seine Freundin hatte. Das war komisch, obwohl es viele weiße Frauen in Douala gab. Gezieltes Interesse hatte er nie gehabt. Dass es doch so schnell passieren könnte, hätte er nie gedacht, aber nun sagte ihm seine innere Stimme, dass mit Carla etwas zustande kommen würde. Mit dieser Fantasie, Carla in seinem Bett zu haben, schlief er endlich ein.

      Als er wach wurde, war es fast 11 Uhr. Er hatte erstaunlich gut geschlafen.

      Johnny wollte keine Zeit verlieren und schon vor dem Nachmittag in allen Hotels am Strand nach Arbeit fragen. Am schnellsten ging das mit dem Mototaxi.

      Sehr schnell war die Runde gemacht, bis auf July Beach, wo die Deutschen waren. Überall hatte er ein Nein bekommen oder der Verdienst war extrem gering. Bei einigen Hotels und Restaurants war seine Bekleidung sehr suspekt für die Direktoren. „Wie kann eine Person in Designerkleidung einen Job als Küchenhelfer suchen? Das ist sicher ein Spion des Finanzamtes oder Ähnliches. Er hat sicher was vor“, sagten sie sich.

      Ja, klar hatte Johnny etwas vor, aber nicht in dieser Richtung. Was sollte er jetzt tun? Es blieb ihm nur die Adresse von July Beach. Er war so müde und hatte Hunger. Er wollte aber zuerst seine Sachen holen und das Hotel wechseln, nicht direkt an den Strand, aber von besserer Qualität und mit Klimaanlage. Er hatte keine Lust mehr, heute noch ein Mietzimmer zu suchen, wie er es zunächst vorgehabt hatte. Als er die Tür seines Zimmers aufmachen wollte, klingelte das Telefon. Die Nummer kannte er nicht. „Wer könnte es sein?“, fragte er sich. Er zögerte ein bisschen und dann hob er ab. „Hallo“, sagte er vorsichtig. Es konnte Nicole sein, die mit einer anderen Nummer probierte ihn zu erreichen. Auf einmal erhellte sich sein Gesicht mit einem breiten Lächeln. „Ha Stefan, wie geht es dir? … Ja, …. Nein… abends?... zu spät? … wann denn?... Okay, das lässt sich machen. … Oh, nein, Johnny hält seine Versprechen. Ihr kriegt das beste Dinner, das ihr je gehabt habt in Kamerun, sogar in Deutschland, … ha haha, ja, von mir aus noch heute Abend, frag die anderen. Bin dann gegen 18 Uhr bei euch.“ Das war Stefan gewesen, der sein versprochenes Dinner haben wollte.

      Das gefiel Johnny: „Der macht es wie ein Afrikaner, der Stefan, direkt offen und sagt, was er denkt. Das gefällt mir“, sagte er über Stefan, als er in sein Zimmer hineinmarschierte.

      Er packte seine Sachen zusammen, ging zum Empfang, übergab die Schlüssel und verließ das Hotel.

      Es war schon 16 Uhr, aber es war immer noch sehr warm und es gab kaum Wind. Er schwitzte in seinem engen, sexy Hemd, das seinen schönen Körper abzeichnete.

      Nachdem er ein schöneres Hotel, nicht sehr weit vom Strand, gefunden hatte, entschied er sich, einige Minuten am Strand zu spazieren.

      Beim Spaziergang am Strand dachte er an Nicole, die wieder mehrmals versucht hatte ihn zu erreichen. Er würde sie anrufen und ihr erzählen, dass er unerwartet nach Paris fliegen musste. Er würde dann irgendwelche Dummheiten erzählen.

      Er wusste, dass sie zufrieden sein würde. Die Hauptsache für sie war doch, dass er nicht verschwunden war, und dass er immer noch da war. Es reichte, ihr Hoffnung zu geben. Den Rest würde sie einfach ignorieren. Sie wollte die Wahrheit überhaupt nicht wissen. Sie lebte in einem Traum und wollte diesen Traum behalten, solange er es wollte.

      Nun war es langsam Zeit, sich fertig zu machen für die Deutschen. Um Punkt 18 Uhr, pünktlich wie ein Deutscher, stand Johnny im Foyer des July Beach Hotels. Er war leicht angezogen, nicht im Anzug, sondern in einer engen Esprit Jeans, mit einem schwarzen Shirt und Sandalen. Vielleicht würde er hier mal arbeiten müssen und er wollte nicht schon wieder auffallen wie ein reicher Mann.

      Gerade als er zur Empfangsdame gehen wollte, sah er Mauritz in einer Ecke sitzen und am Laptop spielen.

      Er merkte nicht, wie nah Johnny schon bei ihm war, so sehr war er auf sein PC-Spiel konzentriert.