H. Georgy

Geheimauftrag für Sax (1)


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als er erfuhr, dass der noch am Leben war. Seine Mutter hatte ihm, soweit das bekannt ist, ursprünglich etwas Gegenteiliges gesagt gehabt.“

      „Und dann hat er sich überraschend bei seinem Daddy gemeldet.“ Freysing stellte sich das Bild eines erwachsenen Mannes vor, der plötzlich an die Tür des alten Kapitäns klopft und sagt: ´Hallo, wie geht’s? Ich bin übrigens dein Sohn!´

      „Nein, so war es ganz und gar nicht.“

      „Sondern?“

      „Eines Morgens, Willy machte gerade hier Station und wartete auf sein neues Kommando, erschienen zwei Kriminalbeamte vom LKA Hamburg. Sie waren sehr freundlich, aber die Nachricht, die sie überbrachten, war tragisch.“

      „Was ist geschehen?“

      „Peter“ – sie sprach es englisch aus – „wollte wohl seinen Vater wirklich überraschen. Oder er wollte ihn erst einmal beobachten und sich dann nähern. Vielleicht hatte er aber auch etwas ganz anderes vor. Wir werden es vielleicht nie erfahren. Denn auf der Autobahn gab es einen schweren Unfall.“

      „Und Peter kam dabei ums Leben.“ Es war für Freysing mehr eine Feststellung als eine Frage. Lena Palmer hatte von Tragik gesprochen.

      „Ja. Die Polizisten sagten, er habe Unterlagen dabei gehabt, aus denen hervor ginge, dass Willy sein Vater sei. Keine Geburtsurkunde, die Mutter hatte „Vater unbekannt“ angegeben gehabt. Aber einige andere Dokumente, Briefe und zusammengetragene Beweise über den damaligen Gast-Aufenthalt des deutschen Minenräumers in Rosyth und die Liaison mit seiner Mutter.“

      „Hm.“, machte Freysing überlegend. Das konnte freilich etwas sein, das einen Vater aus der Bahn warf. Er erfährt, dass er einen unehelichen erwachsenen Sohn hat, der auf dem Weg ist, ihn kennenzulernen, aber im selben Augenblick, dass er auf der Fahrt zu ihm ums Leben gekommen sei.

      Das schien aber noch nicht die gesamte Geschichte gewesen zu sein, die Lena zu berichten hatte, und sie fuhr auch sogleich fort.

      „Das war allerdings nicht alles, was man bei Peter fand. Im Gepäck fand sich ein schaumgummigepolsterter großer Koffer mit einem CheyTac M200 Scharfschützen-Schnellfeuergewehr samt Zubehör.“

      Freysing pfiff leise durch die Zähne. Das Sniper-System war mit das Beste, was zur Zeit auf dem Markt war, um auf große Distanz zielsicher jemanden zu erledigen. Und außerhalb der legalen Kanäle sehr schwer zu beschaffen.

      „Sie kennen sich aus, hm?!“ hakte er nach, doch überrascht über Lenas scheinbares Sachverständnis.

      „Nein, ich eher nicht, aber Willy wohl ein bisschen. Die Polizeibeamten haben die Marke erwähnt, so, als sei das Ding was ganz besonderes.“ Sie lächelte nicht, als sie das sagte.

      „In der Tat!“ meinte Freysing. „Das ist nichts für Schützenvereine auf dem Lande.“

      Der Sohn wollte den Mann umbringen, der seine Mutter geschwängert und dann abgehauen war?! Sowas soll´s geben, aber immer noch glaubte er nicht, das Lena schon zu Ende erzählt hatte – und sollte recht behalten.

      Sie schüttelte den Kopf. „Das, was das Landeskriminalamt wohl über ihn herausgefunden hat, ist wesentlich schlimmer!“

      Er hatte eine „St.-James“ zu Ende geraucht und steckte sich sogleich eine Neue an, gespannt, was noch kam. Dabei bot er ihr eine an, aber sie schüttelte nur dankend ablehnend den Kopf. Dann forderte er sie auf, weiterzusprechen.

      „Wenn das, was die Polizisten Willy gesagt haben, stimmt, war Peter nicht das, was er zunächst schien. Er war kein Handelsvertreter.“

      „Sondern?“

      „Ein Berufsmörder.“ sagte sie leise. „Ein Killer, der mit dem Tod von mindestens sieben prominenten Menschen in Verbindung gebracht wird.“

      Freysing schluckte kurz. „Ein sehr sentimentaler Berufsmörder!“

      „Ein sehr in die Enge getriebener Berufsmörder, dem die Polizei immer näher kam, der auf der Suche nach seinen Wurzeln war und vielleicht seinen Job an den Nagel hängen wollte…“ sinnierte Lena.

      „Was seinen Auftraggebern möglicherweise nicht recht war.“

      ´Aber wenn dieser Peter ein fähiger Berufsmörder war, wieso weiß ich dann nichts von ihm?´, dachte Freysing. Er beschloss, so schnell wie möglich über seine Kanäle herauszufinden, was über Peter herauszufinden möglich war. Es musste doch etwas in den Datenbanken des BND über so einen wie „Peter“ geben.

      „Was ist dann weiter passiert?“

      „Willy war danach verstört. Er wurde schnell unkonzentriert, depressiv, begann zu trinken, mehr als für ihn gut war, und geriet in üble Kreise. Ich habe dann Helga, die ich von meiner Arbeit her gut kenne und der ich vertraue, angehauen, um ihn da rauszuholen. Sie hat mir Milo und Vaclav vermittelt, um ein wenig auf ihn aufzupassen. Aber er zog sich innerhalb kürzester Zeit immer mehr zurück. Dann gab es auch schon den Unfall während der Testfahrt mit seinem neuen Schiff, für den man ihm die Schuld in die Schuhe schob.“

      Freysing fragte an dieser Stelle nicht nach, was sie eigentlich arbeitete.

      „In den letzten Wochen fing er sich dann wieder, aber als ich von meiner Reise zurückkam, war er nun plötzlich verschwunden. Ich habe mir sofort Sorgen gemacht und dann die beiden, Milo und Vaclav, nochmal gebeten, nach ihm zu suchen. Sie kennen sich aus und wissen, wo man wen in Hamburg fragen muss, um jemanden wie den Kapitän zu finden. Aber Fehlanzeige. Und dann kreuzen Sie hier auf und stellen ebenfalls Fragen nach ihm. Sagen Sie – sie sind doch nicht wirklich sein Neffe, oder?“

      Der BND-Agent wusste, dass er seine Legende nicht aufrecht erhalten konnte.

      „Sagen wir mal so: Es gibt Leute, die sind sehr beunruhigt, was mit ihm los ist, und sie haben mich gebeten, herauszufinden, was genau geschehen ist.“

      Er überlegte: Niemand hatte bisher diesen „Peter“ erwähnt. Auch, als man seinerzeit die Hintergründe des Unfalls auf der „Baden-Württemberg“ durchleuchtete und die Lebenssituation von Novotny einer Kontrolle unterzog, hatte sich laut dem Dossier keine Verbindung zwischen einem Berufsmörder „Peter“ und dem Kapitän ergeben, die den zuständigen Dienst erreichte. Obwohl das LKA Hamburg offenbar mit der Sache befasst war und es eigentlich auch dort Daten im Computer geben musste. Aber von Lena hatte sein Dienst bisher auch nichts gewusst. Neue Namen, neue Spuren?

      Fast hatte er den Eindruck, da wurde etwas unter den Teppich gekehrt, und zwar wesentlich mehr als nur ein kleiner Decksunfall.

      „Können Sie sich an die Namen der ermittelnden Beamten erinnern?“ fragte er Lena.

      Sie schüttelte den Kopf. „Beim besten Willen nicht.“ Dann schien ihr etwas ganz anderes einzufallen.

      „Entschuldigen Sie, ich bin unhöflich. Darf ich ihnen einen Tee anbieten? – oder etwas Stärkeres?“

      In einer Ecke des Raumes, neben dem künstlichen Kamin, hatte er eine offene Bar in Form einer großen halben braunen Weltkugel entdeckt.

      Sie bemerkte seinen Blick, stand selbst auf, und bereitete zwei Gläser vor.

      „Einen Vodka?“ fragte sie, zu ihm hinüber blickend. Er nickte, ersparte es sich aber, ihr eine Marke zu nennen oder gar seine bevorzugte Longdrink-Rezeptur, da er nicht davon ausging, dass in der überschaubaren Zimmerbar Kraftbrühe vorrätig sei. „Nur mit Crushed-Eis, wenn es geht“, fügte er aber hinzu.

      „Sie sind ein Vodka-Typ, dachte ich es mir doch.“

      „Sie haben eine gute Menschenkenntnis!“

      „Die muss man haben in meinem Gewerbe.“

      „Was da wäre?“

      „Ich begleite Geschäftsleute zu offiziellen Anlässen.“

      „Und zu mehr, wenn es sein muss?“

      „Nur wenn es mir gefällt.“

      „Und