Walter Rupp

Ironische Geschichten


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      Ironische Geschichten

       Satirikern

      begegnet man mit Vorsicht. Denn man möchte

      von den Hieben, die sie so geschickt austeilen, nicht getroffen werden.

      Man ist sich bei ihnen nie sicher, ob sie mit ihren Sticheleien

      nur bestimmte Leute und wirklich nur die anderen meinen.

      Man hört ihnen darum mit zwiespältigen Gefühlen zu: Wen sie

      karikieren? Über wen sie ihren Spott ausschütten?

      Wen sie auseinandernehmen und sezieren?

      Niemand weiß so recht, was er von Satirikern halten soll.

      Viele hegen den Verdacht, sie wären durch Enttäuschungen bitter

      gewordene, gekränkte Idealisten, die sich nicht

      damit abfinden wollen, dass die Welt nicht gut ist,

      und der Illusion erliegen, sie könnten das Böse aus der Welt vertreiben.

      Andere wollen wissen, dass nur der Satiren schreiben kann,

      der an Bosheiten Gefallen findet und selbst böse ist. Satire sei der

      Versuch, die eigene Bosheit loszuwerden,

      indem man sie ausspuckt oder hinaus schreit.

      Der Satiriker, ist kein Menschenverächter und Sadist.

      Er möchte nicht wehe tun und nicht verletzen. Seine Satiren sind nur

      der verzweifelte Versuch, die Menschen von den vergifteten Ideen,

      mit denen sie sich täglich infizieren, durch ein Gegengift zu heilen.

      Satiriker sind die einzigen wirklichen Realisten. Sie haben etwas

      gegen die geschminkte und entstellte Wirklichkeit.

      Sie haben erkannt, dass man nur wenige Dinge ernst nehmen darf.

      Sie wissen, dass es für den, der die Augen auftut,

      unmöglich ist, das Lächerliche in der Welt nicht zu sehen

      und sich an den Widersprüchen oder Heucheleien der Menschen nicht

      zu reiben. Satiriker können darum ohne Ironie nicht schreiben.

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      Lebenskunst

       Ars vivendi oder die Kunst, sich mit Anstand durch das Leben zu mogeln

      Da fast alle Menschen ins Leben eintreten, ohne gefragt worden zu sein, ob sie leben möch­ten, und leben müssen, ohne zu wissen wie man das macht, aber oft das Geld nicht haben, nach Asien zu reisen oder bei Sinnfindungskursen Lebensweisheiten einzukaufen, möchte ich de­nen, die Lebenskunst erlernen möchten, einige Einsichten aus meiner Lebenserfahrung mitge­ben, damit sie nicht hilflos durch das Leben tappen müssen.

      1. Vor Ängsten braucht man keine Angst zu haben. Es besteht kein Grund, deshalb ins Extrembergsteigen, Tiefseetauchen, Fallschirm- oder Bungee-Springen oder in den Alkohol zu flüchten. Ängste machen das alles mit. Besser ist, man holt sie aus ihrem Versteck und zerrt sie ans Licht. Dann wird man sehen, dass sie keine übermächtigen Gestalten sind, sondern schwache Wesen, die dankbar dafür sind, wenn ihnen jemand Mut zuspricht.

      2. Tage kann man nicht verlängern, indem man die Nächte kürzt. Wenn die Zeit am Tage knapp geworden ist, sollte man nicht versuchen, sich Zeit von der Nacht zu holen, denn die Nächte brauchen ihre Zeit für sich. In den Nächten muss viel Aufräumarbeit geschehen: Bis zum Morgen sollen die durcheinander geratenen Gedanken und der nervös gewordene Puls wieder zur Ruhe kommen, und trübe Erinnerungen oder aufgestauter Ärger beiseite geräumt sein.

      3. Es ist nicht gut, seine Probleme zu gesellschaftlichen Veranstaltungen, ins Wochenen­de oder zu Gruppengesprächen mitzunehmen, um sie vor anderen auszubreiten. So wird man sie nicht los. Wer seine Probleme mit den Problemen anderer vergleicht, macht sie nicht kleiner, son­dern gerät in Gefahr, dass er auch noch die Probleme der anderen mit­nimmt.

      4. Allen, die sich schwer tun, ihr Verlangen, überall mitzureden, zu beherrschen, lege ich nahe, sich eine Sammlung der interessantesten und beliebtesten Meinungen anzulegen, damit sie für jedes Thema plausible Meinungen vorrätig haben, auf die sie jederzeit zurückgreifen können. Bei der Auswahl sollte man auf jeden Fall Meinungen, für die man komplizierte Überle­gungen anstellen müsste, aussortieren und nur die auswählen, für die man keine Argumente braucht. Man kann von Stammtischen oder Parlamentsdebatten ausreichend Meinungen mit­nehmen, die nur mehrmals lautstark wiederholt werden müssen, um jeden Widerstand zu bre­chen. Man kann sich auch an die Überschriften der Tageszeitungen halten, die mit großen Let­tern auf das Wesentliche aufmerksam machen, und vom Fernsehen lernen, wie man aus den widersprüchlichsten Meinungen eine Meinung zusammenmixt, die von Tatsachen, Vermutun­gen und Unterstellungen ein bisschen was enthält. In gebildeten Kreisen kann man mit unausgereiften Hypothesen, die ein Wichtigtuer bei einem Kongress vertrat, immer Eindruck hinter­lassen. Meinungen müssen nicht richtig sein, sondern in langweilige Diskussionen Abwechslung bringen.

      5. Zweifel sind kein Grund, nervös zu werden. Sie lassen sich nur mit Menschen ein, die kritisch sind und etwas gern in Frage stellen. Man sollte sie gewähren lassen. Sie zwingen dazu, über andere Möglichkeiten nachzudenken. Sie kratzen