Pasteten.“ Er humpelte langsam zu einem Tisch und hob ein Tuch von einem Tablett. „Wir haben leider keine Köche, so dass ich vor zwei Tagen diese herrlichen Pasteten vom Bäcker holte. Sind leider kalt.“
„Jeder köstliche Bissen ist wie eine warme Umarmung, aber das Besondere an dem Ort sind die Menschen, für die Nachbarschaft noch echte Werte besitzen.“ Claudile zwinkerte Francesco zu, der ihr begütigend zunickte.
Fritz nickte beeindruckt. „Gut gesagt, Herrin. Ihr versteht es mit Worten umzugehen.“ Er blinzelte glücklich und zeigte auf mehrere Schriftrollen auf dem Tisch. „Wenn Ihr es wünscht, kann ich euch die Geschichte der Heraldik der Burg Blaqrhiken erzählen. Sie ist lang und kurzweilig.“
„Ein anderes Mal“, bemerkte Francesco kühl. „Sagt, wo sind die Angestellten? Warum brennt kein Feuer im Kamin? Das Schloss ist in einem schlechten Zustand, Mann. Warum sieht es hier aus, als würde hier niemand leben?“
Fritz kam näher und besah sich den Sprecher aus nächster Nähe an. „Wer seid Ihr, dass ihr nackt und bloß mit mir sprecht? Hat Eure Herrin ein Herz für bemitleidenswerte Geschöpfe?“
„Er ist Francesco de Palma, mein Lehrer und Vertrauter“, half Claudile aus. „Ich wollte diese Frage auch stellen. Was ist hier passiert?“
„Wohl kein Geld mehr“, grunzte böse Francesco. „Der Narr hat alles ausgegeben.“
Fritz Gesicht verzog sich, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. „Nein, mein Herr. Wir haben Geld, aber… der Hohe Herr … war eigen. Die Kammern sind voll, aber es wurde nicht gehandelt. Keine Löhne gezahlt. Ich wünschte, er wäre hier. Nach dem schrecklichen Mordfall und dieser einen Sache“, stieß er mühsam hervor. Plötzlich hielt er inne. „Das ist alles so schrecklich. Das arme Mädchen.“
„Ich versteh kein Wort.“
Die Gestalt und die Dunkelheit wichen zurück. „Bitte, grollt mir nicht, Herrin. Ich bin nur der Haushalter. Als alle gingen, bliebe ich hier. Was sollte ich sonst tun? Ich bin Haushalter seit vielen Jahren und habe viele Kommen und Gehen sehen. Doch niemand war wie Baron Lyren.“ Er wackelte zu einem Gemälde und deutete mit dem Stock auf eine bedrohlich wirkende Person, die mit straffen Muskeln und freiem Oberkörper mit einem Bären kämpfte. Schwarzes Haar bedeckte sein rundes Gesicht, das hart und teilnahmslos zusah wie der Bär unter ihm sein Leben aushauchte. Diese Art der Selbstdarstellung war unter Werwölfen üblich. Sie sollte ihre Dominanz bezeugen. „Das ist Mattes Lyren, Baron von Blaqrhiken, der 745 ein ganzes Heer aus dem Süden mit seinen Pranken vertrieb. Der Schwarze Wind, wurde er genannt! Beachtet das Blut an seinen Stiefeln. Er watete vierzehn Wochen durch das Blut seiner Feinde und schützte die Grenzen. Er ist ein Held. Gewiss kennt Eure Ladyschaft die Geschichte. Kämpfte er doch mit Miquel Alemont Seite an Seite gegen die Neue Republik. Dieser verflixte Süden! Ich spucke auf sie. Sie sollen verfaulen.“ Langsam hielt er inne, als wäre ihm ein neuer Gedanke gekommen. „Woher kommt Ihr, sagtet ihr?“
„Süden“, zischte Francesco.
Inzwischen hatten sich Claudiles Augen an das flackernde Licht gewöhnt. Bücher füllten den Raum. Sie standen nicht in Regalen aufgereiht, sondern bildeten hohe Stapel. Neben dem Kamin stand ein alter Sessel. Sie kam langsam näher und nahm den Geruch wahr: ein herber Geruch von Erde und Moschus, Kiefernharz und einer Spur Traurigkeit. Sie schnupperte erneut. Nun, das war bedenklich.
„Hatte er Kummer“, fragte sie leise. Sie nahm ein zerfleddertes Buch hoch. Jemand hatte es in der Mitte durchgerissen. Das wäre nicht nötig gewesen, dachte Claudile. Und dann dachte sie, dass es auch nicht nötig gewesen wäre, die Burg verkommen zu lassen. Die Menschen schlecht zu behandeln. Menschen heilten zwar, im Gegensatz zu Büchern, aber sie vergaßen nicht.
„Das… ähm, es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen, Herrin“, antwortete Fritz pflichtbewusst und wackelte zu einem weiteren Tablett, von dem er ein Tuch zog. „Probiert diesen besonders schönen Roten, aus unserem eigenen Anbau. Wir pflegen am Südhang eine besondere Rebe, die Wintertraube. Natürlich gehört das alles euch. Ich hole schnell einen Korkenzieher.“
„Ist es üblich, dass ein Baron auch das Amt des Stadtvogts einnimmt“, wollte Claudile wissen.
„Es musste sein, schließlich sah sich der Stadtvogt außerstande sein Amt weiter zu bekleiden.“
„Warum?“
„Weil unser Herr ihn tötete.“
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