Stefan Koenig

Tag 1 - Als Gott entstand


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Teil

       Tag 1

       Als Gott entstand

       Glaube. Wissenschaft. Evolution.

       Die Geschichte unserer Vorfahren

      Herausgegeben, bearbeitet

      und kommentiert von Stefan Koenig

       Tag 1

       Als Gott entstand

       Woher wir kommen

       Wer wir sind

       Gewidmet der Vernunft

       Gewidmet der Aufklärung

       Gewidmet der Wissenschaft

       Pegasus Bücher

       © 2018 by Stefan Koenig

       Verlag Pegasus Bücher

       Druck und Umschlaggestaltung

       GRAPHIC-FACTORY, Hungen

       ISBN: 978-3-9817877-2-6

       Kontakt zum Herausgeber:

       Pegasus Bücher

       Postfach 1111

       D-35321 Laubach

      Vorlesung 1

      Ein Nebel im Universum. Eine größere Molekül­wolke, geimpft mit dem radioaktiven Fall-Out einer na­hen Supernova-Explosion. Ein kollabierender Kern aus der Molekülwolke. Die interstellare Materie verdichtet sich. Ein Feuerball, der zum Stern wird. Die Entstehungsgeschichte unserer Erde ist mit der Geschichte des Universums, des Milchstraßensystems und unseres Sonnensystems verknüpft. Woher wir das wissen? Die Erkenntnisse der Planetologie über die Entstehung der Erde stammen aus geologischen Befunden, aus der Untersuchung von Meteoriten und Mondgesteinen sowie aus astrophysikalischen Daten etwa zu solaren Elementhäufigkeiten.

      Doch dies ist kein Buch nur für Naturwissenschaftler, kein Buch nur für Spezialisten – es ist ein Buch für jeden von uns, der wissen will, woher wir kommen. Ein Buch für alle, die wissen wollen, wer wir sind. Wer waren unsere Ur-Vorfahren? Wie lebten sie? Wer war ihr Gott? Und wo war ihr Gott? Wir spielen uns heute als Riesen auf. Tatsächlich sind wir es auch. Wir wurden es in jenem Moment, als wir uns durch unsere Entdeckungen in die Lage brachten, diesen über Milliarden Jahren entstandenen Klumpen Materie, der sich mühsam unterschied in unbelebt und belebt, atomar in die Luft zu jagen, zu zerstören. Aber waren wir schon immer Riesen?

      Nein, es gab eine Zeit, da war der Mensch kein Riese, kein Natur-Beherrscher, sondern ein Zwerg, er war höriger Untertan der Erde. Er besaß ebenso wenig Macht über die Natur, ebenso wenig Freiheit wie irgendein Tier im Wald oder irgendein Vogel in der Luft.

      Man sagt: „Frei wie ein Vogel.“ Aber kann man einen Vogel frei nennen? Es ist richtig, er hat Flügel, die ihn über Wälder, Seen und Berge tragen. Wenn jetzt im Herbst die Zugvögel, Störche, Kraniche und andere gen Süden fliegen, beneidet sie mancher von uns und denkt: „Glückliche Vögel: fliegen, wohin sie wollen!“

      Aber ist es so? Machen die Vögel diese weiten Flüge, weil sie wie wir das Reisen lieben? Weil sie „Reisefreiheit“ genießen?

      Nein, die Vögel fliegen nicht aus freier Lust, sondern aus Zwang. Diese Vogelzüge sind im Kampf ums Leben entstanden, während unzähliger Generationen, in Abertausenden von Jahren.

      Für einen Vogel ist es so leicht, von einem Ort zum anderen zu fliegen, dass eigentlich jede Vogelart überall auf der Erde zu finden sein könnte. Wäre es aber so, dann würden wir in unseren Fichtenwäldern und Birkenhainen Papageien treffen. Dann würden wir, wenn wir ins Dickicht des Waldes eindringen, über unserem Kopf das Trillern der Feldlerche oder das Kreischen der Möven hören.

      Das gibt es jedoch nicht und kann es nicht geben, denn die Vögel sind nicht so frei, wie es uns scheint. Jeder Vogel hat seinen Platz in der Welt. Der eine lebt am Ufer des Meeres, der andere in der Steppe oder Taiga. Wie stark sind doch die Flügel des Adlers! Aber auch er hält sich in bestimmten Grenzen, wenn er seinen Nistplatz aussucht, Grenzen, die man auf der Karte einzeichnen könnte.

      Der Steinadler wird seinen Horst nicht in der freien, unbewaldeten Steppe bauen. Der Steppenadler dagegen wird nicht im Waldesinnern oder in den Bergen hausen. Es scheint, als sei der Wald von der Steppe durch eine unsichtbare Wand getrennt, durch die nicht jedes Tier und nicht jeder Vogel hindurchkommt.

      Ihr werdet die typischen Waldbewohner nicht in der Prärie antreffen, keinen Zaunkönig, kein Eichhörnchen. Und im Wald werdet ihr keine Präriebewohner finden.

      Aber auch Wald, Prärie und Steppe sind wieder in einzelne Lebensgebiete unterteilt. Wenn ihr durch den Wald geht, durchschreitet ihr immer wieder jene unsichtbaren Wände. Und wenn ihr auf Bäume klettert, stoßt ihr mit dem Kopf durch unsichtbare Decken. Der ganze Wald ist wie ein großes Haus, eingeteilt in Stockwerke und Wohnungen, obwohl ihr nichts davon seht.

      Die Menschen wechseln oft ihre Wohnungen, ziehen um von einem Haus ins andere, aus einer Etage in die andere. Im Wald ist es für die Bewohner einer Etage sehr schwierig bzw. unmöglich, ihre Wohnung mit dem Mieter einer anderen Etage zu tauschen. Die Waldschnepfe wird ihr feuchtes und dunkles Heim nicht gegen ein trockenes und sonniges eintauschen. Der Bewohner des Dachbodens, der Habicht, wird sein Nest nicht am Fuße der Bäume bauen.

      Jede Tierart hat im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte andere Überlebensmerkmale und andere körperliche Gegebenheiten entwickelt. Wenn Eichhörnchen und Springmaus ihre Wohnungen tauschen wollten, Wald gegen Steppe, Baumhöhle gegen Erdloch, dann müssten sie auch ihre Schwänze und ihre Pfoten tauschen. Wenn wir noch andere Steppen- oder Waldbewohner kennen lernen, sehen wir, dass jeder von ihnen mit unsichtbaren Ketten an seinen Platz in der Welt gefesselt ist.

      Schauen wir uns eine der Ketten an: Der Specht klopft am Stamm einer Tanne. Was sucht er in der Rinde? Wenn wir die Rinde von der Tanne abschälen, sehen wir gewundene Gänge, die ein ständiger Schmarotzer dort genagt hat – der Tannenborkenkäfer. Jeder Gang endet in einem Kämmerchen, und dort verwandelt sich die Larve des Borkenkäfers zunächst in eine Puppe und dann in ein Käferchen. Das Käferchen hat sich der Tanne angepasst – der Specht hat sich dem Käferchen angepasst. Der Specht hat einen kräftigen, festen Schnabel, mit dem er leicht die Rinde aufmeißelt, und seine Zunge ist so lang und biegsam, dass er die Larven in ihren Gängen erreicht und sie sich herausfischt.

      Hier haben wir beispielhaft eine dieser Ketten: Tanne – Borkenkäfer – Specht. Das ist aber nur eine von den Ketten, die den Specht an den Baum und an den Wald fesseln.

      Auf dem Baum findet der Specht sein Fressen: Nicht nur den Borkenkäfer, sondern auch andere Insekten und ihre Larven. Im Winter zieht er sich geschickt die Samen aus den Kiefernzapfen. Er klemmt dabei den Zapfen zwischen Stamm und Ast. Aus dem Stamm des Baumes meißelt er sich eine Höhle für sein Nest. Sein elastischer Schwanz und seine Greifkrallen machen es ihm möglich, am Stamm auf und ab zu klettern.

      Wie sollte sich der Specht nach alledem von seinem Baum trennen können?

      Und so ergibt sich, dass der Specht und das Eichhörnchen nicht freiwillige Mieter, sondern eigentlich Gefangene