E.R. Greulich

Anekdoten aus zwei Jahrzehnten


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es, sie helfe ihrer Publicity gern durch Nervenzusammenbrüche nach. Dass sie zum rechten Zeitpunkt auch anders kann, bewies sie bei einem Auftritt im Londoner Covent Garden. Mitten in einer emphatischen Arie hatte sie sich zu weit vorgebeugt, und ihre Perücke geriet an einer Kerze in Brand. Gelassen zog sie die schwelende Lockenpracht vom Haupt und warf sie zu Boden. Während sie das gefährliche Glimmen austrat, sang sie dabei mit schmetterndem Schmelz: "Wag es nicht - wag es nicht - dein verzehrend' Feuer wird mein kaltes Herz - wird mein schön' Gewand nimmermehr entzünden!"

      Die Hochgefeierte erntete nie so jubelnden Applaus wie an diesem Abend, und alle Nervenschwächen vorher brachten ihr nicht so viel Popularität wie diese eine Nervenstärke.

      Galante Räuber

      In einer Marseiller Nebenstraße betraten zwei harmlos aussehende junge Männer einen Hutladen. Die Besitzerin, eine Witwe Desvigneux, war allein, und die beiden fesselten Madame an einen Stuhl und verschwanden mit der Tageseinnahme. Sie wurden bald gefasst und standen kurz darauf vor dem Richter. Der Fall lag klar, die Sünder zeigten Reue. Der Richter versäumte nicht, ihnen ins Gewissen zu reden, und mit einem wohlgefälligen Blick auf die hübsche Zeugin schloss er seine Philippika mit der Frage, ob es ihnen nicht schon allein vom Standpunkt der Ritterlichkeit leidgetan habe, ein so zierliches Persönchen zu fesseln.

      Beschämt murmelte der eine, sie hätten sich ja bei Madame Desvigneux deswegen entschuldigt. Der andere erklärte nicht ohne nachträgliche Genugtuung:

      "Und ehe wir gingen, gaben wir ihr jeder einen Kuss als Schadenersatz."

      Der Herr - leicht überfordert

      Pater Franchetti, Landpfarrer eines Dorfes bei Pisa, hatte wahrlich genug Sorgen mit den seelischen und leiblichen Gebresten seiner Pfarrkinder. Neuerdings sogar wegen der Hauchdünnen. Er beobachtete, dass die Damenwelt beim Gebet nicht mehr wie üblich niederkniete. Seine Erkundigungen ergaben, dass die Frauen und Mädchen inbrünstig alle Heiligen angefleht hatten, sie vor den Laufmaschen zu bewahren, die beim Hinknien auf den Steinfußboden der Kirche entstanden. Da diese Gebete kein Gehör fanden, meinten die Schönen, dem lieben Gott sei es gleich, ob sie beim Beten stehen oder knien.

      In einer Predigt versuchte Pater Franchetti die Stehenden von ihrer heidnischen Auffassung abzubringen. Mit Engelszungen sprach er vom seligen Leben dermaleinst, wo dann die Erzengel darauf pfeifen würden, ob eine in löchrigen, wollenen oder Kunststoffstrümpfen vor der Himmelstür stände. Doch all seine Beredsamkeit schien umsonst. In den Augen der weiblichen Gemeindemitglieder las er Unverständnis, wenn nicht gar Unwillen über seine Bekehrungsversuche. Da packte den Pfarrer heiliger Zorn. Er schlug mit der Faust auf die Kanzel und donnerte: "Ein für allemal, gekniet wird! Lasst die Strümpfe zu Hause. Der Herr kann sich nicht um jeden Quark kümmern!"

      Selbsthilfe - für die andern

      Bahnwärter James Wolcott aus Tenmark in Arizona beklagte sich bei seinem Vorgesetzten brieflich über die Unvernunft der Autofahrer, die ihn manchmal unflätig beschimpften oder sogar eigenhändig die Schranke höben. Im Antwortschreiben las Wolcott, dies sei nun einmal das Los aller Schrankenwärter, er solle es mit Ergebung tragen, und übrigens gelte wie oft auch in diesem Fall: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.

      Dies bedachte der Menschenfreund und errichtete auf jeder Seite der Bahn entlang der Landstraße Marterln. Auf dem ersten lasen die ankommenden Wagenlenker: "In 100 Meter Entfernung wurde das Leben des Robert Elkinson auf wunderbare Weise gerettet. Er stoppte seinen Wagen und wartete, bis der Zug vorüber war."

      Auf dem zweiten war zu lesen: "In 50 Meter Entfernung fand ein tragischer Zweikampf statt. Das Duell von Harry Longdales Ford mit dem Güterzug 8811 verlief für den armen Harry tödlich."

      Auf dem dritten und letzten Schild fanden die Kilometerfresser dann noch den lakonischen Hinweis:

      "Jeder hier durchfahrende Zug benötigt zehn Sekunden. Unabhängig davon, ob sich Ihr Wagen auf den Gleisen befindet oder nicht."

      Armer Kaiser - armes Land

      Von etwa Mitte der Fünfzigerjahre bis zu seinem Tode 1880 lebte und handelte Joshua Abraham Norton, als sei er Kaiser von ganz Amerika und Protektor von Mexiko. Während eines Vierteljahrhunderts quittierte San Francisco wohlwollend die Ansprüche von Kaiser Norton I. In Fantasieuniform führte er die Paraden der Stadt an, nahm auf seinem Ehrenplatz an wichtigen Sitzungen teil, wohnte Verhandlungen über die städtische Gesetzgebung bei; und auf seine Vorschläge hin wurde manches Unrecht durch gerechte Entscheidung aufgehoben. Den König von Preußen und andere gesalbte Häupter sprach Joshua als "mein lieber Vetter" an und proklamierte viele kaiserliche Gesetze. Sie waren im pompösen Stil geschrieben, doch im Prinzip durchführbar und real, bescheinigten ihm seine Zeitgenossen. Einer seiner Befehle lautete, von San Francisco nach Oakland sei eine Brücke zu schlagen. Wenige Jahre später erhob sich über jene Bucht die Oakland-Bay-Brücke.

      Gern besuchte Norton I. die Gottesdienste der verschiedenen Konfessionen und trat dabei für menschliches Verständnis und religiöse Toleranz ein. Ein hoher Geistlicher jener Zeit erklärte, Nortons Reden seien dem wahren Christentum näher als viele offizielle Predigten.

      Als Norton I. gestorben war, bekam er ein Staatsbegräbnis, die Fahnen der Stadt waren auf halbmast geflaggt und 30 000 Menschen folgten dem Prunksarg. Nie ist das Geheimnis gelüftet worden, ob der brave Joshua nur so tat oder ob er wirklich verrückt war.

      Aus der Schuld eine Tugend gemacht

      Lincoln Bruce war zugleich Bürgermeister und Richter des Städtchens Templesborough in Minnesota. Einmal ging es um Tod und Leben eines schwerkranken Negermädchens dieser Stadt. Bruce, selbst nicht wohlhabend, nahm 120 Dollar für die Operation aus der Gemeindekasse. Er kannte die Gesetze und wusste, dass er sich damit strafbar gemacht hatte. Deshalb verurteilte er sich zu einer unbefristeten Gefängnishaft. Wer nun ein Anliegen hatte, durfte ihn in der Gefängniszelle nur gegen Entrichtung eines Dollars sprechen. Als die 120 Dollar beisammen waren, entschied der Richter Bruce auf Beendigung der Haftzeit des Bürgermeisters Bruce, und Bruce residierte fürderhin wieder im Rathaus.

      Bei der nächsten Bürgermeisterwahl wurde er wiedergewählt.

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