Herr Thönder

Liebes Leben, wenn wir Dich nicht hätten


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einem geflügelten Wort geworden.

       Ob damit das ausschweifende Liebesleben einzelner Gesellschaftsschichten gehört, weiß ich nicht genau. Ich persönlich fände es auch unlogisch, wenn daran eine ganze Gesellschaft zerbrechen würde. Was gibt es schließlich für eine stärkere Motivation, Sicherheit zu garantieren, Wohlstand anzustreben und gegen Feinde zu kämpfen, als die Liebe?

       Heute wird vor allem in Bezug auf die Familie vom Niedergang von Moral und Anständigkeit gesprochen. Es gibt immer mehr Scheidungen, immer weniger Kinder, immer mehr Gewalt, immer weniger Liebe. Scheinbar.

       Wahrscheinlich bemerken wir nur mehr davon. Es wird einfach mehr darüber geredet und wir machen mehr öffentlich als früher. Die Opfer werden mutiger – und das ist auch gut so!

       Liebes Leben, und dann kommen Menschen und wollen „Familie“ heißen, die gar keine eigenen Kinder kriegen können. Sie wollen sogar heiraten.

       Was für ein Skandal!

       Ich meine übrigens Homosexuelle, nicht unfruchtbare Heteros. Die dürfen ja heiraten, egal, ob sie Kinder kriegen können oder wollen oder nicht. Egal, ob diese Kinder dann geschlagen, missbraucht oder vernachlässigt werden. Egal, ob die Heirat aus Liebe oder aus finanzieller Vorteilnahme geschlossen wird.

       Hauptsache Hetero.

       Liebes Leben, wo bleibt da die Liebe?

       Sind wir wirklich schon wieder in einer Welt angekommen, wo die Liebe nicht mehr zählt? In einer Welt, in der es wichtiger ist, dass sich die Nachbar-Bauernhöfe zusammentun? Wo es wichtiger ist, dass alles „normal“ wirkt?

       Ich finde, das ist alles egal.

       Wenn sich zwei Menschen lieben, sollen sie leben, wie sie wollen. Wenn sie heiraten wollen, sollen sie es tun. Wenn sie Kinder wollen, sollen sie welche kriegen. Wenn sie sich zusammennähen lassen wollen, um untrennbar zu sein, von mir aus auch das.

       Und es ist auch egal, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, welche Religion oder welches Alter die Menschen haben. Richtige Liebe kennt solche Grenzen nicht. Liebe ist ein Gefühl, kein Beruf. Wir können es nicht abstellen, uns abgewöhnen oder etwas anderes lernen.

       Liebes Leben, gibt es wirklich keine Grenzen?

       In meinen Augen nicht. Es müssen halt die Bedingungen erfüllt sein: Liebe, die gelebt wird, muss beidseitig sein. Sie muss von beiden verstanden und gefühlt werden. Liebe unterdrückt nicht, sondern bestärkt. Liebe macht frei, ehrlich und fröhlich. Liebe verletzt nicht, weder körperlich noch seelisch.

       Bestimmt habe ich etwas vergessen. Kurz zusammengefasst: Liebe macht alle Beteiligten glücklich! (Und auch Glück ist für jeden Menschen etwas anderes.)

       Liebes Leben, jeder Mensch liebt. Und wenn es nur die Liebe zu sich selber und seinem Leben ist.

       Langsam scheinen wir uns aber die Möglichkeiten der differenzierten Liebe wieder zu eröffnen. Es ist wieder möglich, auch zu guten Freunden zu sagen, dass man sie liebt. Liebe ist nicht mehr exklusiv für die erotische Beziehung zwischen zwei Menschen vorbehalten.

       Aber sie ist der Beziehung zwischen Lebewesen vorbehalten. Zumindest die „wahre Liebe“.

       Die „Liebe“, die jemand zu seinem Auto empfindet, die „Liebe zum Fußball“, die „Liebe zum Essen“ – alle diese „Lieben“ sind in Wahrheit doch Liebe zu sich selbst. „Guck her, wie toll ich bin...“ fängt es an. Wahlweise geht es weiter mit: „...was für ein tolles Auto ich mir leisten kann!“, „...wie toll ich meinen Verein ausgewählt habe!“ oder „...wie sehr ich meinen Magen dehnen kann!“ Das ist für mich dann keine Liebe, sondern Prahlerei und Ersatz, weil nicht genug Liebe vorhanden ist.

       Die Liebe der Moderne ist umfangreicher geworden. Manchmal ist das gut, manchmal verschwimmen die Konturen. Liebe wird zu einem leeren Wort. Wir alle müssen es mit Inhalten füllen. Mit Inhalten, die zu uns und unserer Persönlichkeit passen.

       Erst dann lieben wir.

       Liebes Leben, ich liebe Dich!

       Technik

      

      

       Liebes Leben,

       ist es nicht der pure Wahnsinn, wie sich die Technik weiterentwickelt?

       Der Wahnsinn scheint zu einem weiteren Sinn des Menschen geworden zu sein. „Ich MUSS das haben!“ Egal, wie viel es kostet. Egal, ob ich mich verschulde. Egal, ob ich damit umgehen kann. Egal, was ich gestern gesagt habe.

       Das ist der Wahn-Sinn!

       Liebes Leben, auch ich besitze das ein oder andere moderne Gerät. Diese Texte schreibe ich an einem Computer, ich habe ein kleines Tablet-PC-chen – und ich besitze ein Smartphone.

       Letzteres beschäftigt meine Gedanken recht häufig. Vor allem, weil es schon relativ alt ist. Aber was heißt „alt“? In Computer-Fortschritts-Jahren gerechnet gehört es schon zu den Rentnern. Eigentlich ist es ein Wunder, dass es noch funktioniert.

       Es ist nämlich schon über fünf Jahre alt.

       Wie menschliche Rentner hat es schon ein paar Erscheinungen: Es wird langsamer, manchmal vergisst es etwas, manchmal schläft es einfach ein. Anders als bei einem menschlichen Rentner kann ich dann einfach den Akku mal kurz entfernen und wieder einsetzen, damit alles wieder klappt. Aufgrund dieser Erscheinungen überlege ich schon länger, mir ein neues Gerät anzuschaffen.

       Liebes Leben, bin ich deshalb ein schlechter Mensch? Einer von denen, die „keinen Respekt vor dem Alter“ haben? Einer, der nur seine eigenen Vorteile im Blick hat? Einer, der für ein bisschen Luxus alles tun würde?

       Irgendwie finde ich das nicht. Immerhin habe ich das Gerät noch. Sicher: Das liegt auch daran, dass ich etwas Vergleichbares noch nicht gefunden habe. Und daran, dass ich zu geizig bin, Geld für etwas auszugeben, was ich nicht wirklich brauche. Immerhin funktioniert ja noch alles. Halt nur langsamer.

       Ich tausche ja auch nicht meine Mutter aus, nur weil sie nicht mehr ganz so schnell ist wie früher...

       Was die Technik angeht, liege ich damit nicht im Trend. Zumindest wird mir das von vielen Seiten eingeredet. „Was, DAS hast Du nicht?“ „Was, DAS kann Dein ... nicht?“ „WARUM?“

       Nun, ich würde gerne alle Menschen, die sich Sorgen um meine technische Zugehörigkeit machen, beruhigen. Nur zu gerne würde ich ihnen klarmachen, dass ich auch ohne den ganzen Schnickschnack überleben werde. Vielleicht würde sogar der ein oder andere verstehen, dass ich lieber nur im Notfall mit meinem Telefon fotografieren kann, als Probleme zu haben, mit meinem Fotoapparat zu telefonieren.

       Leider ist meine beste Begründung für mein altes Smartphone bisher: „Das passt am besten in die Hosentasche!“

       Liebes Leben, an manchen Tagen packt mich dann auch mal der Trotz. Den ganzen Kram brauche ich doch auch nicht. Das nächste Telefon wird wieder ein echtes Telefon. So richtig mit Tasten (Wählscheiben gibt es ja für Handys nicht) und ohne Tausende von Apps, die ich sowieso nicht nutze.