als Berater für verschiedene Parlamentarier arbeitet, erfahren, wie die bundesdeutschen Stromkonzerne Fakten geschaffen haben.
Gebhardt hat vor einigen Tagen mit einer Volkskammer-Delegation das Energiezentrum in der Berliner Karl-Liebknecht-Straße besucht. Die Führung durch die Schaltzentrale übernimmt der neue Staatssekretär Uwe Pautz, der sich im DDR-Braunkohlegeschäft auskennt. Er hat sich im »Demokratischen Aufbruch« engagiert, doch sein politisches Ziel ist jetzt nicht unbedingt eine wettbewerbsorientierte Energiepolitik, sondern die schnelle Einheit, komme, was da wolle.
Der frisch gebackene Staatssekretär schmeichelt den drei westdeutschen Energieriesen und führt der Volkskammer-Delegation vor, wie effizient es doch sei, wenn die großen Drei die Stromverteilung übernehmen. Alternativen lässt er völlig außen vor. Die Westkonzerne würden der DDR „einen Riesengefallen“ erweisen. Gebhardt fragt daraufhin: „Und warum hat man den Konzernen die Netze gleich mit versprochen?“
„Weil auch das am effizientesten ist“, antwortet der Staatssekretär. Man habe damit endlich den fürchterlichen Zentralismus beseitigt.
Dann zeigt Pautz, um den Fortschritt zu illustrieren, der Delegation die Schaltzentrale des Zentrums. Die Schaltkästen sind schon abgebaut. Die Versorgung kann nur noch durch den Westen und die drei Stromriesen, die dort das Netz kontrollieren, sichergestellt werden. Die DDR und ihre Volkswirtschaft ist jetzt bereits vollständig abhängig von diesen drei großen Stromern aus der BRD. Zentralismus in Reinkultur. Klar doch, dass die drei nun das DDR-Netz kontrollieren wollen, um peu à peu auch den Osten Europas zu erobern.
Der Goldrausch, der die deutschen Konzerne seit einem halben Jahr, seit November 1989, erfasst hat, wird allmählich Thema, und viele Bürger in Ost wie West werden stutzig. In einem Interview Anfang April wird der Chef des westdeutschen Kartellamts, Wolfgang Kartte, gefragt, ob er sich den Übergang zur Marktwirtschaft in der DDR so chaotisch vorgestellt habe. Ja, sagt der, das sei notwendig. Das habe er bei Ludwig Erhard nachgelesen. „Man muss Wild-West und Wild-Ost laufen lassen. Wir sollten das in Kauf nehmen.“
Der ungezügelte Kapitalismus bereitet seinen Einzug vor.
Ich las das Interview im Spiegel und wunderte mich über die ökonomischen Unkenntnisse dieses Chefs einer durchaus sehr wichtigen Behörde. So gab Kartte zum Beispiel von sich: „Wir sollten nicht überall zu fummeln und alles zu regeln versuchen. Marktwirtschaft kann sich nur bilden, wenn sie von unten her wächst.“ Er übersah geflissentlich, dass seit Jahren die Marktwirtschaft und die freie Entfaltung des Wettbewerbs »von oben her« – von den wirtschaftlich »oben angesiedelten« Großkonzernen – ausgehebelt und zu ihrem oligopolen Eigennutz umgestaltet wurden.
Dann führte er weiter aus: „Wir beobachten mit Argusaugen, was sich drüben tut, und wir verfolgen auch, welche Auswirkungen das auf den Wettbewerb in der Bundesrepublik hat. Nach unserem geltenden Kartellrecht ist die DDR für uns noch Ausland. Wir können also drüben mit unserem Gesetz nicht einmarschieren.“
Ach, kann der Westen nicht?, dachte ich, als ich das las. Die Bundesregierung tut genau das. Nicht nur die Konzernlobbyisten und die Partei-Instrukteure aus dem Westen sind in die DDR eingefallen, auch die Bonner Beamten kommen lange bevor die Wiedervereinigung ausgehandelt ist.
Und ich musste laut auflachen, als ich las, was Helmut Kohl bei der 125-Jahr-Feier des Chemieriesen BASF am 17. April gesagt hatte: „Wie in der Bundesrepublik kann auch in der DDR die soziale Marktwirtschaft aus dem Nichts funktionieren.“
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