Susi Marie Belle

Aufzug ins Glück


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Cape hatte sie ihren „Adoptivsohn“ Faultier Julius versteckt. Ihre Handaufzucht, die ihr so sehr ans Herz gewachsen war, das die beiden unzertrennlich waren. Jetzt war ich sogar ein bisschen stolz. Wer hat schon ein Faultier auf seiner Beerdigung?

      Aber wo zum Teufel steckte Adelheid, meine Stiefmutter und zukünftige Schwiegermutter? Sicher hatten wir uns öfter gestritten. Wie oft hatte sie mich „undankbar“ genannt? Natürlich sollte ich ihr dankbar sein. Aber Dankbarkeit muss auch mal ein Ende haben. Immerhin hatte sie sich nach dem plötzlichen Unfalltod meiner Eltern um mich gekümmert, wie um ein eigenes Kind. Sie war mein Vormund und hatte alles gut für mich geregelt, wirklich. Und ihr Sohn Olaf war ein lieber Kerl, aber ihn heiraten? Wer heiratet ein Kind? Olaf war von klein auf so erzogen, dass er immer das tat, was seine Mutter sagte, sein Vater rebellierte auch nicht. Er behauptete immer, dass er sich unter dem Pantoffel seiner Frau richtig wohl fühlte. Warum war ich auf meiner Beerdigung?

      Adelheid hatte wieder und wieder gejammert. Gehänselt, verspottet und ausgelacht würde sie von ihren Freundinnen, dass sie keine Enkelkinder hätte. Es gäbe sogar das Gerücht, dass Olaf schwul sei. Lisa erinnerte sich noch, wie sich Adelheid in Rage geredet hatte, Ihre Stimme wurde immer lauter, ja kreischte, hysterisch. Schließlich sprang sie vom Küchentisch auf, Ich sah das große Schlachtermesser und Blut, Blut überall. Dann wusste ich nichts mehr. Jemand beobachtete mich, ich sah in die Richtung, etwas abseits vom Grab standen zwei Polizisten, in der Mitte Adelheid. Sie war mit einem Polizisten mit Handschellen verbunden.

      „Willst du diese Schuld wirklich auf dich nehmen?“, hämmerte es in meinem Kopf.

      Das Hämmern war nicht in meinem Kopf, sondern war die Musik des Radioweckers. Selten hatte ich mich so auf einen Arbeitstag gefreut, wie nach diesen Weihnachtsfeiertagen.

      3 Im Aufzug

      „Gerade noch mal Glück gehabt.“ Die Aufzugstür schloss sich hinter mir. Der Lift fuhr nach unten, dann stockte er, ruckelte nach rechts, dann nach links. Ruhe. Ich starrte auf die Tür:

      „Und jetzt?“

      „Jetzt müssen wir warten!“

      Wo kam diese Stimme her?

      Ich fuhr herum, erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nicht allein im Aufzug war. Strahlend blaue Augen waren freundlich auf mich gerichtet und blonde Locken führten auf diesem Kopf ein Eigenleben. Ich war so fasziniert, dass ich ihn hemmungslos musterte.

      Mein Blick ging von unten nach oben. Neben einem geblümten Putzeimer sah ich durchgetretene Turnschuhe, Tennissocken und behaarte Männerwaden. Die rosafarbenen Hosenbeine waren hochgekrempelt, und endeten in einem pinkfarbenen Overall, der seine durchtrainierte Figur unsittlich betonte.

      Ein Hippie mit Meister-Propperfigur und Gottschalk-Perücke stand hinter mir. Ich holte tief Luft, dann drehte ich mich zum Bedienungsfeld des Aufzugs und drückte den Alarmknopf.

      -Nichts geschah.-

      „Der Aufzugsservice ist bestellt. Er hat uns die ganze letzte Woche vertröstet.“, kam die Stimme aus dem Hintergrund.

      „Montagmorgen hatten sie versprochen. Gekommen ist bis heute niemand.“

      Ich zog mein Handy aus der Blazertasche, das hieß, ich wollte es aus der Tasche ziehen. Da merkte ich, dass ich es wohl in der Eile auf meinem Schreibtisch vergessen hatte.

      „Na, wie es aussieht, werden wir noch einige Zeit gemeinsam verbringen. - Ich heiße Tim Fuchs. Ich bin hier der neue Hausmeister.“

      „Ich Wild, Lisa Wild!“

      Der Hausmeister nahm sein Handy und tippte auf die Tasten:

      „ Es ist spät. Hoffentlich ist noch ein Kollege da!“

      Ich trommelte gegen die Tür und rief um Hilfe.

      Tim beobachtete mich.

      Mein Gedankenkarussell begann:

      Mein Zeitplan war knapp bemessen: Olaf, mein Verlobter würde toben.

      Er hasste es zu spät zu kommen. Mein Gott, erst mal seine Mutter: Adelheid würde eine Szene machen. Sie war so stolz, Vorsitzende des Zoovereins zu sein. Diese Veranstaltung war ihr wichtig. Ich blickte auf die Uhr. Ich könnte es noch schaffen, wenn jetzt Hilfe käme!

      Nervös trat ich von einem Bein auf das andere.

      Leider etwas zu fest. Ich knickte mit dem rechten Fuß um und etwas flog durch die Luft. Es war der Absatz, den ich gerade abgetreten hatte.

      „Mist!“ fluchte ich laut.

      Tim beobachtete mich: „Heute nicht gut drauf?!“

      Ich nickte energisch. Sollte der Hippie doch denken, was er wollte.

      „Und auf` s Klo muss ich auch dringend!“

      Tim schob mir den Putzeimer mit dem Fuß zu.

      „Ich dreh mich auch um. Genieren Sie sich nicht, ich habe zwei Schwestern.“

      Ich zögerte nur kurz, denn mein Drang zwang mich zum Handeln. Betreten schaute ich auf meine Armbanduhr. Ein Geschenk von Adelheid, eine mit Brillianten besetzte Designeruhr. Leider konnte ich damit auch nicht die Zeit anhalten. Meine Augen wurden feucht. Ich spürte die salzige Flüssigkeit brennend in meinen Augen und dann parallel zur Nase hinunterlaufen.

      Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken.

      Ging es noch peinlicher? Warum hatte ich Olafs Angebot nicht angenommen, mich direkt vom Büro abzuholen. Ich biss mir auf die Lippen. Selbstvorwürfe halfen nicht. Wieder schaute ich auf die Armbanduhr. Ah! Auf dem Flur waren Schritte zu hören. Jetzt klopften Tim und ich gemeinsam gegen die Tür und riefen immer wieder: „Hilfe, Hilfe!“

      „Ist ja gut.“

      Der Mann vom Wachdienst sprach auf mich ein wie auf eine fohlende Stute, während er mit Werkzeug hantierte.

      Die Tür öffnete sich langsam.

      „So, jetzt ist der Spuk vorbei! Sie können jetzt nach Hause!“

      „Herzlichen Dank.“ Der Hausmeister klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter, während ich schon in Richtung Ausgang humpelte. Vor der Tür hielt ich Ausschau nach einem Taxi, aber weit und breit war kein Taxi zu sehen. Nur schräg gegenüber an der großen Kreuzung stand ein Mann im Trench und drehte allen vorbeikommenden Frauen seine offene Hose zu.

      Dieser Mann würde mich auch nicht nach Hause bringen, dachte ich und suchte weiter nach einem Taxi. Tim ging zielstrebig an mir vorbei, und weg war er. Doch nach gefühlt einer Stunde hatte ein Taxifahrer Mitleid mit mir und fuhr mich nach Hause. Durch den strömenden Regen war keine Stelle meines Körpers mehr trocken. Ich klappte den Schminkspiegel herunter und war geschockt:

      Meine Haare hingen wie Sauerkraut herunter. Meine Schminke war so zerlaufen, dass mein Gesicht einem futuristischen Aquarellkasten ähnelte.

      „Schlimmer geht es Nimmer“, sprach ich zu mir selbst.

      „Wir sind da.“ Der Taxifahrer lächelte mich aufmunternd an.

      Ich bezahlte schnell und öffnete die Autotür. Ein großer Schritt über die Pfütze, die sich direkt vor der Tür breit gemacht hatte und…

      Ich hörte dieses Geräusch von reißendem Stoff. Starr vor Entsetzen blieb ich stehen, mein Rock baumelte um meine Waden und verdeckte die Füße.

      „Da bist du ja endlich, ich warte schon eine Ewigkeit hier auf dich!“

      Olaf starrte mich an, dann ging er einen Schritt zurück. „Und wie du aussiehst?! ---

      Nicht vorzeigbar!“

      Er schüttelte missbilligend den Kopf.

      Meine Augen wurden feucht.

      „Reiß dich mal zusammen. Wenn du jetzt noch heulst, dauert das Restaurieren noch länger.“

      Ich stolperte ins