Stefan Koenig

Tag 1 - Als Gott entstand


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      Das riecht nach einer Verleumdungsklage. Und tatsächlich: Vor rund 80 Jahren kam es wegen dieser Angelegenheit in den USA zu einem Gerichtsverfahren. Man verurteilte einen Volksschullehrer, weil er den Mut gehabt hatte, den Kindern von der Verwandtschaft des Menschen mit den Affen zu berichten. Im Gerichtssaal erschienen mehrere honorige Bürger mit Armbinden, auf denen stand: „Wir sind keine Affen, und wir lassen uns nicht zu Affen machen.“

      Der arme Volksschullehrer, der diese Esel und Affen ja gar nicht verwandeln wollte, war von den auf ihn niederhagelnden Beschuldigungen zutiefst erschüttert. Während er auf die drohenden Fragen des Richters antwortete, dachten Freunde von ihm: „Ist der Richter denn verrückt geworden? Ebenso gut könnte man ja auch fürs kleine Einmaleins verurteilt werden!“

      Die Verhandlung wurde nach allen Regeln der juristischen Kunst geführt. Zeugen wurden vernommen, dem Angeklagten ein letztes Wort gewährt. Und endlich verlas der Richter das Urteil:

      „1. Es wird festgestellt, dass Mensch und Affe nicht miteinander verwandt sind.

      2. Der Lehrer hat eine Strafe von hundert Dollar zu zahlen.“

      So hob der amerikanische Richter die ganze Wissenschaft über die Entstehung des Menschen kurzerhand auf, die von Darwin und anderen Denkern und Forschern geschaffen und von nachfolgenden Forschergenerationen bis heute weiterentwickelt wurde. Aber die Wahrheit ist starrköpfig, sie lässt sich durch Gerichtsurteile nicht aufheben. Wären heutzutage zu dieser Verhandlung Wissenschaftler eingeladen worden, so hätten sie mit Hunderten von Tatsachen bewiesen, dass der Volksschullehrer im Recht war, und dass nicht jeder Richter Recht sprechen kann, wenn Fragen der Wissenschaft verhandelt werden. Andererseits hätten heutige Kritiker der Evolutionstheorie mit klug klingenden Worten das einfache Urteil jenes einfachen US-Richters von damals irgendwie rechtfertigt.

      Wir wollen hier noch nicht auf die Motivationslage beider Seiten eingehen, denn wir befinden uns im Moment lediglich auf der Vorstufe einer viel weitergehenden Erkenntnis. Auch Grundsatzfragen sind im Moment nicht zu klären. Es mag sicher jetzt schon äußerst interessant sein zu fragen, wer Gott geschaffen hat, ob also hinter dem „Schöpfer“ ein weiterer „Schöpfer“ steht – und hinter diesem wiederum eine unendliche Zahl vorangegangener Schöpfungsakte mit jeweiligen „Urschöpfern“. Doch üben wir uns in Geduld.

      Wir könnten hier das ganze Buch mit unzähligen Beweisen für die Verwandtschaft von Mensch und Affe füllen. Aber sogar ohne alle wissenschaftlichen Überlegungen ist die Familienähnlichkeit zwischen Mensch und Affe für jeden ersichtlich, der sich auch nur eine Stunde in der Gesellschaft eines Schimpansen oder Orang-Utans befunden hat.

      Vielleicht erinnern sich einige Leser an eine Studie aus der Jetztzeit, vor ca. 90 Jahren:

      Es handelt sich um das erste und altbekannte Pawlow‘sche Experiment im Laboratorium von Koltuschi mit den beiden Schimpansen Rafael und Rosa. Inzwischen wurden mehrere gleichartige Experimente mit den gleichen Erkenntnissen durchgeführt. Gewöhnlich sind die Menschen nicht sehr gastfreundlich zu ihren armen Verwandten aus dem Wald; man bringt sie sofort hinter Gittern. Hier aber, in Koltuschi, begrüßte man die Gäste aus den Wäldern Afrikas mit zuvorkommender Herzlichkeit. Man stellte ihnen eine ganze Wohnung zur Verfügung, mit Schlaf-, Speise- und Badezimmer sowie mit einem Spiel- und Aufenthaltsraum. Ins Schlafzimmer brachte man bequeme Betten mit Nachttischchen daneben. Im Speisezimmer wurde der Tisch mit einem weißen Tischtuch gedeckt und das Buffet mit Speisen gefüllt.

      Nichts in dieser gemütlichen Wohnung erinnerte daran, dass die Bewohner keine Menschen, sondern Affen waren. Zum Essen standen Teller mit Löffeln auf dem Tisch. Für die Nacht wurden die Betten abgedeckt und die Kissen sorgfältig aufgeschüttelt. Manchmal benahmen sich die Gäste allerdings nicht so, wie es sich gehört. Beim Essen legten sie die Löffel weg und schlürften einfach das Kompott aus dem Teller. Beim Einschlafen legten sie nicht den Kopf auf das Kissen, sondern das Kissen auf den Kopf. Und doch benahmen sich Rosa und Rafael, wenn auch nicht ganz, so doch fast wie Menschen.

      Rosa konnte zum Beispiel nicht schlechter als irgendeine Hausfrau mit den Schlüsseln des Buffets umgehen. Gewöhnlich befanden sich die Schlüssel in der Tasche des Wärters. Rosa schlich sich unbemerkt von hinten an ihn heran und steckte die Hand in seine Tasche. Im nächsten Moment war sie im Speisezimmer vor dem Buffet. Sie klettert auf einen Stuhl und steckt behutsam den Schlüssel ins Schlüsselloch. Hinter dem Glastürchen liegen auf einer Schale leuchtend gelbe Aprikosen und verlockende Weintrauben. Ein rascher Griff, und die Trauben sind in Rosas Händen.

      Jetzt beobachten wir Rafael bei seiner Beschäftigung: Als Lehrmittel dienen ein Eimerchen voller Aprikosen und verschiedene Würfel. Diese Würfel sind viel größer als jene, mit denen sonst die Kinder spielen. Der größte ist so hoch wie ein Schemel, der kleinste nicht niedriger als eine Fußbank. Das Aprikoseneimerchen hängt oben an der Decke, und die Aufgabe besteht darin, die Aprikosen zu erreichen und aufzuessen.

      Zunächst vermochte Rafael diese schwere Aufgabe nicht zu lösen. In seiner Heimat war er oft auf Bäume geklettert, um Obst zu pflücken. Hier aber hingen die Früchte nicht an einem Ast, sondern in der Luft. Außer Würfeln gab es nichts, worauf er hätte klettern können. Aber auch vom größten Würfel aus konnte er nicht bis zu den Aprikosen langen.

      Während Rafael die Würfel hin und her drehte, machte er ganz ZUFÄLLIG eine Entdeckung: Stellte er zwei Würfel aufeinander, so kam er den Aprikosen etwas näher. Allmählich baute Rafael eine Pyramide aus drei, vier, schließlich aus fünf Würfeln. Das war gar nicht so einfach. Man konnte die Würfel nicht beliebig aufeinanderstellen, sondern sie mussten eine bestimmte Reihenfolge haben: zuunterst große, dann kleinere, oben ganz kleine.

      Oft machte Rafael den Fehler, die größeren Würfel auf kleinere zu stellen. Dann begann die ganze Konstruktion bedenklich zu wackeln. Im nächsten Augenblick drohte die ganze Pyramide mit Rafael zusammenzustürzen. Dazu kam es aber nicht, da Rafael geschickt wie ein Affe war. Bald war die Aufgabe gelöst. Er hatte alle sieben Würfel der Größe nach aufeinandergestellt, so, als hätte er die angeschriebenen Nummern lesen können – was natürlich nicht der Fall war.

      Endlich, auf der Spitze der Pyramide, hält er nun das Eimerchen und frisst mit größtem Vergnügen die ehrlich verdienten Aprikosen. Welches andere Tier vermag sich so menschenähnlich zu benehmen? Könnte man einem Hund den Bau einer Pyramide zutrauen? Und dabei ist doch der Hund ein äußerst verständiges Tier.

      Wenn Rafael „arbeitet“, ist seine Menschenähnlichkeit geradezu verblüffend. Er packt einen Würfel, nimmt ihn auf die Schulter und trägt ihn zur Pyramide. Aber der Würfel passt nicht. Da stellt er ihn auf die Erde, setzt sich darauf und überlegt. Nachdem er sich erholt hat, fängt er von vorne an – und vermeidet den begangenen Fehler.

      Wenn dem aber so ist, könnte man dann nicht dem Schimpansen beibringen, menschlich zu gehen, zu denken, (an Gott zu glauben) und zu arbeiten? Dies zu erreichen war der Traum des berühmten Dresseurs Durow. Er ließ seinem Liebling Mimus die denkbar sorgfältigste Erziehung zuteilwerden, und Mimus erwies sich als ein sehr verständiger Schüler: Er lernte den Löffel richtig zu benützen, sich eine Serviette umzubinden, auf dem Stuhl zu sitzen, beim Suppe essen keine Flecken zu machen und schließlich auf einem Schlitten den Berg hinunter zu rodeln.

      Und doch ist aus Mimus kein Mensch geworden.

      Das war auch nicht anders zu erwarten. Denn die Wege des Menschen und des Schimpansen haben sich vor langer Zeit voneinander getrennt. Die Vorfahren des Menschen stiegen von den Bäumen auf die Erde hinab, begannen auf zwei Füßen zu gehen und mit den Händen zu arbeiten. Dagegen blieben die Vorfahren des Schimpansen auf den Bäumen und passten sich dem dortigen Leben noch weiter an.

      Daher ist der Schimpanse auch anders gebaut als der Mensch. Er hat andere Hände, andere Füße, kein solches Gehirn und nicht die gleiche Zunge. Sehen wir uns die Hand des Schimpansen an: Sie ist anders eingerichtet als die des Menschen. Der Daumen steht nicht so weit seitwärts wie beim Menschen, und er ist kleiner als dessen kleiner Finger. Bei uns ist der Daumen der wichtigste in jenem Team von fünf Arbeitern, die man die Hand nennt. Er vermag mit jedem einzelnen der übrigen vier und mit allen gemeinsam zu arbeiten. Deshalb kann unsere Hand so geschickt mit den verschiedenartigsten