Eike Horn

Der Männerclub


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weiß das klingt total abgedroschen, aber was soll man denn seinem Kind sagen, wenn man es am Telefon trösten möchte.

      „Versprochen Papa?“

      „Versprochen mein Schatz!“ Hoffentlich würde sich Elisabeth auch daran halten.

      Zoé sagte noch ein zwei Dinge, die ich durch die beschissene Situation nicht ganz mitbekam, aber sie klang echt erleichtert.

      „Gute Nacht Papa. Ich hab dich lieb“, verabschiedete sie sich am Ende von mir.

      „Gute Nacht mein Schatz. Ich habe dich auch lieb. Schlaf schön.“

      Wieder das Klappern. Ich war schon dabei aufzulegen, da hörte ich Elisabeth noch einmal. „Danke Dennis. Es tut mir leid, dass du es so erfahren musst, aber ich wollte Zoé den ganzen Ärger ersparen.“ Welchen Ärger, dachte ich mir, während Elisabeth weiter redete. Ich hörte ihr nicht wirklich zu. Warum auch? Sie hatte ja alles für sich schön geklärt. Doch dann sagte Elisabeth den folgenden Satz: „Ich habe mir einen Anwalt genommen und mit ihm alles geklärt.“

      Na super. Ich stand also vor vollendeten Tatsachen. Elisabeth hatte alles schön im Geheimen geregelt und ich wurde ins sprichwörtliche kalte Wasser gestoßen und das mit der Wucht einer Abrissbirne. Vielen Dank Schicksal.

      „Auch habe ich mir eine Auszeit von meinem Job genommen. Meine Eltern kümmern sich erst mal um uns. Du hast jetzt die Ferien Zeit, eine eigene Wohnung zu suchen. Vertrödle sie nicht!“, zischte sie und legte ohne ein weiteres Wort auf. So konnte ich nichts mehr erwidern. Ziemlich lange starrte ich in den Abgrund, der sich soeben vor mir auf getan hatte. Irgendwann schlief ich mit meinem Kopf auf dem Tisch ein.

      1.

      Der Wecker klingelte mit nervtötendem Schrrrrt, Schrrrrt. Nur langsam kroch das Geräusch in mein Bewusstsein und als es dort an kam, entschied es sich auch nur langsam aus dem tiefen Schlaf zurück in die Wirklichkeit zu kriechen. Meine Hand begann im Dunkeln nach dem Wecker zu suchen. Als ich ihn endlich gefunden hatte, rutschte der Wecker durch meine Berührung vom Nachtschränkchen und landete mit einem ungesunden Krachen auf dem Boden. Völlig unbeeindruckt von seinem Sturz, machte er weiter Schrrrrt, Schrrrrt. Das hatte mir noch gefehlt, denn jetzt musste ich auch noch am Boden nach dem fiesen Ding tasten. Nachdem ich ihn endlich unter dem Bett gefunden hatte, stellte ich den Wecker zurück auf seinen Platz und schaltete ihn endlich aus.

      Gequält schaute ich auf die Uhr. Mittlerweile war es 6.30 Uhr. Den Wecker hatte ich so eingestellt, dass er ab 6.20 Uhr schrrrrte. Ein Morgenmuffel wie ich brauchte verdammt lange Zeit, um in die Gänge zu kommen. Und dann war auch noch Montagmorgen und ich fühlte mich nach dem Wochenende mehr gerädert als sonst.

      Verschlafen schaltete ich die Nachttischlampe ein und musste erst mal die Augen zu kneifen. Das Licht kam mir greller vor, als es in Wirklichkeit war. Als meine Augen sich endlich an die Helligkeit gewöhnt hatten, schlug ich meine Schlafdecke zurück und kroch mühsam aus dem Bett. Meine Muskeln schrien, dermaßen unentspannt waren sie. Noch im Halbschlaf zog ich das Rollo hoch, um endlich das Tageslicht in mein Schlafzimmer zu lassen und trottete dann gemächlich in die Küche. Morgens brauchte ich meinen Kaffee, wie wohl neunzig Prozent der deutschen Bevölkerung auch. Oder waren es weniger? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen.

      Nachdem ich die Kaffeepads in die Kaffeemaschine getan und den Knopf betätigt hatte, rauschte die dunkle Flüssigkeit mit den Summen der Maschine in die große Tasse. Der gewohnt gute Duft des heißen Kaffees stieg mir in die Nase und weckte ein wenig meine Lebensgeister.

      Ich setzte mich an den kleinen Esstisch, der in meiner Küche stand und schaute aus dem Fenster. Die Sonne ging gerade auf. Ein erneut schöner Frühlingstag kündigte sich an. Es war der Fünfte in folge und man musste froh sein, so früh im Frühling schon solche angenehmen Tage zu bekommen.

      Deswegen war ich auch so gerädert. Natürlich nicht wegen des Frühlings, sondern wegen meiner acht jährigen Tochter, die jedes Wochenende zu mir kommt. Gestern waren wir mehr als die Hälfte des Tages auf Inlinern unterwegs. Auf halber Strecke machten wir ein gemütliches Picknick, mit Bananen, Karotten und selbst gemachte Frikadellen. Dazu hatten wir ein Baguette und Tomaten-Frischkäse-Dipp.

      Genussvoll nippte ich an meinem Kaffee, während ich in den Erinnerungen schwelgte. Mmh tat das gut. Leider verbrannte ich mir beim zweiten Schluck die Zunge. Er war einfach noch zu heiß, um ihn in einem Zug zu trinken. Man sollte es einführen, Kaffee intravenös zu geben, auch wenn man sich dann um den Genuss brachte.

      Wieder schweifte mein Blick zum Fenster. Die Bäume an der Straße wiegten sanft im Wind. Schade dass noch keine Knospen zu erkennen waren, obwohl der Frühling dieses Jahr sehr früh ins Land zog.

      Hier saß ich nun mit meinen 35 Jahren und meiner Meinung nach, hatte ich schon einiges in meinen Leben erlebt. Inklusive meiner ersten gescheiterten Ehe. Seit gut acht Monate lebte ich von meiner noch Ehefrau, Elisabeth, getrennt.

      Einmal mehr kamen mir die Erinnerungen der letzten Jahre hoch. Das geschah in letzter Zeit immer öfter. Einige dieser Erinnerungen waren sehr genau, andere dagegen nur noch verschwommene Bilder. Warum das so war, konnte ich mir nicht erklären. Auch nicht, weshalb sie mir in regelmäßigen Abständen in den Kopf kamen. Vielleicht lag es daran, dass ich mit allem endgültig abgeschlossen hatte. Wer weiß das schon?

      Alles fing vor ungefähr 10 Jahren mit Elisabeth an, denn da lernten wir uns kennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen neuen Job in einer kleinen IT-Sicherheitsfirma in Düsseldorf angefangen. Dummer Weise bekam ich ausgerechnet in der Probezeit, eine saftige Erkältung. Da wollte ich es mir nicht erlauben, krank zu feiern.

      So schleppte ich meine müden, kranken Knochen nach einem gerade so überstandenen Arbeitstag in die nächstbeste Apotheke, die sich zu meinem Glück bei mir um die Ecke befand. Es war so zu sagen meine Stammapotheke. Kaum hatte ich die Apotheke betreten, sah ich, dass Elisabeth Dienst hatte. An jenem schicksalhaften Tag hatte sie Spätschicht. Obwohl meine Augen durch die Erkältung geschwollen waren und ich deshalb kaum etwas richtig erkennen konnte, erkannte ich Elisabeth sofort, während die anderen Mitarbeiter mir nicht sonderlich auffielen. Aus einer Laune heraus, die ich mir bis heute nicht erklären kann, stellte ich mich in der Schlange an, die zu Elisabeth führte. Ausgerechnet an diesem Tag, wo es mir so schlecht ging, war die Apotheke voll. Hatte etwas von Murphys Gesetz.

      Elisabeth sah, meiner damaligen Meinung nach, verdammt gut aus. Und wenn es mal ruhiger war, unterhielten wir uns recht häufig. Man könnte meinen ich wäre ein Medizinjunkie gewesen. Wir waren, wie man so schön sagt, auf einer Wellenlänge. Durch die Gespräche kamen wir uns näher und ich muss gestehen, dass ich sie wirklich sehr sympathisch fand. Mehr jedoch nicht, wie ich mir immer wieder einbildete.

      „Ich bräuchte was gegen Erkältung“, flüsterte ich heiser, als ich an der Reihe war. Meine Stimme hatte damals auch schon bessere Zeiten hinter sich gehabt.

      Elisabeth sah mich bedauernswert von ihrem Platz hinter dem Tresen an. Erstaunlich wie gut ich mich an ihren Blick noch erinnere. Sie machte ein Gesicht, welches tausend Bände sprach. Ungefähr so, als würde sie mich höchst persönlich auf einer Trage, in ein Krankenhaus bringen wollen.

      „Du sahst aber schon mal besser aus“, sagte sie erschrocken zu mir. „Besser du suchst einen Arzt auf.“

      In diesem Augenblick musste es um mich geschehen sein, denn es wirkte für mich, als würde ich die Stimme eines Engels hören. Das könnte natürlich auch an meiner Erkältung gelegen haben. Meine Ohren waren durch die Erkältung auch nicht die Besten.

      „Für einen Arztbesuch habe ich leider keine Zeit“, krächzte ich hervor.

      „Das ist nicht gut, aber ich kann dir das und das empfehlen“, beratschlagte Elisabeth mich. Dabei zeigte sie mir zwei Medikamente, die man oft in der Werbung sah.

      „Wenn du die regelmäßig einnimmst und dann noch heiße Zitrone mehrmals am Tag trinkst, wird es dir schnell besser gehen.“

      Ich bedankte mich so gut ich konnte. Dann kam der Moment, welcher die nächsten Jahre meines Lebens bestimmen