H. Georgy

Geheimauftrag für Sax (1)


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besaß der BND an den verschiedensten neuralgischen Orten rund um den Globus ein mehr oder weniger dichtes Netz an Spitzeln, Informanten und halboffiziellen Vertretern, aber Männer seines eigenen Schlages – eben freie „Feldagenten zur besonderen Verwendung“ - waren eher selten geworden. Er kam sich vor wie der letzte Überlebende einer allmählich ausgestorbenen Rasse.

      „Den letzten reißen die Bestien…“ sinnierte er leise und nachdenklich.

      „Wie meinen?“

      „Die beiden, die ich in Skopje zu Allah schicken musste. Sie waren hinter uns her. Es hieß, sie oder ich – und sie waren darauf aus, uns zu töten.“

      „Hm!“ grunzte Stoessner. „Und das Mädchen?“

      „Swimming Pool.“ zitierte Freysing die Insiderbezeichnung für den DGSE.

      Stoessner runzelte kurz die Stirn.

      Auf dem kurzen Flug von München nach Berlin hatte Günter Freysing seinen Bericht ins IPad getippt und der befand sich jetzt bereits im hausinternen Computersystem. Stoessner hatte fraglos noch keine Gelegenheit gehabt, ihn zu lesen. Er setzte ihn daher nur kurz ins Bild; offenbar gab es wesentlich Wichtigeres zu besprechen, wenn man ihn so schnell hierher beorderte.

      „Sie sind vertraut mit dem Einsatz unserer Fregatte „Baden-Württemberg“?“ fragte Stoessner deshalb auch bald, zum Zweck von Freysings Hierseins kommend.

      Dieser begann mit den Fakten, die er kannte.

      „Die Baden-Württemberg, ja… - im Rahmen einer Gemeinschaftsoperation mit UN-Mandat vor der somalischen Küste auf Piratenjagd. Es ist nach der Fertigstellung im Februar oder März diesen Jahres ihr erster regulärer Einsatz…“

      Stoessner unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung.

      „Die Fregatte ist letzte Nacht am Eingang des Golfes von Aden vor der somalischen Küste spurlos verschwunden!“

      Einen Augenblick herrschte absolute Ruhe im Raum, man hätte die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können und es hätte sich angehört wie ein Pistolenschuss.

      „Was meinen sie mit… „verschwunden“?“ fragte Freysing nach dem Moment.

      „Verschwunden! Im Sinne von weg. Nicht mehr da!“. Stoessner war erregt.

      „Satellitenüberwachung, AWACS, Radar, U-Boot-Sonar, Sichtkontakt mit anderen Schiffen…?“, hakte Sax gestikulierend nach. „Der Golf von Aden gehört zu den meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt, und damit auch zu den meistüberwachten.“ Noch etwas fiel ihm ein: „Was ist denn mit Bad Aibling?“

      Die kleine Stadt in Oberbayern war vor einigen Jahren weltweit nicht nur als Moorheilbad bekanntgeworden, als sich herausstellte, dass dort jahrelang eine Abhörstation der USA im Rahmen des „Echelon“-Projekts betrieben wurde, mit Wissen und Billigung der Bundesregierung. Schließlich hatte man aber die gesamte Anlage an den deutschen Staat, sprich an den BND, verkauft, der seit dieser Zeit von dort aus den Telefon- und Internetverkehr des Nahen Ostens und Nordafrikas belauschte. Auch das lange Zeit „Streng geheim“ natürlich.

      „Ergebnislos, allesamt. Es scheint, als habe sie von einer Sekunde auf die andere aufgehört, überhaupt zu existieren. Natürlich gab es reichlich Telekommunikation dort, nachdem die NATO dort die großangelegte Suche begann. Aber bislang nichts, dass uns wirklich weiterbrächte.“

      „Das heißt, die ganze hochmoderne Elektronik da draußen und da oben ist nicht imstande, eine hundertfünfzig Meter lange Fregatte in einem überschaubaren Abschnitt des Arabischen Meeres ausfindig zu machen?“

      Er deutete mit der Hand in Himmelsrichtung aus dem Fenster, das zum Grüngürtel hinaus ging, welcher das Areal des BND zur Chausseestraße hin begrenzte. Damit spielte er unter anderem auch auf die quasi lückenlose Satellitenüberwachung an, mit der man jederzeit die Position jedes Kriegsschiffes oder anderen Schiffes auf der Welt ausfindig machen konnte, sofern es über Transponder verfügte – und das war nahezu jedes heutzutage.

      „Ganz genau!“

      Günter Freysing erinnerte sich an den Vortrag, den ihm Stoessner über die modernen Methoden der Spionage schon bei seinem Amtsantritt gehalten hatte. Von „Humint“, also der Nachrichtenbeschaffung durch Menschen, hielt er offenbar gar nichts. Relikte! Nur einen kleinen Auszug seiner Rede hatte er zu Beginn des Meetings erst wiederholt, als er Freysing wegen des seines Erachtens nicht zeitgemäßen Vorgehens in der „Stahlmann“-Sache tadelte.

      „Die NATO hat sofort einige weitere nähere Schiffe in den Bereich beordert, in dem die Baden-Württemberg unterwegs ist. Vergeblich. Keine Spur von ihr. Der letzte Funkspruch kam heute Morgen so gegen 5:30 Uhr somalischer Ortszeit, hier also um 3:30 Uhr. Da kam die Meldung, dass sie einen verdächtigen multiplen Radarkontakt haben und eine Aktion unmittelbar bevor stünde.“

      „Und danach nichts mehr?“

      „Nein, gar nichts. Sie sind im Rahmen des Auftrags auf Funkstille gegangen und haben sich an die Piratenverfolgung gemacht. So weit war das über die Satellitenaufzeichnung nachvollziehbar. Dann ist sie verschwunden. Djibouti hat sie als erstes verloren. Ein AWACS der Amerikaner hatte sie eben noch auf dem Radar, dann war sie weg. Die Suche blieb bis jetzt ergebnislos. Sowohl technisch als auch auf Sicht. Nichts.“

      In Djibouti befand sich, wie freilich auch Sax wusste, die Leitstelle der internationalen Gemeinschaft, die im Golf von Aden und um die Küsten Somalias militärisch die Handelsschifffahrt vor Piratenübergriffen schützen sollte. Mehrere Staaten, darunter die USA, Deutschland und Frankreich, besitzen dort einen ständigen Stützpunkt.

      „Gesunken?“

      „Es gibt dort weder Untiefen noch gefährliche Strudel, außer bei einer kleinen jemenitischen Inselgruppe, aber die ist wohl zu weit weg von der gemeldeten Route.“

      „Versenkt?“, verbesserte sich Freysing.

      „Wer sollte die Fregatte versenken? Somalische Piraten sind dazu wohl nicht in der Lage!“ meinte Stoessner abfällig. Einen Feindkontakt mit Schusswechsel hätte man sicher sofort gemeldet. Außerdem, zurzeit gibt’s wohl keinen Feind, der deutsche Fregatten versenkt.“

      „Wenn sie die Zeit dazu hatten, was zu melden.“, meinte „Sax“ nachdenklich. „Und Feinde haben wir genug. Al Quaida hat oft genug gedroht, Deutschland als Ziel und nicht mehr als Rückzugsraum zu behandeln. Es gab ja schon mehrere terroristische Planungen, aber sie konnten stets rechtzeitig vereitelt werden. Ein deutsches Ziel außerhalb unserer Landesgrenzen…“

      Stoessner unterbrach ihn: „Eine „Baden-Württemberg“ sinkt nicht von jetzt auf gleich, selbst nicht bei einem Angriff mit Torpedos oder Haftminen. Das dauert seine Weile. Es hätte einen Notruf gegeben. Oder wenn nicht den, dann zumindest eine Störung des örtlichen Funkverkehrs. Den gab es aber nicht. Es gab einfach gar nichts mehr. Und solch ein Attentat? Auf hoher See? Dafür käme wohl eher ein Aufenthalt in einem Hafen in Frage!“

      „Wir wissen also gar nichts!“ stellte Günter Freysing fest.

      „Jedenfalls nicht viel. Deswegen habe ich Sie ja herholen lassen, Freysing. Angeblich sind sie unser Bester.“ Aus Stoessners Mund klang es abfällig.

      „Sie schicken mich nach Somalia?“ fragte Freysing etwas ungläubig nach. Sein Einsatzgebiet, seine Schwerpunkte zumindest, hatten in den „guten alten Tagen“ schließlich immer mehr in Europa oder im Nahen Osten gelegen.

      „Ich schicke sie nach Hamburg!“ stellte Stoessner trocken fest. „Während Sie sich mit diesem Mädchen in der italienischen Ferienhütte vergnügt haben, sind wir schließlich nicht untätig gewesen.“

      „Sie glauben doch nicht etwa den Blödsinn der Amerikaner, die behaupten, dass die somalischen Piraten mit islamistischen Gruppen unter einer Decke stecken?“ entgegnete Freysing skeptisch.

      Nach wie vor galt Hamburg als ein Nest der Islamisten. Allerdings, Hamburg war auch der Heimathafen der „Baden-Württemberg“. Alte Agentenregel: Wenn