Bernadette Maria Kaufmann

Märchenfieber!


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uns.“

      „Menschenskind, Jakob!“ erwiderte das Wesen, das ganz zuerst gesprochen hatte. „Du hast Nerven.“

      „Ja, hab ich“ meinte Jakob. „Die braucht man auch. Es sind harte Zeiten.“

      Der Wolf schaute. Er war etwas ratlos, das schienen Kinder zu sein. Aber weshalb waren sie ganz alleine?

      „Kannst du uns auch ein Frühstück machen?“ fragte das weiße Wesen namens Jakob. „Elena hat den Kühlschrank heute nicht aufbekommen, und außerdem kann sie sowieso nicht kochen. Vielleicht machst du uns ein englisches Frühstück? Dann können wir alle miteinander essen.“

      Der Wolf nickte.

      Wenig später saßen sie miteinander an einem runden Tisch und verspeisten das Frühstück, das der Wolf für sie alle zubereitet hatte. Es gab Eier, Speck , Würstchen, und gebackene Bohnen. Außerdem hatte jeder ein kleines Glas Orangensaft und es gab frischen Toast, den der Wolf in Dreiecke geteilt hatte.

      Der Wolf erfuhr, dass die Mutter der Kinder weggegangen war, weil sie auf der Suche nach Arbeit war. Eigentlich hatte ja Tante Gundula auf sie aufpassen sollen.

      Bloß: Tante Gundula war gleich wieder abgezischt, denn sie hatte keine Nerven für Kinder. Sie sah auch gar keinen Grund, sich mit den Bambini ihrer Schwester herumzuärgern. Und außerdem gab es da einen reizenden Mann, den sie dringend nach Berlin begleiten musste.

      Die Kinder waren Geißlein, und er erfuhr auch gleich wie sie hießen: Elena, die ihn ganz zuerst angesprochen hatte, war die Älteste und eine Garantin für resolute Ideen. Jakob war der Jüngste, und dazwischen lagen Tabea, Eleanor, Susanna, Amelie, Werner und Niels.

      Und dass Tante Gundula weggegangen war, tat ihnen allen nicht leid.

      Na ja, dachte sich der Wolf. Das kenn ich irgendwie. Manche Verwandte sind eine absolute Zumutung, oder anders ausgedrückt: Mit den richtigen Verwandten brauchst du keine Feinde mehr.

      „Kannst du bei uns bleiben?“ fragte Elena. „Das wäre sicher lustiger als mit der blöden Schachtel von Tante.“

      Der Wolf nickte. „Das mach ich gerne. Aber was machen wir jetzt, nach dem Frühstück?“

      „Gartenarbeit!“ krähte Susanna.

      „Meine Matheaufgabe“ sagte Tabea.

      „Nein, wir scheiben meinen Französischaufsatz“ erklärte Amelie.

      „Immer der Reihe nach“ erklärte der Wolf. „Fangen wir vielleicht mit Mathe an. Dann haben wir das Schlimmste hinter uns.“

      So machten sie es dann auch.

      Später schleppten sie den Wolf in den Garten und zeigten ihm alles.

      „Sehr verwildert“ bemerkte der Wolf und befreite seinen linken Fuß aus einem kleinen Loch im Boden, das viel wilder Klee und Brennnesseln zugewuchert hatten.

      „Da drüben ist unser Gemüsebeet!“ sagte Jakob und deutete in eine Richtung, in der sicher alles Mögliche wuchs – bloß Gemüsebeet konnte der Wolf beim besten Willen keines ausmachen.

      Der Wolf räusperte sich. „Na ja, Kinder, wo parkt ihr euren Rasenmäher?“

      Spät am Abend machte der Wolf frische Palatschinken, und Elena ging in der Abstellkammer die Marmeladenvorräte suchen.

      Beim Abendessen schlemmten sie alle, und die sieben Geißlein lächelten den Wolf glücklich an.

      „Bleibst du jetzt bei uns, Wolf?“ fragte Jakob. „Mama kommt wahrscheinlich erst irgendwann mal wieder nach Hause. Falls sie es nicht so macht wie Gundula…“

      Er lachte. „Obwohl, das glaub ich eigentlich nicht. Trotzdem wäre es nett, wenn du bei uns bleiben möchtest.“

      „Das wird er wohl auch“ antwortete Elena für den Wolf. „Bei uns ist es eh viel lustiger für ihn. Und außerdem hat er die Rosen mit dem Rasenmäher umgefahren… das muss er erst mal wieder in Ordnung bringen.“

      „Na ja“ sagte der Wolf. „Außerdem, euer Gemüsebeet habe ich noch gar nicht finden können. Mir scheint, es ist spurlos verschwunden.“

      Da lachten sie alle los.

      Später sank der Wolf in die Kissen seines neuen Bettes. Morgen würde er das Zimmer ein klein wenig umdekorieren, bis seine eigentliche Besitzerin zurückkehrte. Und vor allem würde er mit den Kindern ein Gemüsebeet anlegen… Vielleicht mussten sie auch die Matheaufgabe neu machen, denn da war sicher einiges schief gelaufen – Mathe war nicht eben seine Stärke.

      Wunderschön, der Duft von Lavendel…

      Innerhalb weniger Sekunden war der Wolf auch schon eingeschlafen.

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      2.Lola und die Regentrude

      Es ist noch gar nicht lange her, da herrschte wirklich viele Wochen extreme Hitze. Bald hofften die Menschen verzweifelt, dass es endlich wieder einmal regnen würde, denn viele Landstriche waren schon ganz ausgetrocknet, und vor allem für die Bauern wurde das zu einem Problem. Sie konnten weder ihr Vieh versorgen, noch ihre Felder vernünftig bewässern – und so wurde all das auch für alle anderen Menschen zum Problem. Wer will denn unentwegt Ananas essen, und nur mehr Rind aus Argentinien?!

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      Zu Beginn ihrer Sommerferien hörte Lola, wie ihre Mama zur Großtante Liesbeth sagte: „Wenn es so weitergeht, müssen wir wohl auch wie die Müllers alle unsere Schafe schlachten lassen. Ich weiß jetzt wirklich bald nicht mehr, wie und wovon ich das teure Wasser beim Bürgermeister bezahlen soll. Lange kann ich mir das jedenfalls nicht mehr leisten.“

      Lola erschrak.

      Dann musste Mama bestimmt auch die süßen Zwillingsschäfchen von Bella und Flocki, ihren beiden Lieblingsschafen, schlachten lassen!

      Die Kleinen hatten noch gar keine Namen bekommen, bis jetzt…

      Ja, und überhaupt: Bella und Flocki!

      Und alle anderen Schafe…

      Sie begann zu weinen.

      Die Katze, die sich gerade vor dem Kamin wusch, schaute überrascht auf. „Nicht weinen, Lola!“ sagte sie. „Wir müssen nur die Regentrude wecken! Dann verjagt sie die Hitze und den wütenden Feuermann, schickt ihre Wolken – und lässt es wieder regnen! Und dann sind auch alle deine Schafe gerettet, und es geht uns allen wieder gut.“

      Sie stand auf und kam zu dem Mädchen hin.

      Sie strich um Lolas Beine.

      „Du erinnerst dich doch bestimmt noch an das Märchen von der Regentrude! Deine Oma hat es dir ganz oft erzählt. Du hast es geliebt!“

      Lola schluckte. „Aber das ist doch schon so lange her! Und… es ist ja nur ein Märchen.“

      Die Katze setzte sich und blickte Lola an. „Na und? Märchen haben doch immer einen Funken Wahrheit in sich. Hast du das vergessen?“

      Die beiden blickten einander an.

      Sehr lange blickten sie einander an, und keiner der beiden sagte ein Wort.

      Dann meinte Lola: „Na schön. Angenommen, es gibt sie – die Regentrude. Wo finde ich sie? Kann ich sie anrufen?“

      „Oh mein…“ sagte die Katze. „Anrufen?! Die Regentrude?!! Na ja.“

      Sie rannte aus der Küche.

      Lola schaute ihr ein wenig ratlos nach. Offenbar hatte sie die Katze Lucky geärgert. Aber warum war sie so schnell weggerannt?

      Lola setzte sich an den Kamin. Ja, doch… es war ja ganz interessant gewesen, das Märchen.