S.C. Bauer

Wir kamen mit der Mayflower


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      Wir kamen mit der Mayflower

      Historischer Roman

      S.C.Bauer

      Erstausgabe: 07.November 2020

      als Orange Cursor-eBook

      Alle Rechte bei Verlag/Verleger

      Copyright © 2021

      S.C. Bauer/ Sabine Dittrich

      1110 Wien, Österreich

      Simmeringer Hauptstrasse 140

      Prolog

       Ok­to­ber 1619, Dor­king/ Sur­rey, Eng­land

      

      Der Herbst ist mir schon im­mer die liebs­te Jah­res­zeit.

      Ich fin­de es schön, wenn bun­te Blät­ter von den Bäu­men fal­len und die Welt am Mor­gen in Ne­bel ge­taucht ist. Da­bei er­in­ne­re ich mich mit woh­li­gem Schau­dern an die Ge­schich­ten der Feen und Erd­geis­ter, die über die dunk­le Zeit des Jah­res herr­schen.

      Es ist eine mei­ner Eigen­schaf­ten, mir über sol­che Din­ge Ge­dan­ken zu ma­chen, und mei­ne Mut­ter Ali­ce schilt mich oft des­we­gen.

      »Mäd­chen, was hast du nur im Sinn? Dei­ne Arbeit er­le­digt sich nicht durch träu­men«, meint sie und schüt­telt vor­wurfs­voll den Kopf.

      Mein Va­ter gibt ihr Recht. Er ist ein stren­ger Mann und spart nicht mit Er­mah­nun­gen. Hin und wie­der greift er auch zur Ru­te, da­mit wir uns sei­ne Wor­te gut ein­prä­gen. Mein Bru­der Jo­seph und ich ge­ben uns gro­ße Mü­he ihn zu­frie­den­zu­stel­len. Es ge­lingt uns aber nur sel­ten.

      Manch­mal be­su­chen wir Ver­wand­te in Lon­don, das nicht weit ent­fernt liegt. Wenn ich Zeit fin­de, ge­he ich zur Them­se und se­he mir die Schif­fe an. Dann stel­le ich mir vor, wie ich da­mit in fer­ne Län­der seg­le und zahl­rei­che Aben­teuer er­le­be.

      Aber ich bin kein Jun­ge und so wird das nie­mals ge­sche­hen. Wie ge­sagt ich träu­me ger­ne.

      »Unser Platz in die­ser Welt ist vor­her­be­stimmt. Al­les liegt in Got­tes Hand und nicht in unse­rem Er­mes­sen«, sagt mei­ne Mut­ter.

      Uns geht es im Gegen­satz zu vie­len an­de­ren Fa­mi­lien recht gut.

      Mein Va­ter Wil­liam fer­tigt so­li­des Schuh­werk an und das bringt uns ge­nug Brot auf den Tisch. Unser Glau­be ge­bie­tet uns je­doch, dass wir uns be­gnü­gen. So le­ben wir spar­sam und fas­ten häu­fig bei Was­ser und Brot.

      Ich ha­be eine heim­li­che Lei­den­schaft für Sü­ßig­kei­ten, die ich be­kämp­fe, aber ich bin nicht im­mer er­folg­reich da­mit.

      Ja­kob, der Sohn eines Bä­ckers aus der Nach­bar­schaft, bringt mir manch­mal Le­cke­rei­en. Es ist Ho­nig­ge­bäck und ich ge­be mich dem Ge­nuss hem­mungs­los hin, ob­wohl ich mich hin­ter­her da­für schä­me.

      Mei­ne El­tern ha­ben mich Pri­scil­la ge­nannt und ich mag den Na­men. Außer mir ken­ne ich nie­man­den, der so heißt. Selbst in den Er­zäh­lun­gen von John Ly­ly und Tho­mas Kyd, die ich heim­lich le­se, kommt er nicht vor.

      Mein Va­ter ver­bie­tet sol­ches Schrift­werk. »Wir ler­nen le­sen, um die Schrift des Herrn zu stu­die­ren«, sagt er. King James hat die Bi­bel aus dem La­tei­ni­schen in die eng­li­sche Spra­che über­set­zen las­sen, da­mit sie von al­len ge­lesen wer­den kann. Er ist das Ober­haupt der Kir­che Eng­lands, die den Leh­ren Mar­tin Lu­thers folgt.

      Mein Freund Ja­kob kann we­der le­sen noch schrei­ben. Er ist Ka­tho­lik und tut, was der Papst in Rom von ihm ver­langt. »Wir sol­len das Wort des Herrn von den Pries­tern hö­ren, denn sie ver­ste­hen, es zu deu­ten«, er­klärt er mir vol­ler Über­zeu­gung.

      Hier gibt es nur we­ni­ge Ka­tho­li­ken.

      Mein Va­ter ver­ach­tet sie: »Sie sind gott­los und ver­dor­ben«.

      Vie­le Eng­län­der sind sei­ner Mei­nung. Sie ste­hen treu zum ang­li­ka­ni­schen Glau­ben, im Gegen­satz zum Fest­land, wo die Ka­tho­li­ken in der Über­zahl sind.

      Ich weiß, dass seit zwei Jah­ren ein Krieg tobt, im Hei­li­gen Rö­mi­schen Reich. Zu­erst er­schien ein Ko­met als bö­ses Vor­zei­chen am Him­mel und dann wur­den drei ho­he spa­ni­sche Her­ren in einer Stadt na­mens Prag aus dem Fens­ter ge­wor­fen. Zwei Ar­meen be­kämp­fen sich seit­dem bis aufs Blut, we­gen ihres unter­schied­li­chen Glau­bens. Sie ver­wüs­ten das Land und stür­zen die Be­völ­ke­rung in Ar­mut und Not.

      In Eng­land herrscht zum Glück Frie­den.

      Ich be­nei­de die Ka­tho­li­ken. Sie dür­fen sün­di­gen und wenn sie es ihrem Pfar­rer er­zäh­len, so spricht er sie von ihren Sün­den los und ihre See­le ist wie­der rein.

      Wir müs­sen in je­der Stun­de unse­res Le­bens ein gott­ge­fäl­li­ges Da­sein füh­ren, um nicht der Ver­damm­nis an­heim­zu­fal­len. Je­der von uns ist durch sein Han­deln zum le­ben­di­gen Zeug­nis des Evan­ge­liums be­stimmt.

      Der Kauf­mann soll ein ehr­li­cher Kauf­mann sein, die Mut­ter soll eine gu­te Mut­ter sein und ihr Kind nicht ver­nach­läs­si­gen oder ver­zie­hen. Der Va­ter soll ein auf­rich­ti­ger, treu­er Ehe­mann sein. So ge­ben wir Chris­tus die Eh­re und pre­di­gen durch unse­re Ta­ten. Selbst der Ge­dan­ke an Sün­de ist Sün­de.

      Wir le­ben got­tes­fürch­tig und eh­ren den Höchs­ten mit unse­rer Hän­de Werk.

      Mein Va­ter ist der An­sicht, dass man stets sei­ne Hän­de be­schäf­ti­gen muss, um sei­ne Ge­dan­ken zu zü­geln. Unser Haus ist sehr sauber und mei­ne Mut­ter putzt und scheu­ert un­ab­läs­sig. Ich bin für die Wä­sche ver­ant­wort­lich und bürs­te und schrub­be sie, bis mei­ne Fin­ger rau und wund sind. Wenn mein Va­ter nur einen ein­zi­gen Fleck da­rauf fin­det, wirft er al­les in den Schwei­ne­ko­ben und ich muss von vor­ne an­fan­gen.

      Wir arbei­ten von Son­nen­auf­gang bis Son­nen­unter­gang. »Mü­ßig­gang ist die Tu­gend des Teu­fels«, sagt mein Va­ter und Re­ve­rend Tho­mas gibt ihm recht.

      Am Sonn­tag ruht die Arbeit und wir wid­men uns ganz dem Ge­bet. Wir be­su­chen mor­gens und abends den Got­tes­dienst, der ei­ni­ge Stun­den dau­ert.

      Den rest­li­chen Tag ver­brin­gen wir im per­sön­li­chen Ge­bet. Unse­re Ge­mein­de ist klein, aber stark im Glau­ben. Mei­ne El­tern sind got­tes­fürch­ti­ge Leu­te. Sie ver­trau­en auf den Herrn und bit­ten um sei­ne Füh­rung. Wir sind an­ge­se­hen in unse­rer Ge­mein­de.

      Den­noch füh­ren wir ein un­si­che­res Le­ben. Ins­ge­heim sind wir Pu­ri­ta­ner und leh­nen vie­le Ri­ten der Kir­che von Eng­land ab. Unse­re Ge­mein­de unter der Füh­rung von Re­ve­rend Tho­mas, will die ang­li­ka­ni­sche Kir­che von den ka­tho­li­schen Ele­men­ten säu­bern, die in der Hei­li­gen Schrift durch kein Wort be­legt sind.

      »Lasst euch nicht ver­der­ben von den Irr­leh­ren, die nir­gend­wo in der Bi­bel be­zeugt wer­den: Das Kreuz­zei­chen ist heid­ni­scher Aber­glau­be und das Bi­schofs­amt ist eine Er­fin­dung des Teu­fels, die Män­ner un­na­tür­lich er­höht, die doch in De­mut und Be­schei­den­heit wir­ken sol­len«, er­mahnt uns Re­ve­rend Tho­mas. Er spricht von uns als den Ver­fech­tern des wah­ren Glau­bens.

      Kö­nig James nennt uns je­doch Sek­tie­rer und lässt uns scharf ver­fol­gen.

      Im Win­ter vor zwei Jah­ren ha­ben Sol­daten mei­nen Va­ter ge­holt und ihn ins Ge­fäng­nis ge­bracht. Wir hat­ten gro­ße Angst.

      Ich ha­be nicht er­fah­ren, was man ihm vor­ge­wor­fen hat, aber ich den­ke, es hat­te mit unse­rem Glau­ben zu tun. Er war mehr als drei Mo­na­te fort, be­vor sie ihn auf Eh­ren­wort wie­der ent­las­sen ha­ben.

      Seit­dem wird unser Haus über­wacht